Das gute Gefühl ist zurück. So viel ist nach zwei Spielen unter Julian Nagelsmann sicher. Zwar war weder beim 3:1-Erfolg gegen die USA noch beim 2:2-Remis gegen Mexiko alles perfekt, doch ist die Stimmung ums deutsche Nationalteam im Vergleich zu den letzten Wochen und Monaten unter Hansi Flick nach den beiden Testspielen auf der Nordamerika-Reise um Welten besser.
Die teils fast überschwängliche Euphorie nach dem Sieg gegen die USA erhielt mit dem Unentschieden gegen mutig spielende Mexikaner zwar einen Dämpfer, doch kann das DFB-Team viel Positives über den Atlantik mitnehmen.
Da wäre zum Beispiel die Offensive, die fast nicht wiederzuerkennen war. Plötzlich sprossen die Ideen nur so aus Ilkay Gündogan, Jamal Musiala und allen voran Leroy Sané heraus. Dem zuletzt viel zu statischen Angriff wurde so neues Leben eingehaucht.
Ausserdem war unter Nagelsmann von Anfang an wieder eine deutliche Spielidee zu erkennen. Kein einfaches Hin- und Hergeschiebe des Balles in der Hoffnung, dass schon irgendwann etwas passieren würde. Kein einfallsloses Anrennen gegen einen defensiv stehenden Gegner. Im Gegenteil: Im Angriffsspiel der Deutschen war viel mehr Bewegung, die Einzelspieler überzeugten sowohl durch individuelle Qualität als auch im Zusammenspiel. Fünf Tore in zwei Partien sind der Lohn.
«Ich habe noch nie ein Team betreut, das so schnell in der Lage war, gelernte Dinge umzusetzen», zeigte sich der 36-jährige Coach begeistert und betonte: «Ich nehme ein sehr gutes Gefühl aus diesen Tagen mit. Das ist das Entscheidende.»
Dennoch bleibt ein grosses Problem: die Defensive. Stand Deutschland früher für beinharte Verteidiger, die das eigene Tor mit allem verteidigten, was sie hatten, ist das einstige Prunkstück weiterhin die Baustelle im Team. Zwar behauptet Nagelsmann, dass es keine Problemzonen gebe, doch sprechen die Zahlen Bände. Denn den fünf Toren stehen auch drei Gegentore gegenüber – gegen zwei Teams, die nicht zur absoluten Weltspitze zählen, in der sich Deutschland historisch eigentlich sieht.
Gegen die USA und Mexiko liessen sich die Deutschen erneut teils gnadenlos auskontern, wie zum Beispiel beim 1:1 gegen die Mexikaner. Im Defensivverhalten waren die Unterschiede zum 1:4 gegen Japan – dem letzten Spiel unter Flick – deutlich weniger frappant als im Spiel nach vorne.
In keinem der beiden Spiele war die Verteidigung wirklich überzeugend, gegen viele Gegenspieler fehlt den deutschen Verteidigern die Schnelligkeit, und das Aussenverteidiger-Problem liegt auch am Personal. Am vorhandenen Spieler-Material wird sich bis zum nächsten Juni aber nichts ändern.
Vor allem auf der rechten Seite klafft nach wie vor eine Lücke, die Nagelsmann vergeblich mit den nominellen Innenverteidigern Jonathan Tah und Niklas Süle zu füllen versuchte. Besonders auf Süle, der bei beiden Gegentoren schlecht aussah, prasselte nach dem Mexiko-Spiel Kritik ein. Nagelsmann nahm seinen Schützling in Schutz und sicherte ihm zu, weiter mit ihm zu planen. «Auf Sicht schätzen wir ihn sehr stark ein», sagte der Trainer.
Ohnehin zeigte er sich sehr optimistisch, die verbleibenden Schwachstellen bis zur Heim-EM Stück für Stück auszumerzen. «Ich bin zu hundert Prozent überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden», zeigte sich Nagelsmann sicher. Beim nächsten Zusammenzug im November werde dann «ein wenig mehr für die Defensive» getan, doch die Marschrichtung ist klar: «Ich bin davon überzeugt, dass wir unser Heil in der Offensive suchen müssen.»
Die Deutschen haben aktuell schlicht keine sehr guten Verteidiger, da bleibt ihnen nichts anderes übrig. Rüdiger kann man als Weltklasse sehen, aber dann kommt mit Tah, Süle, Raum, Hummels, Gosens, Thiaw, Ginter, Kehrer, Schlotterbeck, Koch, Bella-Kotchap, Henrichs, usw. einfach nur noch biederer Bundesliga-Durchschnitt. Entsprechend sind diese Positionen auch bei den Bayern mit Ausländern besetzt, da gibt es einfach keine Deutschen die gut genug sind.