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NBA: Capela hat einen neuen Coach – aber Atlantas Probleme liegen tiefer

Atlanta Hawks center Clint Capela (15) reacts to a call in the second half of a NBA basketball game against the Charlotte Hornets Sunday, Oct. 23, 2022 in Atlanta. (AP Photo/Brett Davis)
Clint Capela
Bisher verlief die Saison für Clint Capela und Atlanta schlechter als erwartet, nun soll es ein neuer Trainer richten.Bild: keystone
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Capela hat einen neuen Coach – aber Atlantas grösste Probleme liegen woanders

Die Atlanta Hawks blieben bisher hinter den Erwartungen zurück. Unter dem erfahrenen Coach Quin Snyder soll vieles besser werden. Das Potenzial ist vorhanden, nur wird dieses nicht ausgeschöpft – auch wegen eines oftmals zu eigensinnigen Superstars.
28.02.2023, 18:58
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Die Atlanta Hawks haben einen neuen Coach. Zum zweiten Mal innert zwei Jahren – was in der NBA doch eher ungewöhnlich ist. Doch einmal mehr zeigte sich die Klubführung mit den Resultaten von Clint Capela und Co. nicht zufrieden und so musste Nate McMillan gehen. Den Trainerposten beim Achtplatzierten der Eastern Conference übernimmt nun Quin Snyder. Ein hervorragender Coach, der in acht Jahren bei den Utah Jazz sechsmal die Playoffs und dreimal den Viertelfinal erreichte. Zwar wurde Snyder nie zum Trainer des Jahres gewählt, musste sich als Zweiter und Dritter zweimal aber nur knapp geschlagen geben.

Vielleicht lösen sich die Baustellen der Hawks mit dem 56-Jährigen nun alle wie von selbst, wenn Snyder in der Nacht auf Mittwoch beim Spiel gegen die Washington Wizards erstmals an der Seitenlinie steht. Sehr wahrscheinlich ist das jedoch nicht: Atlanta konnte den hohen Erwartungen in dieser Saison mit 31 Siegen aus 60 Spielen noch nicht gerecht werden, was nicht alleine dem Trainer zuzuschreiben ist. Denn die Probleme liegen viel tiefer.

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Der neue Atlanta-Trainer: Quin Snyder.Bild: keystone

Der egoistische Superstar

So wie es im Fussball bei Paris Saint-Germain und dem Sturmtrio aus Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar zu Problemen führen kann, dass es nur einen Ball gibt, ist dies auch im Basketball ein häufiger Streitpunkt. Jeder Superstar will das runde Leder im entscheidenden Moment in den Händen haben, will den entscheidenden Wurf kurz vor Ablauf der Spielzeit nehmen. Aber eben: Es gibt nur einen Ball.

In Atlanta hat meist Trae Young den letzten Ball. Der 24-jährige Point Guard ist der talentierteste Spieler in den Reihen der Hawks, doch er nimmt viel Raum in der Offensive seines Teams ein. Fast jeder dritte Angriff, bei dem er auf dem Court steht, endet mit einem Wurf von Young. Und wenn er nicht selbst abschliesst, dann spielt er vornehmlich den letzten Pass vor dem Wurf eines Mitspielers. Nur sechs Spieler sind gemäss «Basketball Reference» ein noch grösserer Teil der Offensive ihres Teams als Young. Neben ihm ist also nur wenig Platz für Spieler wie Dejounte Murray, John Collins oder eben Clint Capela, dem offensiv ohnehin eine eher limitierte Rolle zukommt.

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Fast jeder dritte Angriff der Hawks endet mit einem Wurf von Trae Young.Bild: keystone

Doch für Murray, der im Sommer im Gegenwert für drei Erstrunden-Draftpicks aus San Antonio gekommen ist, ist das Neuland. Er muss sich wie Collins zurücknehmen, weil Young einen Grossteil der Würfe beansprucht. Das geht aber zulasten der Effizienz des Superstars, der in dieser Saison die schlechtesten Wurfquoten seit seiner Rookie-Saison aufweist. Und so ist die zweitbeste Offensive des letzten Jahres nur noch mittelmässig, was aufgrund der erneut eher schwachen Defensive schwer ins Gewicht fällt.

Der falsche Anführer

Young muss sich aber nicht nur aufgrund seines zeitweiligen Egoismus Kritik gefallen lassen. Für einen Franchise-Star, dessen Vertrag ihm über fünf Jahre rund 210 Millionen Franken einbringt, wird er der Rolle eines Anführers nicht ausreichend gerecht. «Er ist kein wirklicher Leader, der die Mitspieler mitreisst», sagt NBA-Journalist Morten Jensen. Ausserdem habe er aus Gesprächen mit einigen Leuten rund um die Liga erfahren, dass Young nicht besonders beliebt sei, wie Jensen in seinem Podcast verriet. Viele Spieler hätten kein Interesse daran, mit ihm zu spielen. Trotz seiner über zehn Assists pro Spiel gilt er als egoistisch. Steht Young auf dem Feld, sind die Hawks zudem nur minimal besser als der Gegner, was auch an seiner katastrophalen Verteidigungsarbeit liegt.

Auch an der Entlassung von Trainer McMillan war Young nicht ganz unbeteiligt. Wie schon bei McMillans Vorgänger Lloyd Pierce war das Verhältnis zwischen Spieler und Trainer nicht besonders gut. Dies wurde nach Pierce nun auch Youngs zweitem Trainer zum Verhängnis. Der Umgang mit Young ist also sowohl für Mitspieler als auch für Trainer nicht immer einfach. Young selbst sagte nach der Entlassung von McMillan: «Es gab eine Menge Momente zwischen ihm und mir, die viele nicht richtig verstehen. Ich gebe nicht alles preis und dadurch entstehen Gerüchte, das ist okay. Ich spiele einfach Basketball.»

