Ein «Dream Team», das keines mehr ist: Die US-Basketballer haben sich zum Olympia-Auftakt gleich mächtig blamiert. Nach den zwei Niederlagen in der Vorbereitung gegen Nigeria und Australien kassierte das Team von Trainer Gregg Popovich gegen Frankreich eine weitere peinliche Niederlage. Die US-Boys verloren trotz einer Acht-Punkte-Führung zur Pause und einem Sieben-Punkte-Vorsprung im letzten Viertel noch mit 76:83.
2️⃣5️⃣ wins
— FIBA #Tokyo2020 (@FIBA) July 25, 2021
0️⃣ losses
Until tonght.......
🇫🇷 France 83
🇺🇸 USA 76
How will the rest of #Tokyo2020 play out for this proud, formidable basketball nation? pic.twitter.com/AnXrPH6qDs
Es war die erste Olympia-Niederlage nach 17 Jahren und 25 Siegen in Serie. Bei Sommerspielen hatten die USA letztmals 2004 in Athen in den Halbfinals gegen Argentinien verloren.
Auch wegen der durchzogenen Vorbereitung kam die historische Pleite nicht ganz überraschend. Die Gründe, weshalb das «Dream Team» der Ausgabe 2021 strauchelt, sind jedenfalls gefunden.
Seit 1992 sind die US-«Dream Teams» stets ein wild zusammengewürfelter Haufen von NBA-Stars. Doch in diesem Jahr fehlen die ganz grossen Namen: LeBron James, Stephen Curry, Anthony Davis, James Harden oder Kawhi Leonard – sie alle sind verletzt oder haben abgesagt. Mit Damian Lillard, Zach LaVine und Jayson Tatum sind aber dennoch drei Spieler aus den Top 10 der besten Skorer der letzten Saison dabei, hinzu kommt der zweimalige MVP Kevin Durant.
Trotz der geballten Offensivpower und der durchaus vorhandenen Erfahrung fehlt der Mannschaft ein echter Leader. Durant hatte zuletzt immer wieder mit sich selbst zu kämpfen und vom Rest fühlte sich mit Ausnahme von Lillard bislang niemand berufen, in den entscheidenden Momenten die Verantwortung zu übernehmen.
Bislang fehlte aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit schlicht die Zeit, damit sich eine klare Hierarchie herauskristallisieren konnte. Doch diese Zeit droht dem «Dream Team» nun davonzulaufen: In den letzten beiden Gruppenspielen gegen den Iran und Tschechien müssen zwei Siege her, sonst könnte Olympia 2020 für die US-Basketballer noch zum totalen Fiasko werden.
Wie schon vor dem Turnierstart geben sich die US-Boys auch nach der Niederlage gegen Frankreich weiterhin extrem locker. Viele Stars machen den Eindruck, als hätte man das fünfte Olympia-Gold in Serie auch ohne grosse Anstrengung bereits in der Tasche. In US-Medien wird deshalb bereits über das «arrogante» und «überhebliche» Auftreten diskutiert.
Gegen Frankreich rächte sich die lasche Einstellung vor allem in der Defensive. Immer wieder trabte man den Franzosen nur halbherzig hinterher und kassierte so regelmässig schnelle Körbe, was den haushohen Favoriten schliesslich den Sieg kostete.
"You have to compete with them. We have to show these guys that we're not going to back down and they are just like us.@EvanFourmizz | @FraBasketball 🇫🇷#Tokyo2020 #Basketball
— FIBA #Tokyo2020 (@FIBA) July 25, 2021
Trainer Popovich erklärte, dass er die Spieler nach der langen Saison nicht überbeanspruchen möchte und er sie deshalb mit weniger Druck verteidigen lasse. Das wird er in den kommenden beiden Spielen wohl anders handhaben.
Mühe haben die NBA-Stars auch, sich ans Reglement des internationalen Basketballverbands FIBA anzupassen. Die Amerikaner sind sich in der Offensive ein körperbetonteres Spiel gewöhnt. Das ist vom Weltverband aber nicht erlaubt und so kassieren die US-Boys zu viele Foulpfiffe gegen sich. Hinzu kommt, dass bei der FIBA nur fünf statt sechs Fouls pro Spieler erlaubt sind.
Durant leistete sich gegen Frankreich beispielsweise früh zu viele Fouls und konnte nur noch dosiert eingesetzt werden. Er kam lediglich auf 10 Punkte und musste am Ende von der Bank zuschauen, wie sein Team den schönen Vorsprung noch aus der Hand gab.
Anders als bei Olympia mit den FIBA-Regeln werden in der NBA die Offensivspieler von den Schiedsrichtern oft bevorteilt behandelt, was zu vielen Freiwürfen führt. 30 bis 45 Mal pro Spiel können die Superstars so von der Freiwurflinie einfache Punkte holen.
Auch die Goaltending- und die Travel-Regel sind bei der FIBA anders, zudem sind die Dreier- und die Freiwurflinie leicht anders positioniert. Kleine, aber feine Unterschiede, die beim «Dream Team» immer wieder zu Konfusionen oder gar Unverständnis führten und so den Spiel-Rhythmus störten. Viele Stars schienen regelrecht geschockt von Schiedsrichter-Entscheidungen. Oftmals war vor allem in der Vorbereitung zu sehen, wie sie die Referees fassungslos anschauten.
Auffällig war auch, dass die US-Boys gegen Frankreich eine extrem niedrige Wurfquote verzeichneten. Auf Social Media wollen einige Fans dafür den FIBA-Ball als verantwortlich ausgemacht haben. Aus Kreisen des «Dream Teams» war über das Spielgerät allerdings keine Kritik zu vernehmen.
Ein weiterer Punkt für die nicht mehr vorhandene Dominanz ist die Internationalisierung der NBA. 1992 noch komplett in nordamerikanischer Hand, haben sich seither unzählige Europäer in der besten Basketball-Liga der Welt eingenistet und diese übernehmen immer wichtigere Rollen.
Der MVP der abgelaufenen Regular Season war mit Nikola Jokic ein serbischer Center, der Finals-MVP ist mit Giannis Antetokounmpo ein Grieche und der Defensivspieler des Jahres ist der Franzose Rudy Gobert, der diese Auszeichnung bereits zum dritten Mal in Serie gewann. Mit Luka Donkic ist einer der aufstrebenden Superstars Slowene.
Im Schatten der NBA ist die EuroLeague zudem zur grossen Talentschmiede und zur zweitwichtigsten Liga der Welt geworden. Anders als in der NBA, wo es sich zu einem Trend entwickelt hat, drei individuell überragende Superstars sowie ein paar gute Werfer in ein Team zu stecken, wird in Europa mehr Wert auf kollektives Angreifen und Verteidigen gesetzt, was den Teams bei Olympia unter den FIBA-Regeln entgegenkommt.