Nur knapp 100 Tage nach dem Viertelfinale gegen England sind wir definitiv wieder im tristen Nati-Herbst angekommen. Mit nur einem Punkt aus vier Spielen stehen die Jungs von Murat Yakin kurz vor dem Abstieg in die zweite Stärkeklasse der Nations League. Ein Sieg beim Heimspiel gegen Serbien ist Pflicht, damit der Abstieg nicht besiegelt wird. Klar ist es nur die Nations League. Trotzdem bereiten die Auftritte sorgen für die Zukunft und erinnern stark an den Herbst 2023.
Die letzten zwölf Monate waren für die Schweizer Nationalmannschaft ein Auf und Ab. In insgesamt 13 Pflichtspielen feierten die Schweizer gerade einmal zwei Siege. Beide Siege wurden allerdings an der Europameisterschaft in Deutschland eingefahren und reichten für die Viertelfinalqualifikation. Die Europameisterschaft überstrahlt definitiv die letzten Monate der Schweiz, doch der Blick muss spätestens ab März und dem Beginn der WM-Qualifikation nach vorn gerichtet werden.
Durch die Rücktritte von den erfahrenen Yann Sommer, Xherdan Shaqiri und Fabian Schär rücken die Leaderfiguren wie Granit Xhaka und Manuel Akanji noch mehr in den Mittelpunkt. Da Manuel Akanji in der Nationalmannschaft weiterhin nicht den Tritt findet und sein Innenvertreidigerpartner Nico Elvedi nicht mit der gleichen Souveränität auftritt wie sein Vorgänger Schär, verwundert es wenig, dass die jahrelange starke Schweizer Abwehr in den bisherigen vier Spielen schon zehn Tore kassiert hat.
Gregor Kobel ist seit September die neue Nummer eins im Schweizer Tor. Der BVB-Legionär kann einem schon fast ein wenig leidtun. Der Nachfolger von Sommer war mit Sicherheit noch an keiner Niederlage der Hauptschuldige, aber er konnte sich bislang nicht so auszeichnen, wie man es sich vom Bundesligatorhüter gewohnt ist.
Die langzeitige Baustelle des Sturms besteht weiterhin. Breel Embolo hatte gestern einen ordentlichen Auftritt, doch die Tore fehlen weiterhin auf dem Konto des Stürmers der AS Monaco. Auch die restlichen Stürmer vom Oktober-Aufgebot sind in dieser Saison gar nicht in die Gänge gekommen. Einzig Andi Zeqiri und Zeki Amdouni waren in dieser Saison schon erfolgreich. Beide erzielten für ihre Vereine zwei Tore. Breel Embolo und Dan Ndoye warten noch auf ihren ersten Saisontreffer.
Neben den schwachen Leistungen und den vielen Eigenfehlern haben die Eidgenossen auch immer wieder viel mit dem Schiedsrichter zu diskutieren. Im ersten Spiel gegen Dänemark war die Rote Karte gegen Elvedi das grosse Thema. Beim Heimspiel gegen die Spanier wurde über zwei Handspiele diskutiert, bei beiden fiel die Entscheidung zu Ungunsten der Schweizer.
Schon in diesem Spiel wurde ein vermeintliches Tor nach einem Eckball aberkannt, genauso wie gestern überquerte der nach dem Abschlag die Grundlinie. Bei beiden Eckballszenen lässt sich aufgrund fehlender Torlinien-Technologie nicht klar sagen, dass die Entscheidung korrekt oder falsch ist.
Seit der Europameisterschaft 2004 waren die Schweizer abgesehen von der EM 2012 an jedem grossen Turnier vertreten und erreichten seit der Weltmeisterschaft in Brasilien jedes Mal die K.-o.-Phase. Die Teilnahme an den Turnieren wirkt mittlerweile wie eine Selbstverständlichkeit. Durch die Aufblähung der Weltmeisterschaft könnte man denken, dass die Qualifikation keine grosse Hürde wird. Doch der Schein trügt.
16 Mannschaften aus Europa werden an der Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko teilnehmen. Von den zwölf Gruppen qualifiziert sich jeweils nur der Gruppensieger direkt für die WM. Aufgrund der starken Platzierung in der Weltrangliste wäre die Nati trotz der schwachen Nations League aktuell in Topf 1 gesetzt. Somit geht man den ganz grossen Gegnern wie zum Beispiel Frankreich, England und Spanien aus dem Weg. Doch auch im zweiten Lostopf lauern mit dem EM-Viertelfinalisten Türkei oder den Norwegern mit Superstar Erling Haaland nicht zu unterschätzende Kontrahenten im Kampf um das WM-Ticket.
Sicher ist, in der aktuellen Verfassung wird die Qualifikation alles andere als ein Selbstläufer und es scheint nicht unvorstellbar, dass die Weltmeisterschaft in zwei Jahren zum ersten Mal seit dem Jahr 2002 ohne die Schweiz stattfinden könnte.
Die Qualifikation für ein grosses Turnier verpasste gestern die U21-Auswahl der Schweiz. Mit der Niederlage gegen Rumänien war das Schicksal der Nachwuchsnationalmannschaft besiegelt. In den letzten vier Spielen der Europameisterschaftsqualifikation gelang der Truppe von Sascha Stauch nur noch ein Sieg. So belegt die Schweizer Equipe nur den dritten Platz hinter Rumänien und Finnland.
Das Problem im Nachwuchs kommt nicht überraschend. Bereits im September warnte Nachwuchskenner Peter Knäbel:
Dabei sprach Knäbel, der als neuer SFV-Präsident kandidiert, die wenigen Einsätze von Schweizer Jugendspielern in der heimischen Super League an. Gemäss dem Deutschen wirkt sich die tiefe Spielzeit für Schweizer Nachwuchstalente spätestens in fünf Jahren negativ auf die Schweizer Nationalmannschaft aus.
Aktuell setzt in der Super League nur der FC Luzern auf viele eigene Nachwuchsspieler. In der letzten Saison erhielten die Junioren aus der Leuchtenstadt 14'500 Einsatzminuten. Das sind mehr als dreimal so viele Minuten wie beim Grasshoppers Club Zürich, welche in dieser Rangliste den zweiten Platz belegten.
Im November entscheidet sich das Schicksal der Schweizer Nationalmannschaft in der Nations League, nur einen Monat später werden die Gegner für die WM-Qualifikation zugelost.
Ab März 2025, beim Start der Qualifiktion für die Weltmeisterschaft in Übersee, wird sich so richtig zeigen, wohin der Weg für die Fussball-Schweiz gehen wird und ob der schwache Nati-Herbst wirklich daran lag, dass es «nur» die Nations League ist.