Er ist der vielleicht grösste olympische Pechvogel aller Zeiten und doch vom Glück gesegnet. Olympiasieger, Versager, Ehemann, erneuter Versager, Krebspatient, Hoffnungsträger – das ist das Leben von Matthew Emmons im Schnelldurchlauf. Der 35 Jahre alte Sportschütze darf ohne Übertreibung behaupten, sämtliche Höhen und Tiefen erlebt zu haben.
Am 20. August 2004 wird Matthew Emmons in Athen Olympiasieger mit dem Kleinkalibergewehr. Der Triumph in der wenig publikumswirksamen Sportart, eine von 301 Medaillenentscheidungen in der griechischen Hauptstadt, ist bloss eine Randnotiz.
Was Emmons Bekanntheit schlagartig ändert, ist der Wettkampf zwei Tage später. Dabei ist es nicht eine zweite Goldmedaille oder ein Weltrekord, welche ihn ins Rampenlicht katapultieren. Im Dreistellungsmatch spielen dem damals 23-Jährigen die Nerven einen Streich, der so fies ist, dass er rund um den Globus zum Thema wird.
Vor dem letzten Schuss liegt Emmons deutlich in Führung. Sein Vorsprung von drei Punkten bedeutet auf diesem Niveau eine Weltreise. Emmons schiesst, erzielt bloss die mässige Wertung von 8,1 und dennoch reicht ihm dies zur Goldmedaille. Doch der Jubel bleibt dem Amerikaner aus dem Grossraum Philadelphia im Hals stecken.
Emmons' Schuss erscheint nicht auf der Anzeigetafel. Er glaubt an einen technischen Defekt, wendet sich an die Schiedsrichter. Was die ihm sagen, kann er kaum glauben: Emmons hat auf die falsche Scheibe geschossen! Der Traum von der Goldmedaille wird zum Albtraum, er rutscht vom ersten auf den letzten Platz zurück.
Vier Jahre später will es Emmons besser machen. In Peking gehört der Amerikaner am 17. August 2008 erneut zu den Favoriten, und wieder liegt er im Dreistellungsmatch vor dem letzten Schuss in Front. Und wieder – man glaubt es kaum – verschiesst er einen Penalty ins leere Tor, um das Missgeschick für Nichtschützen bildlich zu machen.
Die maximal möglichen 10,9 benötigt er bei Weitem nicht, um sich den Sieg zu holen. Für Gold reicht eine bescheidene 7,7. Doch Emmons' Finger zuckt vor Nervosität im falschen Augenblick. Die Kugel schnellt zur Scheibe, es ist nur eine 4,4. Immerhin landet sie dieses Mal auf der eigenen Scheibe …
Emmons rutscht vom Podium, er wird undankbarer Vierter. Wieder tröstet ihn die Medaille im Kleinkaliberschiessen, nach Gold in Athen holt er vier Jahre später Silber in Peking.
Der ganz grosse Trost für die tragischen Fehlschüsse ist indes Katerina Emmons. Die heisst 2004 noch Kurkova und ist eine Spitzenschützin aus Tschechien. Nach Emmons' Blackout in Athen versucht sie, ihren Sportkollegen wieder aufzurichten. Das gelingt ihr so gut, dass die beiden 2007 heiraten. Und als Matthew in Peking Gold wegwirft, wird dafür Katerina Olympiasiegerin mit dem Luftgewehr.
An seinen dritten Spielen, 2012 in London, komplettiert Emmons den olympischen Medaillensatz mit einer bronzenen Auszeichnung. Endlich steht er im vermaledeiten Dreistellungsmatch auf dem Podest. Selbstverständlich ist das nicht. Denn 2010 erkrankt er an Schilddrüsenkrebs, den er besiegen kann. Matthew Emmons, der Pechvogel, hat einmal mehr Glück gehabt.
2016 versucht sich Emmons in Rio ein weiteres Mal im Dreistellungsmatch an den Olympischen Spielen. Er scheitert diesmal als 19. aber schon deutlich in der Qualifikation. An seinem kompletten Medaillensatz und der Frau fürs Leben ändert dies jedoch nichts.