Es ist so etwas wie das Worst-Case-Szenario für den Tennis-Zirkus. Grigor Dimitrov bestätigte am Sonntagabend auf seiner Instagram-Seite, dass er in Monaco positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Dazu postete er ein Bild von sich aus dem Krankenbett.
Der 29-jährige Bulgare nahm sowohl vom 12. bis 14. Juni in Belgrad als auch in der letzten Woche in der kroatischen Hafenstadt Zadar an der wegen der laschen Hygienebestimmungen umstrittenen Adria Tour teil, bei der sowohl Zuschauer als auch Spieler engen Kontakt miteinander hatten. Mit Initiator Novak Djokovic, Dominic Thiem und Alexander Zverev besuchte Dimitrov zahlreiche Veranstaltungen – darunter auch einen «Kids Day» – und feierte nach dem Final in Belgrad sogar eine ausgelassene Oben-Ohne-Party.
Dimitrov verspürte die ersten Symptome offenbar am Samstagmorgen. Trotzdem trat er am Nachmittag zum Duell mit dem kroatischen Lokalmatadoren Borna Coric an. Nach der 1:4, 1:4-Niederlage gab er seinem Gegner und dem Stuhl-Schiedsrichter jedoch nicht die Hand, sondern suchte nur Kontakt von Faust zu Faust. Für seine nächste Partie wurde die Weltnummer 19 dann durch Nino Serdarusic ersetzt.
Well, that was not a match. Something wasn't quite alright with Dimitrov. He chose not to shake hands rather just fistpump the umpire. pic.twitter.com/FmHDVlHpAZ
— Del🇪🇺 (@Stroppa_Del) June 20, 2020
Bereits am Tag danach verkündete auch Coric, dass er positiv auf das Coronavirus getestet worden ist. Es gehe ihm gut und er verspüre keinerlei Symptome. Ausserdem hätten sich noch zwei namentlich nicht genannte Spieler und zwei Trainer infiziert, berichten kroatische Medien. Gemäss den Veranstaltern handelt es sich bei den beiden Coaches um Djokovics Fitnesstrainer Marko Paniki und Dimitrovs Trainer Christian Groh.
Die Adria Tour reagierte umgehend auf den positiven Corona-Test bei Dimitrov und sagte den Final am Sonntagabend zwischen Djokovic und dem Russen Andrey Rublev ab. Turnierdirektor Goran Ivanisevic machte dabei aber nicht die beste Falle. Als Reaktion auf Buhrufe und Pfiffe sagte er: «Ich weiss nicht, warum ihr mich auspfeift? Ich bin nicht derjenige, der Corona hat.»
Sein Kollege Djorde Djokovic fügte an: «Ich habe mich mit allen Spielern, ihren Familien und Teams, Freiwilligen und Leuten aus der Organisation in Verbindung gesetzt und keiner von ihnen hat Symptome. Wir wissen nicht, wo und wann Grigor infiziert war, aber es ist sicher, dass wir heute Abend alle getestet werden und jetzt gemäss den Anweisungen der zuständigen Behörden und des Gesundheitswesens handeln werden.»
Alle, die mehr als zehn Minuten in engem Kontakt mit Dimitrov standen, müssen für 14 Tage in Selbstisolation. Es dürfte kaum mehr möglich sein, die Infektionsketten nachzuverfolgen. Inzwischen wurde in Kroatien eine Hotline eingerichtet für jene, die in zu engen Kontakt mit den Tennis-Stars gekommen sind. Und das dürften nicht wenige sein. In Zadar gaben die Tennis-Stars mitten in den Massen Interviews – ohne Masken und Sicherheitsabstand.
