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«Wollte immer berühmt sein» – wie Andri Ragettli dank TikTok besser wird

epa09850981 Andri Ragettli of Switzerland poses with the Crystal Globe after winning the FIS Freeski Slopestyle World Cup on Corvatsch mountain in Silvaplana, Switzerland, 26 March 2022. EPA/MAYK WEND ...
Andri Ragettli wurde bereits Weltmeister und holte dreimal Gold bei den X-Games-Bild: keystone

«Wollte immer berühmt sein» – warum Andri Ragettli dank TikTok als Freeskier besser wird

Andri Ragettli ist dank der sozialen Medien zu einer Berühmtheit geworden. Doch der Weltmeister hat im Sport noch grosse Ziele.
18.10.2023, 11:0518.10.2023, 15:15
Raphael Gutzwiller / ch media
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Fast hatte Andri Ragettli nicht mehr daran geglaubt. «Ich wollte schon fast sagen: ‹Das ist einfach zu schwierig.›» Doch er probiert es weiter. Er springt mit seinen Turnschuhen auf ein Geländer und slidet es herunter – endlich klappt es. Das neuste Video Ragettlis ist nur 20 Sekunden lang, es geht im Netz viral. Doch dahinter steckt viel Arbeit. «462 Versuche später», schreibt er auf Instagram darunter. Es ist keine Übertreibung. Über 300 Videos existieren, in denen Ragettli scheitert. Davor hat er schon weit über hundert Versuche nicht einmal gefilmt.

watson berichtete:

Video: watson/Lucas Zollinger

Es steckt viel Arbeit hinter dem Erfolg von Ragettli in den sozialen Medien. Dabei ist sein Job eigentlich jener des Freeskiers. Dort zählt er zu den Besten der Welt. 2021 wurde er Weltmeister im Slopestyle, 2023 holte er Bronze. Doch es sind die Videos, die den 25-jährigen Bündner zu einer Berühmtheit machen. Auf TikTok folgen ihm 1,9 Millionen Menschen, auf Instagram sind es 632'000. Seine Aufnahmen, bei denen er oft mitten im Leben Stunts vollführt, gehen regelmässig viral. Mal gleitet er auf einem Geländer, mal springt er mit Saltos von einer Brücke in einen Fluss, mal vollführt er einen Hindernislauf.

Zwei Tage Probieren für 20 Sekunden Video

Einige Tage nach dem Geländer-Video findet das Treffen in Saas Fee statt. Auf dem Gletscher bereitet er sich wie ein Grossteil der Konkurrenz auf den Weltcupstart am nächsten Freitag in Chur vor. Er erzählt, dass er in der Saison ohne WM sich das Ziel gesetzt habe, im Weltcup konstant vorne mitzuspringen. Doch Ragettli erzählt natürlich auch viel von seinen Videos, er weiss, wie gefragt diese sind. Lagern seine Kollegen an einem freien Wochenende die Beine hoch, dann nutzt er diese Zeit für das nächste Video. «Ich bin keiner, der Zeit vergeudet», sagt er. Denn seine Videos brauchen viel Zeit. Bei seinem letzten Hit braucht er zwei Tage, bis die 20-sekündige Aufnahme perfekt war.

«Wir sind meistens drei oder vier Freunde, die zusammen losziehen. Ich mag es, die Kreativität auszuleben», sagt Ragettli. Bruder Gian ist inzwischen oft als Filmer dabei, dank dem Erfolg in den sozialen Medien funktioniert dies finanziell. Ragettli hat bei «Blue Zoom» auch eine eigene Serie, die ihn begleitet. Und auch im Internet sind seine Ziele hoch, irgendwann möchte er auch auf Instagram die Millionenmarke knacken. Dank Werbeverträgen macht er in den sozialen Medien gutes Geld. «Ich mache das nicht aus finanziellem Anreiz», sagt er. «Aber natürlich ist es auch für Sponsoren interessant, wenn man in den sozialen Medien und im Sport erfolgreich ist.»

Filmemachen befruchtet auch die sportliche Leistung

Eigentlich könnte sich Ragettli eine Karriere machen, wie einige Freestyler, die nur Filme machen. «Vielleicht würde ich so sogar mehr Geld verdienen», sagt er. Doch dafür ist er zu ehrgeizig. «Ich brauche den Wettkampf», sagt er. «Ich glaube auch, dass mir nur Filme machen zu langweilig werden würde. Der Mix passt für mich.» Das eine befruchtet dabei auch das andere: Während er in den Videos von seinen sportlichen Fähigkeiten als Freeskier profitiert, bringen die Videos ihn auch als Sportler weiter.

epa10257709 Andri Ragettli of Switzerland competes during the men's Freeski Big Air final at the FIS Freestyle Skiing World Cup in Chur, Switzerland, 21 October 2022. EPA/YANIK BUERKLI
Andri Ragettli gehört zu den besten Freeskiern der Welt.Bild: keystone

«Klar, würde ein Training auf dem Luftkissen oder dem Trampolin mehr bringen», sagt er. «Aber die Videos sind mental für mich eine gute Übung.» Als er es nach 462 Versuchen tatsächlich schaffte, das ganze Geländer zu sliden, zeigte ihm das, dass er in seinem Sport auch geduldig sein muss. «Wenn bei einem Sprung etwas die ersten zwei Male nicht funktioniert, heisst das nicht, dass ich es nicht kann. Stattdessen geht es darum, möglichst viel zu repetieren. Es klingt abgedroschen: Aber wenn man etwas immer wieder probiert, funktioniert alles.»

Dass Ragettli dereinst eine Sportlerkarriere machen würde, war bereits früh klar. Egal, welchen Sport er macht: Sein Talent ist stets offensichtlich. Er ist talentiert im Fussball und auf den alpinen Ski. Ihn zeichnet auch immer ein grosser Wille aus. «Ich glaube, was mich immer ausgezeichnet hat, war meine Hartnäckigkeit», sagt Ragettli. Mit acht wechselt er von den Alpinskis zum Freestyle. «Ich weiss noch, wie das Gefühl war, als ich zum ersten Mal Freeski angezogen habe», sagt er. «Ich bin in einem kleinen Waldweg gefahren, der kleine Hügel hatte. Dort konnte man dann jeweils rausspringen, ich habe jeweils versucht, meine ersten Grabs zu machen, also die Skis anzufassen. Das hat mir so viel Spass gemacht, dass ich merkte, dass ich eigentlich nur noch das machen möchte.»

Die Eltern anderer Kinder belächeln den talentierten Jungen für den Entscheid, in diese «komische Sportart» zu wechseln. Ähnlich ergeht es ihm später auch an der Sportmittelschule in Engelberg, wo andere Sportler angesehener sind. Doch Ragettli will es allen beweisen. «Ich wollte immer Profisportler werden, aber ich wollte noch mehr. Ich wollte immer, dass die Leute wissen, wer ich bin.» Nun wissen die Leute, wer Andri Ragettli ist. Dank seiner Videos – und ab Freitag, wenn das Big Air Chur stattfindet, wieder dank seiner Sprünge auf den grossen Schanzen im Freestyle-Weltcup. (aargauerzeitung.ch)

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