Matthias Flückiger legte stets grossen Wert auf diese Veranstaltung. Der 36-Jährige forderte nach seinem definitiven Freispruch von allen Dopinganschuldigungen im vergangenen Herbst mehrmals öffentlich einen sogenannten Runden Tisch mit denjenigen Institutionen, die ihn seiner Meinung nach während 800 Tagen unwahr an den Pranger gestellt hatten.
Auch bei seinem Auftritt im Sportpanorama am 20. Oktober sagte der im Sommer 2022 wegen einer atypischen Dopingprobe auf die anabole Substanz Zeranol provisorisch gesperrte Flückiger: «Mein Fall soll nicht vergessen gehen. Mir geht es beim Runden Tisch darum, was daraus entstehen soll. Etwas daraus zu lernen geht aber nur Hand in Hand mit der Einsicht, dass Fehler passiert sind.»
Auch der Schweizer Radverband Swiss Cycling forderte nach Abschluss des Verfahrens in einem Communique: «Prozesse und Verantwortlichkeiten im Anti-Doping-Kampf müssen klar definiert werden.»
Bei Swiss Olympic trieben die beiden Exekutivmitglieder aus der Athletenkommission, die Co-Präsidenten Matthias Kyburz und Jeannine Gmelin, die Realisierung dieser Aussprache voran. Dafür verpflichtet wurde ein externer Mediator. Diese Rolle übernahm der in der Sportwelt nicht unbekannte Solothurner Alex Miescher.
Der frühere Spitzenschwimmer und Berufspilot in der Schweizer Armee im Rang eines Oberst arbeitet nach seinem Abgang als Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbandes im Jahr 2018 im Bereich Consulting. «Ich stelle meine Führungserfahrungen als unabhängiger, selbstständig arbeitender Executive-Coach zur Verfügung», schreibt er auf seiner Homepage.
Nach mehreren Vorgesprächen mit den Parteien fand dieser Runde Tisch nun gestern Montag in Bern statt. Dabei waren Mathias Flückiger und sein Kommunikationsverantwortlicher Christian Rocha, Ernst König und Ueli Kurmann, der Direktor und der Präsident der nationalen Anti-Doping-Behörde Swiss Sport Integrity (SSI), zwei Vertreter des im vergangenen Sommer neu gegründeten Schweizer Sportgerichts, zwei Vertreter von Swiss Cycling, Gmelin und Kyburz für die Athletenkommission sowie für Swiss Olympic die neue Präsidentin Ruth Metzler. Sie nahm das Heft am Montag ziemlich klar in die Hand.
Bedauerlich einzig, dass Swiss Olympic das im Vorfeld öffentlich geforderte und diskutierte Treffen zur Geheimsache deklarierte, dessen Durchführung nicht kommunizierte und zudem allen Teilnehmenden verbot, über das Meeting Auskunft zu geben. Ein im Verlauf des Dienstags publiziertes, zuvor von allen Parteien abgesegnetes Communique soll als einzige Informationsquelle zum Thema herhalten. Rückfragen sind nicht erwünscht.
Zu hoffen bleibt, dass mit der neuen Swiss-Olympic-Präsidentin nun nicht grundsätzlich eine neue Art von Geheimhaltungs-Doktrin beim Dachverband des Schweizer Sports Einzug hält. Denn Rückfragen bei den Beteiligten des Runden Tisches haben gezeigt, dass sie durchaus gerne darüber Auskunft gegeben hätten, wie sie die Atmosphäre am Anlass empfunden haben und ob für sie aus den Diskussionen neue Erkenntnisse entstanden sind. Und natürlich auch, wie weit sich das Empfinden dazu unterscheidet.
Allerdings zeichnete sich bereits im Vorfeld ab, dass Flückiger und seine Ankläger nach der Diskussion nicht Hand in Hand aus dem Saal schreiten würden. Die vom angeklagten Sportler erhoffte Entschuldigung kam für Swiss Sport Integrity schon deshalb nicht in Frage, weil Forderungen nach Schadenersatz weiter in der Luft liegen und ein Sorry in diesem Kontext schnell als Schuldeingeständnis zu deuten wäre.
Trotzdem zogen Beteiligte ein positives Fazit aus dem Runden Tisch. Es sei zweifellos eine gute Sache gewesen, dass man einmal frei, ohne juristische Aufpasser und ohne das Damoklesschwert der sportlichen Zukunft eines Schweizer Topathleten miteinander geredet habe. Allerdings sei zu bezweifeln, dass dieser Runde Tisch für die Zukunft wirklich etwas ändere. Letztlich blieb auch für Mathias Flückiger das grösste Geschenk des Tages, dass er nach der Diskussion nach Hause zu seiner Partnerin Lisa und der wenige Tage alten Tochter Mina Ida zurückkehren konnte.