Islands zweite Liga gilt gemeinhin nicht als Synonym für die grosse, weite Fussballwelt. Die Teams in der «Lengjudeild» heissen Vestri Isafjördur, UMF Afturelding oder Throttur Reykjavik. Und dann wäre da natürlich noch UMF Grindavik.
Der Klub gewann im Jahr 2000 den isländischen Ligapokal und trägt seine Heimspiele in einer etwa 1750 Zuschauer fassenden Arena mit dem für Mitteleuropäer schwer aussprechbaren Namen «Grindavíkurvöllur» aus.
Für James Hammonds war das «Grindavíkurvöllur» eine Art zweites Wohnzimmer. Der 37-jährige Brite trat dort zu hunderten Spielen an – allerdings rein virtuell beim Computerspiel «Football Manager». Dabei handelt es sich um eine populäre Fussballsimulation, bei der die Spieler einen Spitzenverein, aber auch einen Provinzklub, zum europäischen Topteam entwickeln können.
Hammonds gelang dies mit UMF Grindavik. Er managte sein Team aus der «Lengjudeild» in den Europacup. Und er entwickelte dabei eine immer grössere Begeisterung für den Klub aus der 3500-Einwohner-Stadt.
So gross, dass sich der Brite irgendwann dachte: Ich muss mir das Ganze endlich in der realen Welt anschauen. Gesagt, getan. Von South Shields an der englischen Nordwestküste machte sich Hammonds auf den Weg an die äusserste Südwestspitze Islands. Dazu legte er über 4000 Kilometer zurück – und erlebte einige Überraschungen.
Kurz nachdem er auf dem UMF-Vereinsgelände angekommen war, stürmte eine Frau auf ihn zum und fragte, ob er der Typ aus dem Internet sei. Hammonds hatte dem Klub vor seinem ungewöhnlichen Trip geschrieben, allerdings keine Antwort erhalten. Gelesen worden war seine Nachricht allerdings.
«Die Frau war total nett. Wir haben uns eine Weile unterhalten und sie hat mir eine Anstecknadel mit dem Grindavik-Logo gegeben», berichtet der passionierte «Football Manager»-Zocker der britischen Onlineplattform «Sportbible».
Doch es kam noch besser für den reiselustigen Briten. «Sie hat mich auch noch Jon Julius Karlsson, dem Geschäftsführer des Vereins, vorgestellt. Wir unterhielten uns über Pläne für eine Trainingsreise vor der Saison, um bei warmem Wetter in Spanien zu trainieren, und über die Feinheiten des isländischen Ligapokal-Wettbewerbs», erklärt Hammonds.
Der Manager merkte offenbar schnell, dass er es mit einem fachkundigen Gegenüber zu tun hatte. Er kehrte spontan ins Vereinshaus zurück und kam mit einem Trikot des Klubs zurück. «Das war eine richtig tolle Überraschung», schwärmt Hammonds. Dann machten sie mit dem Jersey ein paar Bilder vor dem Stadion – wie bei der offiziellen Präsentation eines Neuzugangs.
Ausserdem lud der Klub Hammonds und eine Familie im Sommer zu einem Spiel ins «Grindavikurvöllur»-Stadion ein. Davon begeistert verfasste der 37-Jährige einen Social-Media-Post über seine Erlebnisse in Grindavik. Die Resonanz darauf hatte er nicht erwartet. «Ich bekam jede Menge Nachrichten von anderen, die ähnliche Reisen zu den Vereinen machen wollten, in die sie sich in der virtuellen Welt von Football Manager verliebt hatten», schmunzelt Hammonds.
Bei seiner nächsten Reise an die Südwestspitze Islands wird er dann endlich ein Spiel im UMF-Stadion verfolgen – wenn auch nicht auf dem Niveau, auf das er seinen Herzensklub in der virtuellen Welt gemanagt hat. (t-online/ram)