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Roger Federer hatte es angekündigt: Er wolle im Gruppenspiel gegen Novak Djokovic das eine oder andere ausprobieren. Warum auch nicht? Schliesslich war es für einmal kein Duell um alles oder nichts, sondern «nur» ein Gruppenspiel, welches man gewinnen darf – aber nicht muss. Auch mit einer Niederlage hätte Federer nämlich noch alle Chancen gehabt, sich für den Halbfinal der World Tour Finals zu qualifizieren.
Aber Federer verlor nicht, er siegte sogar ziemlich klar. 7:5, 6:2 in nur 67 Minuten. So ein klares Verdikt hatte vor dem Match niemand erwartet. Nicht einmal der «Maestro» selbst: «Ich bin selbst überrascht, mit diesem Sieg habe ich nicht gerechnet.»
Doch warum schlug das Pendel ausgerechnet gestern in Federers Richtung aus? Djokovic hatte zuletzt 23 Mal in Serie gewonnen, in der Halle seit mehr als drei Jahren nicht mehr verloren und Federer in den wichtigsten Finals dieses Jahres stets geschlagen. Die nackten Zahlen bringen Licht ins Dunkel ...
Federer konnte sich auf seinen Aufschlag verlassen. Nicht nur auf den ersten, der zu 67 Prozent im Feld landete, sondern auch auf den zweiten. Zu 67 Prozent machte Federer im zweiten Anlauf den Punkt. Bei den bisherigen sechs Duellen im Jahr 2015 lag die Quote nur einmal über 50 Prozent: In Cincinnati, als Federer seinen Rivalen ähnlich deutlich besiegte wie gestern.
Wie so oft wollte Federer die Ballwechsel auch gestern kurz halten, doch auch bei längeren Grundlinien-Duellen konnte der Schweizer der Weltnummer 1 Paroli bieten. Die wenigen Ballwechsel mit mehr als neun Schlägen gestaltete er ausgeglichen (4:4), wenn die Kugel fünf- bis neunmal übers Netz flog – sonst die Domäne des Serben –, hatte Federer gar die Oberhand. Auch dank des Aufschlags: Wegen der vielen Gratispunkte konnte er aggressiver spielen und sich mehr auf die Return-Games konzentrieren.
Bei seinen letzten drei Duellen mit Djokovic (Wimbledon, Cincinnati, US Open) suchte Federer sein Glück immer wieder am Netz. Bei den langsameren Bedingungen in der O2-Arena von London wäre er damit wohl ins offene Messer gelaufen. Deshalb passte er seine Taktik an: Nur neunmal war der Schweizer am Netz, in Cincinnati waren es noch 29 Mal.
Djokovic ist von der Grundlinie wie ein Roboter, der Serbe bringt einfach alles zurück. Es sei denn, man durchbricht seinen Rhythmus. Federer variierte gestern immer wieder geschickt das Tempo, nutzte Slice und Topspin ausgezeichnet. Djokovic tappte in die Falle: Er musste mehr tun als üblich und so stieg auch seine Fehlerquote.
Im US-Open-Final verwertete Federer nur 4 seiner insgesamt 23 Breakbälle. Die Quote war lausig: 17 Prozent. Gestern ging er sorgfältiger mit seinen Möglichkeiten um: Vier von acht Breakchancen nutzte er, zwei von drei konnte er abwehren. Auch das Timing stimmte: Beide Sätze beendete Federer mit einem Aufschlagdurchbruch, musste sie also nicht ausservieren.
Djokovic erwischte gestern sicher nicht seinen besten Tag. Vor allem im zweiten Satz reihte der «Djoker» einen Fehler an den anderen. Insgesamt unterliefen ihm 22 unerzwungene Fehler, bei nur 12 Winnern. Ungewöhnlich, dass das Verhältnis beim Serben derart im Ungleichgewicht steht. Als es wichtig wurde, stand Federer ausserdem Glücksgöttin Fortuna bei: Beim wichtigen zweiten Break im zweiten Satz zum 4:2 half die Netzkante mit.
Federer wusste nach der Partie, was er richtig gemacht hatte und stufte seinen Sieg dementsprechend hoch ein: «Es tut immer gut, gegen Novak zu gewinnen», zeigte er sich zufrieden. Für Federer, der im Final vom Sonntag erneut auf den Serben treffen könnte, bleibt die Weltnummer 1 aber trotz der klaren Niederlage der Titelfavorit. «So wie ich ihn kenne, wird er einen Weg finden und noch stärker zurückkommen», erklärt Federer. Immerhin: der sechsfache Masters-Sieger kann dem nächsten Rencontre gelassener entgegen schauen als auch schon.