Herr Kamm, Sie sind als OK-Präsident massgeblich daran beteiligt, dass das ESAF 2025 im Glarnerland stattfindet. So ein grosses Volksfest gab es noch nie im Kanton – wie kam es dazu?
Köbi Kamm: Der Entscheidungsweg dauerte über zehn Jahre, in denen wir einige Hürden nehmen mussten. 2011 begann eine Interessengemeinschaft mit der Planung. Danach führten wir eine Machbarkeitsstudie durch. Diese zeigte, dass es kein Killerkriterium gibt für ein ESAF im Glarnerland – jedoch ein paar offene Punkte, die uns bis heute beschäftigen. Die Idee wurde weitergezogen, wir reichten eine offizielle Kandidatur ein und auch das Glarner Stimmvolk entschied sich an der Landsgemeinde für die Durchführung des Grossanlasses. Vier Jahre später, im Frühling 2021, erhielten wir endlich den Zuschlag vom eidgenössischen Schwingerverband.
Sie sagen, es gab zwar kein Killerkriterium, aber offene Punkte, welche das ESAF bis heute beschäftigen. Das sind?
Zentral stellen sich uns noch Fragen zum Verkehr, zu den Finanzen sowie zur speziellen Situation auf dem Festgelände.
Was macht die Situation speziell?
Das ESAF findet zum Teil auf dem Flugplatz in Mollis statt. Dies bringt die Herausforderung mit sich, wie wir möglichst früh mit dem Aufbau der Infrastruktur beginnen können, ohne den Flugverkehr lange zu blockieren.
Herausforderungen haben Sie auch sonst einige – Ihr Sicherheitschef Daniel Anrig sass bis vor Kurzem noch in U-Haft. Bleibt er dem ESAF 2025 erhalten?
Was ich zuerst klarstellen möchte, ist, dass er bei uns immer eine Top-Arbeit abgeliefert hat. Die Situation hat sich jedoch, wie man in den Medien lesen konnte, etwas verändert. Wir sind deshalb auf der Suche nach einer neuen Lösung. Ob und in welcher Funktion Daniel Anrig zu uns zurückkommen wird, wissen wir noch nicht.
Man kann davon ausgehen, dass der Posten des Sicherheitschefs neu vergeben wird?
Ja.
Der Job ist sehr anspruchsvoll – der Sicherheitschef des ESAF in Pratteln kündete wenige Monate vor dem Anlass, weil er bemängelte, es werde auf Kosten der Sicherheit gespart. Danach wurde das Sicherheitskonzept überprüft, speziell wegen der Frage, ob es genügend Fluchtwege hat. Sind Sie auf dieses Risiko vorbereitet?
Das ist eine gute, aber schwierige Frage. Wir sind uns bewusst, dass bei einem Anlass mit geplant 350'000 Besuchern niemand ein Risiko zu 100 Prozent ausschliessen kann. Wir sind auch noch nicht im Detail fertig mit der Planung der Fluchtwege. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir nicht Druck über das Budget ausüben werden. Dafür ist die Sicherheit zu wichtig.
Konkret: Ist denn eine konsequente Entfluchtung überhaupt möglich?
Fragen Sie mich das in einem halben Jahr nochmals. Ich gehe aber davon aus, dass dies möglich sein sollte. Denn wir haben den Plan vom ESAF-Zug übernommen, wo die Entfluchtung problemlos funktionierte.
Hunderttausende ESAF-Besucher kommen in einen Kanton, der für 40'000 Einwohner ausgelegt ist. Ist das Chaos nicht vorprogrammiert, speziell bei der Anreise?
Ich würde nicht sagen, dass es das nicht geben kann. Doch wir haben absolute Verkehrsexperten, die an der Planung arbeiten. Eine Beeinträchtigung der Mobilität für die Einwohner von Glarus Nord wird aber schwer zu vermeiden sein.
Welche Massnahmen sind geplant, um den Verkehr in den Griff zu bekommen?
Wir versuchen, die Versorgung zum Teil über den Kerenzerberg zu machen, welcher den Festort Mollis mit Murg im Kanton St. Gallen verbindet. Zudem steht noch die Frage im Raum, ob wir auch den Klausenpass öffnen sollen, damit Gäste aus Uri bis nach Linthal fahren können. Dort würden wir Shuttle-Busse zur Verfügung stellen. Klar ist auch, dass der Zugverkehr an diesem Wochenende nicht fahrplanmässig funktioniert. Denn unser Plan sieht es vor, den Bahnhof in Näfels auszubauen und den stillgelegten in Weesen zurückzubauen, womit rund 40 Prozent der Besucher anreisen würden. Wir sind zurzeit in der Abschlussstudie mit der SBB, wie weit das machbar ist.
