Sommerliche Temperaturen, Sonnenschein, mehrere tausend Zuschauer, dicht an dicht gedrängt, hochklassiges Tennis mit Spielern aus aller Welt, dazu ein musikalisches Rahmenprogramm – der Auftakt der Adria-Tour in Belgrad war ein Erfolg. Novak Djokovic ist der Initiator der Turnierserie, die in den nächsten Wochen auch in Kroatien, Montenegro und Bosnien & Herzegowina Halt macht. Für Djokovic, der in den Halbfinals scheiterte, sind die Auftritte in seiner Heimat eine Herzensangelegenheit. Es fliessen Tränen der Rührung. Der Serbe sagt: «Ich wurde von meinen Emotionen überwältigt, weil mich das alles an meine Kindheit erinnert.»
Berauschend und rührend, unbeschwert und befreiend sind die Bilder, die uns aus Belgrad erreichen. Aber vor allem auch: befremdlich. Sie zeichnen das Bild einer heilen Welt, als wäre Djokovics Heimat derzeit eine Insel der Glückseligkeit, die verschont blieb vom Coronavirus, mit dem sich über acht Millionen Menschen infiziert haben.
Djokovic hatte sich in der letzten Woche wiederholt gegen eine Durchführung der US Open im September ausgesprochen, weil die Pläne des Veranstalters vorsehen, dass die Spieler nur von einer Person auf die Anlage begleitet werden dürfen. Auch gegen eine mögliche Impfung ergriff der 33-Jährige Partei.
Bei der Adria-Tour würden die Abstandsregeln eingehalten, hiess es. Die Bilder aber sprechen eine andere, eine eindeutige Sprache. Bis auf den letzten Platz ausverkauft und auch gefüllt war das provisorisch errichtete Stadion in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Zuvor vergnügte sich Djokovic mit seinen Gästen beim Fussballspielen.
Nun tauchte ein Video auf, in dem der beste Tennisspieler der Gegenwart mit Alexander Zverev und Dominic Thiem oben ohne tanzend die Nacht zum Tag werden lässt. Für Spieler, die seit Monaten kein Einkommen mehr haben, weil der Spielbetrieb ruht, muss das wie ein Schlag ins Gesicht sein. Denn an der Telefonkonferenz, an der über 400 Spieler teilnahmen, fehlte Djokovic.
Als Präsident des Spielerrats der Profi-Vereinigung ATP gibt Djokovic vor, sich für eine gerechtere Verteilung der Preisgelder einzusetzen und sagt, er wolle erreichen, dass mehr Spieler vom Tennis leben können. Doch sein Votum gegen die Durchführung der US Open konterkariert diese Haltung. Für viele wäre das Turnier eine existenzsichernde Verdienstmöglichkeit. «Djokovics demonstrative Unlust könnte darüber entscheiden, ob die US Open stattfinden oder nicht. Weil er derzeit der beste Spieler der Welt ist, geniesst er das Privileg, sich ein ganzes Team leisten zu können», schrieb Danielle Collins in einem E-Mail an die «New York Times».
Am Montag möchten der Veranstalter, der amerikanische Tennisverband USTA, darüber entscheiden, ob die US Open stattfinden können. Vor einer Woche hat er seine Sicherheitsmassnahmen vorgestellt. Diese sehen vor, dass die Spieler während des Turniers alle in einem Hotel in Manhattan unter Quarantäne gestellt werden, jeweils von nur einer Person auf die Anlage im Stadtteil Queens begleitet werden dürfen und ohne Publikum bei gekürzten Preisgeldern und verkleinertem Teilnehmerfeld gespielt wird. Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie musste der amerikanische Tennisverband zuletzt 130 Angestellte entlassen.