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Waren nicht immer auf einer Wellenlänge: Coach Nate McMillan und Trae Young.Bild: www.imago-images.de

Unter Snyder ist es jetzt an Young, zu beweisen, dass er nicht nur talentiert ist, sondern auch Führungsqualitäten besitzt. Das heisst für Young, dass er auch einmal seinen Mitspielern den Vorrang lassen muss. Die Verpflichtung von Murray sollte Young entlasten, da nun ein zweiter guter Skorer und Spielmacher im Team ist. Doch Young nimmt sich in dieser Saison kein bisschen zurück, dafür müssen andere Spieler auf Würfe und grössere Rollen verzichten. Dies ist eines echten Anführers nicht würdig, auch ein solcher muss verzichten können – und das Spiel in entscheidenden Momenten dann wieder an sich reissen und sein Team mitziehen.

Die fehlende Konstanz

Eines der grössten Probleme ist in Atlanta auch die fehlende Konstanz. Auf fünf Niederlagen aus sechs Spielen folgen sechs Siege in sieben Partien. In den letzten zwölf Spielen erzielten die Hawks im Wechsel jeweils zwei Siege und Niederlagen. Dies spricht auch Capela an: «Wir waren nicht konstant genug.» Dies hänge auch damit zusammen, dass das Team sich von einzelnen Siegen zu leicht begeistern lasse. «Für mich sind ein oder zwei Siege kein Grund zu grosser Freude.» Der 28-jährige Genfer deutet auch an, dass Trainer McMillan das Team nicht immer erreichte. «Vielleicht waren es seine Worte, vielleicht waren wir es oder die Art und Weise, wie wir an die Spiele herangehen. In jedem Fall waren wir nicht beständig genug.»

Dass die Entlassung des Trainers wohl die richtige Entscheidung war, findet auch Hawks-Insider Jeff Schultz von The Athletic. McMillan sei ein intelligenter Trainer, der einen guten Job gemacht habe, aber er sei eher von der alten Schule geprägt. Dies kommt in der heutigen NBA nicht mehr so gut an und vor allem an offensiver Kreativität habe es Atlanta unter ihm gemangelt. Dies dürfte sich unter Snyder ändern. Dieser liess in Utah modernen Team-Basketball mit Fokus auf Distanzwürfen und einer stabilen Defensive spielen. Davon könnte auch Capela profitieren, der wie der langjährige Jazz-Star Rudy Gobert vor allem in Korbnähe agiert und für den sich dort dann Räume ergeben könnten.

Vetternwirtschaft in der Führungsetage

Der Wechsel des Trainers folgt auf mehrere Mutationen in der Führungsetage. Der langjährige General Manager Travis Schlenk wurde im Sommer durch den 34-jährigen Landry Fields ersetzt, dafür bekam Nick Ressler mehr Mitspracherecht, wie The Athletic berichtete. Ressler ist der Sohn des Klubbesitzers, der sich selbst immer wieder in wichtige Entscheidungen einmischte. So sprachen sich die Resslers beispielsweise gegen einen Trade von Collins und trotz des hohen Preises für die Verpflichtung von Murray aus. Auch in der Führungsetage muss also Ruhe einkehren, damit Atlanta wieder sein ganzes Potenzial ausschöpfen kann.

Atlanta Hawks guard Dejounte Murray reacts after scoring a basket against the Cleveland Cavaliers during the first half of an NBA basketball game Friday, Feb. 24, 2023, in Atlanta. (AP Photo/John Baze ...
Dejounte Murray spielt eine starke erste Saison in Atlanta.Bild: keystone

Nicht ausgeschöpftes Potenzial

Denn eigentlich hätten die Hawks ein sehr talentiertes Team. Zwar passt nicht alles perfekt. Power Forward Collins, um den sich seit Jahren Gerüchte ranken, scheint oftmals fehl am Platz, seine Rolle wurde Jahr für Jahr kleiner – was auch wieder mit Trae Youngs Dominanz zusammenhängt. Es fehlen sogenannte «Three-and-D-Guys», also wurfstarke Spieler, welche auch defensiv überzeugen. Doch vor zwei Jahren stand Atlanta noch im Halbfinal, wo es gegen den späteren Meister Milwaukee zwei Spiele gewann. Wenn das Team harmoniert, ist eigentlich fast alles möglich. So wie zuletzt in den Spielen gegen Cleveland und Brooklyn, die Atlanta beide gewann.

Die Hoffnung besteht, dass der erfahrene Coach Quin Snyder das Team wieder auf die richtige Bahn bringt. So wie es McMillan im Frühling 2021 getan hat, als er von Pierce übernahm und das Team in den Halbfinal führte. Dazu muss sich aber auch Youngs Herangehensweise ändern. Vor allem auch in der Defensive muss er seinen Einsatz erhöhen.

In der Hinsicht wird auch Clint Capela gefragt sein, der vor zwei Jahren gar als Kandidat für die Auszeichnung als Verteidiger des Jahres galt, seither aber auch wegen Verletzungen nicht mehr an die Leistungen herankam. Dies könnte sich unter Snyder aber ändern. Gobert schnappte sich den Award in Utah dreimal. Am Ende liegt aber alles an Young – auch weil Dejounte Murray am Ende der nächsten Saison zum Free Agent wird. Verlängert er nicht, haben die Hawks einen grossen Teil ihres Draftkapitals der nächsten Jahre umsonst geopfert.

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