Die Zahlen rund um die Biathlon-Weltmeisterschaften in Deutschland beeindrucken. Die heute Mittwoch mit der Mixed-Staffel startenden Titelkämpfe werden mehr Zuschauer in Stadion locken und weltweit höhere TV-Einschaltquoten generieren als die gleichzeitig stattfindende WM der Alpinen in Frankreich. Gerade in Deutschland und in Skandinavien ist die Biathlon-Begeisterung riesig.
Mittendrin das Schweizer WM-Team auf einer Mission. Noch nie in der Geschichte der Titelkämpfe, die 1958 in Saalfelden startete, eroberte die Schweiz eine Medaille. Nun herrscht verhaltener Optimismus, diese triste Statistik bereits zwei Jahre vor der Heim-WM auf der Lenzerheide zu beenden.
Die Zuversicht gründet in erster Linie auf den Leistungen von Niklas Hartweg. Der 22-Jährige lief im Verlauf des Winters im Einzel wie auch gemeinsam mit der gleichaltrigen Amy Baserga in der Single-Mixed-Staffel aufs Weltcuppodest. Insgesamt verbuchte Hartweg in dieser Saison in Einzelrennen bereits elf Plätze in den Top 20. Angesichts des Alters eine herausragende Konstanz des früheren Junioren-Weltmeisters.
Für Hartweg sind es die allerersten Rennen im Biathlon-Mekka Oberhof. Er selbst wie auch sein Trainer Remo Krug relativieren die hohen Erwartungen. «Ich weiss, was ich in der Lage bin zu leisten. Ich will mir aber nicht krass hohe Ziele setzen», sagt der Schwyzer. Krug spricht seinen beiden Schützlingen Hartweg und Sebastian Stalder (dreimal Top 10 in diesem Winter) einen Platz «in der erweiterten Weltspitze» zu, sagt aber auch: «Wir müssen realistisch bleiben: läuferisch sind noch viele Athleten stärker.»
Wie weit nach vorne es für die zwei neuen Teamleader gehen kann, entscheidet sich also am Schiessstand. Dort stehen Hartweg und Stalder mit ihren Trefferquoten in der Saisonstatistik des Weltcups auf den Rängen 2 und 3.
Neben der eigenen Leistung spielen aber auch die Fehler der Gegner eine Rolle. Weil es erstmals seit 1992 an der WM keine Weltcuppunkte mehr zu gewinnen gibt, also nur die Medaillen zählen, wird am Schiessstand sicherlich mehr Risiko genommen. Trainer Krug sagt trotzdem: «Eine Medaille in den Einzeldisziplinen ist nicht realistisch.»
Die grössten Schweizer Chancen liegen demnach in den insgesamt vier Staffelwettbewerben. Hier kommt dem Team die Ausgeglichenheit in dieser Saison bei beiden Geschlechtern entgegen. Dass neben Hartweg und Stalder auch Läuferinnen wie Elisa und Aita Gasparin von ihrer besten Saison der Karriere sprechen und Lena Häcki ihre stärksten Leistungen ebenfalls in den Teamwettkämpfen abgeliefert hat, nährt die Hoffnungen auf einen Exploit.
Lena Häcki nimmt das magische Wort in den Mund uns sagt: «In den Staffeln haben wir die Chance auf eine Medaille. Wir gehören zum erweiterten Favoritenkreis.»
Erstaunlich ist neben der grossen Ausgeglichenheit auch die hervorragende Stimmung im Schweizer Team. Dies aufgrund der Vorgeschichte mit atmosphärischen Störungen im Verlauf des Olympiawinters, welche im vergangenen Frühling eine umfassende Aufarbeitung bedurften.
Speziell erscheint dieser Wandel auch, weil am Ende der vergangenen Saison mit Selina Gasparin und Beni Weger ausgerechnet die langjährigen Teamleader zurückgetreten sind. War dieser Abgang etwa sogar ein Befreiungsschlag für das verjüngte Team?
Lena Häcki sieht keinen Zusammenhang mit der Verbesserung der Stimmung. Sie sagt, dass vor einem Jahr in der ganzen Organisation sehr viel Unsicherheit geherrscht habe. «Weil über Monate hinweg die Position des Disziplinenchefs fehlte, ergab sich für die Trainer eine Doppelbelastung. Das wurde uns allen irgendwann zu viel und so entstand eine Unruhe im Team.»
Niklas Hartweg sagt zum Thema Teamgeist: «Jeder Athlet merkt anhand seiner Leistungen, dass das Training funktioniert. So schöpft man Vertrauen in die Trainer. Und wir bekommen auch mit, dass die Zusammenarbeit im Betreuerteam nun sehr gut funktioniert.» Es ist also alles angerichtet für eine erfolgreiche WM-Mission. (aargauerzeitung.ch)