So much touching. [Luka Gerlank] pic.twitter.com/lI8xrwSABg
— Tumaini Carayol (@tumcarayol) June 22, 2020
Noch am Sonntagabend tauchten in kroatischen Medien Bilder von Marin Cilic, Borna Coric, Alexander Zverev und Donna Vekic auf, die sich in Zadar beim Institut für öffentliche Gesundheit versammelten, um sich testen zu lassen. Die Ergebnisse sollen so schnell wie möglich veröffentlicht werden – Coric hat das mit der Ankündigung seines positiven Tests gleich selbst erledigt. Bis am Montagmorgen wurden bereits über 1000 Personen getestet.
Djokovic verweigerte gemäss serbischen Medienberichten aber einen Test in Kroatien und reiste im Gegensatz zu seinen Kollegen nach Serbien zurück. Er werde dort entscheiden, wie er mit dieser Situation verfahren wolle, hiess es. Sein Team erklärte, dass es ihm gut gehe und er keinerlei Symptome verspüre. Auf die positiven Corona-Test von Dimitrov und Coric hat der Initiator der Adria Tour noch nicht reagiert. Nach dem Auftakt in Belgrad hatte sich die serbische Weltnummer 1 nach öffentlicher Kritik so gerechtfertigt: «Den Regeln und Massnahmen, die von den Institutionen der Regierung und der öffentlichen Gesundheit festgelegt wurden, sind wir vom ersten Tag an gefolgt. Wir haben die Linien nicht überschritten.»
Djokovic wird sich jetzt erneut unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Der bekannte Tennis-Trainer Brad Gilbert veröffentlichte auf Twitter Fotos von Dimitrov, der Djokovic, Cilic und andere umarmte, worauf die frühere Weltnummer 1 Andy Roddick mit einem zynischen Kommentar reagierte. Stan Wawrinka kommentierte das Ganze mit einem: «Hahahahaha.»
Obviously 🙄 everyone will have to get tested ASAP https://t.co/kKWqmrZprl
— Brad Gilbert (@bgtennisnation) June 21, 2020
Apparently there’s a pandemic ........
— andyroddick (@andyroddick) June 21, 2020
Hahahahaha
— Stanislas Wawrinka (@stanwawrinka) June 21, 2020
Nick Kyrgios twitterte, dass es eine «idiotische Entscheidung» gewesen sei, dieses Turnier überhaupt auszutragen und erklärte: «Gute Besserung Jungs – aber das passiert, wenn man alle Richtlinien ignoriert. DAS IST KEIN WITZ.»
🤦🏽♂️🤦🏽♂️🤦🏽♂️ Boneheaded decision to go ahead with the ‘exhibition’ speedy recovery fellas, but that’s what happens when you disregard all protocols. This IS NOT A JOKE. https://t.co/SUdxfijkbK
— Nicholas Kyrgios (@NickKyrgios) June 22, 2020
Die Französin Alizé Cornet twitterte: «Als ich die Bilder von der Adria-Tour sah, hatte ich das Gefühl, dass da etwas nicht gut läuft. Bin ich die Einzige? Ist dies die Konsequenz? Gute Besserung, Grigor!» Ben Rothenberg, einer der bekanntesetn Tennisjournalisten der Welt, beschrieb die gesamte Adria Tour als «Mittelfinger für das Konzept des Social Distancing». Auch Chris Evert und Andreas Seppi äusserten sich kritisch.
I don’t understand... no safe distancing, total physical contact, no face masks, even the fans were without masks.. I don’t get it.. not smart...hope no one else tests positive. Get well Grigor🙏🏼 https://t.co/3RpPEp3XjH
— Chris Evert (@ChrissieEvert) June 22, 2020
Ob die Adria Tour fortgesetzt wird, wurde noch nicht kommuniziert. Alles andere als eine Absage wäre aber eine riesige Überraschung. In zwei Wochen hätte die Turnierserie in Banja Luka, in Bosnien und Herzegowina, enden sollen. Für Djokovic und seine Entourage geht es nun vor allem darum, den Schaden in Grenzen zu halten und zu hoffen, dass sich die Adria Tour nicht zu einem «Super Spreader» entwickelt. Wie im Februar beispielsweise die Champions-League-Partie zwischen Atalanta Bergamo und dem FC Valencia.