Training? Party! Ovomaltine? Kiffen! Der erste Olympiasieger der Geschichte bestätigt das allgemein gültige Klischee, das die Sportwelt 1998 noch von den Snowboardern hat: Im Urin von Ross Rebagliati werden Spuren von Marihuana entdeckt. Die Zigarren rauchenden und Wein trinkenden, alten Männer vom IOC sind entsetzt. Sie wollen dem Kanadier die Medaille sofort wieder abnehmen.
Rebagliati beteuert daraufhin, dass er zehn Monate vor den Spielen letztmals einen Joint im Mund hatte. Allerdings hätten ihm Freunde eine Woche vor dem Rennen in Nagano eine Abschiedsparty organisiert, an welcher ordentlich gekifft worden sei. Die erhöhten Werte in seinem Blut führt er deshalb auf Passiv-Kiffen zurück.
Nach einem tagelangen Hin und Her spricht das internationale Sportgericht CAS den Kanadier wegen eines Formfehlers frei. Im für die Athleten verbindlichen Medical Code des IOC war nicht zweifelsfrei geregelt worden, dass der Nachweis von Marihuana automatisch geahndet wird. Es ist dort lediglich die Rede davon, dass er bestraft werden kann.
Dank diesem Richterspruch bleibt es auch bei der Bronzemedaille für den Schweizer Ueli Kestenholz, der hinter Rebagliati und dem Italiener Thomas Prugger Dritter wird.
Kestenholz ist ohnehin nicht scharf auf Silber, das nach dem Rennen einige Tage lang möglich scheint. «Ich hoffe, Rebagliati darf seine Goldmedaille behalten», sagt der Thuner, als das Urteil des CAS noch aussteht. Die Disqualifikation des Gegners bezeichnet er als Witz: «Marihuana-Konsum macht nicht schnell.»
Die Affäre zementiert jedoch die Klischees der Öffentlichkeit den Snowboardern gegenüber. Nichtraucher Kestenholz sorgt sich ums Image: «Ich habe Angst, dass man nun sagt: Seht, das sind eben Snowboarder! Warum ist die Disziplin überhaupt olympisch?»
Ob Silber oder letztlich doch Bronze: Dass es an diesem Sonntag im Februar 1998 überhaupt die erste Schweizer Medaille der Spiele von Nagano zu feiern gibt, daran ist nach dem ersten Lauf des Riesenslaloms nicht zu denken. Kestenholz liegt auf Rang 10, seine drei Teamkollegen sind alle ausgeschieden.
Das immer schlechter werdende Wetter in Shiga Kogen scheint sich ebenfalls gegen Kestenholz verschworen zu haben. Nebel zieht auf, ausgerechnet vor seinem Start wird das Rennen zehn Minuten lang unterbrochen. Im Schneegestöber scheint der Berner auf der frisch eingeschneiten Piste chancenlos zu sein.
Aber der 22-Jährige glaubt an den Erfolg. Er riskiert alles, obwohl er kaum drei Tore weit sieht. Kestenholz stellt die Bestzeit auf und die Konkurrenten verirren sich gleich reihenweise im dichten Nebel. Die Überraschung ist perfekt.
Vier Jahre nach dem Triumph in Japan strebt Ueli Kestenholz auch in Salt Lake City eine Medaille an. Er verpasst sein Ziel, genauso wie bei seinen dritten und letzten Spielen in Turin, wo er im Boardercross antritt.
Der zweifache Sieger der X-Games und zweifache ISF-Weltmeister entschliesst sich daraufhin, vom Wettkampfsport zurückzutreten – nicht aber als Athlet. Ueli Kestenholz wendet sich dem Speed Flying zu, dreht erfolgreich Filme. Sein Werk «Playgravity» wird mehrfach ausgezeichnet.
Wir sassen damals im lokalen Snowboardshop und feierten die Erfolge von Gian und Ueli ab - geile Zeit!
Danke für den Backflash. Aber bitte streicht „snöben“ / „Snöber“ aus eurem Vokabular.