Klare Ansage von Lüthi: «Der Titel muss nächste Saison das Ziel sein – ohne wenn und aber»
Was ist beim Start passiert? Sie hatten früh keine  Chance mehr.
Tom Lüthi: Gleich nach dem Start hat es Baldassari  (der Italiener Lorenzo Baldassari, der auf Platz 4  kam – die Red.) übertrieben und ist mir zweimal  unfair in die Quere gekommen. Danach musste ich  erst den Rhythmus wiederfinden. Das ist die  Antwort auf Ihre Frage. Aber sie erübrigt sich  eigentlich: Johann Zarco war einfach besser und  hat mit einer grossartigen Leistung das Rennen  und die Weltmeisterschaft gewonnen. Da kann ich  nur den Hut ziehen und gratulieren.
Nun, da die Entscheidung gefallen ist: Was  überwiegt im Rückblick: die Wehmut, diese Saison  eine vielleicht einmalige Chance verpasst zu haben  oder der Stolz über ein unverhofftes Comeback in  der Schlussphase?
Eine gute Frage. Die Chance auf den  Titel ist ja unverhofft, aus dem Nichts noch einmal  gekommen. Niemand hatte mehr mit mir  gerechnet. Und natürlich habe ich an den Titel  gedacht und ein bisschen geträumt. Ich musste ja  nicht einmal selber rechnen, das haben alle  anderen für mich gemacht. So gesehen gibt es  schon ein bisschen Wehmut. Aber andererseits ist  es cool, dass ich es geschafft habe, doch noch um  den Titel zu fahren. Ich habe auch allen, die  nörgeln, ich sei inzwischen zu alt, die richtige  Antwort gegeben. Und ich fühle es: Das war nicht  meine letzte Chance um Weltmeister zu werden.  Es ist noch lange nicht vorbei. Ich bin motiviert  und habe Spass am Rennsport wie eh und je.
Johann Zarco, Alex Rins, Sam Lowes und Jonas  Folger, vier der ersten sechs in der WM-  Gesamtwertung steigen in die MotoGP-Klasse auf  – nächste Saison gibt es tatsächlich eine weitere,  ja eine grosse wenn nicht gar einmalige Chance  für Sie.
Ja, ja, diese Rechnung wird alle Jahre  aufgemacht: Der und der ist nicht mehr da, also  steige ich automatisch um so und soviele  Positionen nach oben. Aber die jungen Fahrer  werden besser: Franco Morbidelli, Alex Marquez …
…aber Sie haben ja gerade gesagt, dass Sie jenen,  die sagen, Sie seien zu halt, die richtige Antwort  gegeben haben.
Ja, das habe ich. Es ist tatsächlich so,  dass der Titel nächste Saison für mich das Ziel sein  muss. Ohne wenn und aber.
Wo haben Sie den Titel in dieser Saison verloren?
Sicher nicht erst jetzt in diesem letzten  Rennen. Sondern viel früher im Sommer, als ich in  Assen und auf dem Sachsenring stürzte. Aber Ich  habe im Laufe dieser Saison sehr viel gelernt. Es  gelingt mir inzwischen viel besser, Erfahrungen  von einem Rennen auf das nächste umzusetzen  und mich zu verbessern. So müssen wir  weitermachen. Für mich war deshalb sehr früh  klar, dass ich weiterhin Kalex fahren und mit Gilles  (Tom Lüthis Cheftechniker Gilles Bigot – die Red.)  arbeiten will.
Das bedeutet, dass für nächste Saison gar nicht  viel ändern muss. Die Frage, was zu tun ist, damit  es nächste Saison klappt, erübrigt sich.
Richtig. Einer meiner Mechaniker muss  ins Militär einrücken. Aber sonst gibt es keine  Änderungen in meinem Team. Wir sind auf dem  richtigen Weg, wir müssen nicht alles auf den Kopf  stellen. Es geht um Details.
Zum Beispiel?
Ich muss mir noch mehr Freiräume  verschaffen um mich noch besser auf das  Wesentliche konzentrieren zu können. Und in der  Winterpause will ich mehr fahren. Philippe  Dupasquier ist daran, in Sorens eine Dirttrackpiste  anzulegen.
Um so richtig zu driften?
Ja.
Sie könnten auch nach Kalifornien fliegen, dort ist  es im Winter schön warm und es hat viele solche  Pisten.
Das war eigentlich meine Absicht. Aber  es geht nicht. Ich habe im Winter zu viele Termine. 
Oder Sie könnten bei Valentino Rossi auf der  Ranch rumkurven. Tavullia bei Misano ist nicht so  weit weg.
Er hat mich tatsächlich eingeladen mal  bei ihm vorbeizuschauen und zu fahren.
Er lädt nicht jeden ein.
Wahrscheinlich nicht. Er hat mir auch  seine Handy-Nummer gegeben.
Und, haben Sie ihn angerufen?
Noch nicht. Aber ich glaube, ich sollte  das tun und schon mal bei ihm vorbeischauen.
