Er spielt seit vier Jahren in der NBA, wurde zum Rookie des Jahres und zweimal zum All-Star gewählt, in der letzten Saison zählte er zudem zu den drei besten Spielern auf seiner Position. Kurz: Ja Morant ist einer der besten Basketballer der Welt und lebt den Traum von fast jedem Jugendlichen in den USA. Im letzten Sommer hat der 23-jährige Guard der Memphis Grizzlies einen Vertrag unterschrieben, der ihm insgesamt fast 200 Millionen Franken einbringen wird, und zudem einen Deal mit Nike sowie seinen eigenen Schuh erhalten. Doch nun droht er alles zu verlieren.
Nach einer Niederlage in Denver startete Morant auf Instagram einen Livestream, während er sich in einem Nachtclub aufhielt. Dabei zeigte er sich unter anderem, wie er mit einer Pistole herumfuchtelte. Der Video-Ausschnitt ging schnell viral – und erforderte eine umgehende Reaktion.
«Ich werde mir eine Auszeit nehmen, um mir Hilfe zu holen und daran zu arbeiten, besser mit Stress und meinem allgemeinen Wohlbefinden umzugehen», wurde Morant in einer Mitteilung seiner Berateragentur zitiert. Das Team suspendierte den grossen Star vorerst für zwei Spiele, doch am Montag sagte Trainer Taylor Jenkins: «Es gibt keinen klaren Zeitplan für seine Rückkehr. Er weiss, dass er einige falsche Entscheidungen getroffen hat, für welche er nun die Verantwortung tragen muss.»
Die Polizei von Colorado, wo sich der Vorfall ereignete, leitete eine Untersuchung ein. Auch die NBA selbst erklärte, sich den Fall genauer anzuschauen. Gemäss Liga-Insider Adrian Wojnarowski gilt es vor allem zu klären, ob es sich um Morants Waffe handelte und ob er diese auch während eines Flugs mit dem Team oder gar in der Garderobe dabei hatte. Dies würde gegen die Einigung zwischen der Spielergewerkschaft und der Basketballliga verstossen.
Die Vorkommnisse erinnern an den Fall von Gilbert Arenas, der während der Saison 2009/10 zugab, Waffen in der Garderobe aufzubewahren, und mit diesen sogar einmal auf einen Mitspieler zielte, der ebenfalls bewaffnet war. Beide damaligen Profis der Washington Wizards wurden für den Rest der Saison gesperrt. Ob Morant eine ähnliche Strafe droht, wird von den Ergebnissen der NBA-Untersuchung abhängen.
Problematisch kommt für Morant hinzu, dass es nicht seine erste Kontroverse ist, seitdem er 2019 an zweiter Stelle in die NBA gedraftet wurde. Wie die Washington Post erst in der letzten Woche berichtete, hat der Basketball-Star im letzten Sommer einen Sicherheitsbeamten eines Einkaufszentrums in Memphis bedroht. Einer seiner Freunde habe den Sicherheitschef zudem gegen den Kopf gestossen. Dies sei aus einem Polizeibericht hervorgegangen, verhaftet wurde jedoch niemand.
Wenige Tage später hätten Morant und ein Freund dann einen 17-jährigen Jungen während eines Basketballspiels vor Morants Haus mehrmals geschlagen, wie der Jugendliche der Polizei später berichtete. Der Junge erlitt eine Verletzung am Kopf, Morant sprach gegenüber der Polizei von Selbstverteidigung und erstattete später Anzeige gegen den Jungen, weil dieser ihm gedroht habe, «sein Haus wie ein Feuerwerk abzufackeln». Das Opfer der Attacke hingegen sprach davon, dass Morant kurz im Haus verschwand, um dann mit einer Waffe im Bund seiner Hose zurückzukehren, und verklagte Morant seinerseits. Das Verfahren ist noch hängig.
Im Rahmen einer Partie Ende Januar gegen Indiana kam es erneut zu unschönen Szenen. Ein Freund Morants wurde aus dem Stadion verwiesen, nachdem er das Feld betreten hatte. Er wartete jedoch vor der Arena und sprach Drohungen in Richtung einiger Spieler und Betreuer Indianas, die auf dem Weg zum Mannschaftsbus waren, aus. Als Morant dann mit seinen Freunden wegfuhr, richtete jemand einen roten Laser auf einige Mitglieder der Pacers, wie The Athletic berichtete. Diese glaubten, dass es sich um eine Waffe gehandelt habe und wähnten sich in ernsthafter Gefahr.
In keinem der beiden Fälle konnte Morant oder seinen Freunden bisher nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich mit einer Waffe hantierten. Doch die Häufung der Vorwürfe wirft ein schlechtes Licht auf den Jungstar – vor allem im Kontext des neuesten Videos.
Die anderen NBA-Spieler wollten sich nicht dazu äussern, «aus Respekt vor Morant», wie Marc Spears bei ESPN erzählte. Dennoch sei der Vorfall hinter vorgehaltener Hand als «dumm» bezeichnet worden, viele hätten sich gefragt, weshalb Morant so etwas tut. Einer der wenigen, der Stellung nahm, war Kyle Kuzma bei The Athletic. Er sprach davon, dass es extrem wichtig sei, die richtigen Leute um sich herum zu haben: «Wenn deine Freunde immer nur ‹Ja› sagen zu allem, was du tust, und nicht zulassen, dass du die beste Version von dir bist, sind es wirklich wahre Freunde?»
Kuzma ist nicht der Einzige, der andeutet, dass Morant sich überlegen müsse, wen er um sich haben möchte. Der frühere Football-Profi und heutige TV-Host Shannon Sharpe, der während eines Spiels selbst mit Morant und einigen seiner Mitspieler aneinandergeraten war, sagte bereits Anfang Februar: «Du bist nicht hart, das ist nicht dein Leben. Leute würden alles dafür geben, in deiner Situation zu sein, und du möchtest, dass andere denken, dass du ein Gangster bist, weil du dich mit solchen Personen abgibst.» Morant stammt anders als viele afroamerikanische US-Sportler nicht aus armen Verhältnissen und wuchs gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester im Haus seiner Eltern auf.
Auch deshalb stiess sein Verhalten bei vielen auf Unverständnis. Der ehemalige Basketballer Jalen Rose sprach bei ESPN jedoch davon, zu wissen, wie schwierig es sein kann, als junger Mann plötzlich im Rampenlicht zu stehen: «Erfolg kann wie eine Droge sein.»
Vor allem bei so jungen Menschen wie Morant könne das zu Dummheiten führen. Rose appellierte aber auch an die Vernunft und Verantwortung des Basketballers. «Du musst weise sein. Du hast entschieden zu viel zu verlieren. Wenn du mit einer Waffe herumfuchtelst, bringst du dich in Gefahr. Das kann dich umbringen.» Morant müsse sein Umfeld kontrollieren – und die Auszeit von der NBA und den sozialen Medien dazu nutzen, sich zu rehabilitieren, um sein volles Potenzial ausschöpfen zu können.