Ein Bahnhofsumbau geht massiv ins Geld. Zwei sowieso.
Wenn wir keinen anderen Weg finden, den Verkehr zu entlasten, ist der Umbau die beste Option. Natürlich müssen wir deshalb die Kosten überall sonst im Griff haben. Wenn man mich fragt, ob der Preis für den Umbau übermässig ist, für das, was es ist, dann stimme ich zu. Es ist definitiv der Punkt, der uns finanziell am meisten weh tut.
Ein anderer Punkt, der Sie finanziell weniger schmerzt, ist die Natur. Umweltverbände bemängeln einige offene Fragen. Beispielsweise, dass eine ganze Obstbaum-Allee gefällt werden muss für einen Wochenendevent.
Das ESAF wird nicht erst am Wochenende besucht, sondern schon zwei Wochen davor, sobald der Gabentempel eröffnet ist. Aber zur Allee: Wir haben uns die Frage auch gestellt, ob wir das wollen oder nicht. Doch die Arena ist genau für den Ort geplant, wo die betroffenen Bäume stehen. Sie können dort nicht bleiben, auch wenn wir sie gerne als Schattenspender stehen gelassen hätten. Geplant ist, nach dem Anlass eine neue Allee zu pflanzen. Die Frage zum Umweltschutz nehmen wir aber ernst. Diesen Monat ist auch ein Workshop mit den Naturschützern geplant, um die Nachhaltigkeit zu thematisieren.
Dabei werden sicher noch einige Fragen zum Bodenschutz kommen. Denn die Gegend ist bekannt für Trockenwiesen und Schutzgebiete.
Das ist etwas vom Wichtigsten. Es ist unser Ziel, den betroffenen 46 Bewirtschaftern und Landwirten nach dem Anlass einen Boden zur Verfügung zu stellen, der mindestens gleich gut ist wie vor dem Anlass. Und dank der Bodenuntersuchungen des ESAFs wurden einige Flächen ausgezont, wo keine Events mehr stattfinden dürfen und auch niemand hin darf.
Es wird also nicht passieren, dass ESAF-Besucher in Naturschutzgebieten oder Trockenwiesen campen oder picknicken werden?
Für uns ist klar, dass wir diese Zonen absperren werden. Das ist auch mit der Gemeinde so geregelt.
Umwelt, Verkehr, Infrastruktur – noch einiges ist nicht geklärt, was Kosten verursachen wird. Mit Blick auf das ESAF in Pratteln: Machen Sie und ihr Team sich keine Sorgen, das Budget zu überziehen?
Ich mache mir jeden Tag Sorgen dazu. Ich denke auch immer an die Massnahmen und Lösungen. Es ist aber richtig; der Fokus muss auf den Kosten liegen und wie wir diese im Griff haben.
Sie haben angekündigt, zum ersten Mal sieben «Königspartner» als Sponsoren gefunden zu haben. Wurde schon über die Option gesprochen, einen allfälligen Verlust auszugleichen?
Nein.
Böse Überraschungen erwarten Sie beim Budget also nicht mehr?
Ich bin überzeugt, dass noch gewisse Punkte auftauchen werden, für die wir kurzfristige Lösungen suchen müssen. Bei einem solchen Event wird es Überraschungen geben, an die man nicht gedacht hat.
Und diese Überraschungen werden nicht dafür sorgen, dass Sie genau wie in Pratteln das Budget noch anpassen müssen? Gerechnet haben Sie in der Machbarkeitsstudie mit 30 Millionen Franken – wie in Pratteln. Dort wurden es aber über 40 Millionen am Ende.
Ich rechne auch damit, dass die Zahl einige Millionen höher sein wird als damals geplant. Wir fokussieren uns auf Zug, dort hatte man 37 Millionen budgetiert. Bei uns werden es zwischen 35 und 40 Millionen Franken werden – mit dem Ziel, eine schwarze Null zu schreiben.
Oder, noch eine revolutionäre Idee, man baut EIN grosses Stadion für Swing, pardon, Schwingevents irgendwo in der Zentralschweiz, auf einem brachliegenden Militärgelände und alle ESAFS finden zukünftig nur noch dort statt.
Aber nein, geht natürlich nicht, weil man ja zwangsläufig mit so Sportzeugs immer auf Tournee gehen muss.