Wer wird der Nachfolger von Fabrice Zumbrunnen an der Spitze der Migros? Nach dessen überraschender Rücktrittsankündigung per April wurde darüber gerätselt. Jetzt ist klar: Das Zepter übernimmt ab Mai der 57-jährige Mario Irminger. Er leitet seit 2011 die Migros-Tochter Denner. Davor war er Wirtschaftsprüfer und während zwölf Jahren Finanzchef bei Heineken Schweiz. Sein offiziell neuer Titel lautet künftig: Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschaftsbunds (MGB).
Die Ernennung Irmingers lässt sich aus Sicht von Migros-Präsidentin Ursula Nold gut begründen. In einer Mitteilung bezeichnet sie ihn als «einen profunden Kenner des Schweizer Detailhandels mit ausgeprägtem Gespür für Kundenbedürfnisse». Unter Irmingers Führung habe Denner im wettbewerbsintensiven Discount-Geschäft seine führende Stellung erfolgreich ausgebaut, den Umsatz stark gesteigert und ein profitables Wachstum erzielt.
All das stimmt. Denner konnte sich in den vergangenen Jahren gut gegenüber den deutschen Harddiscountern Aldi und Lidl behaupten und das Geschäft ausweiten. Dies dürfte für Nold ein Hauptargument für Irminger gewesen sein. Schliesslich hat die Migros im Kerngeschäft zuletzt gegenüber Coop Federn lassen müssen. Denn der Trend nach der Pandemie zu regionalen, nahen Einkäufen hält an, und die Migros hat weniger kleine, dafür mehr grosse Supermärkte im Vergleich zum Hauptkonkurrenten.
Und dennoch dürfte die Ernennung des Zürchers für überraschte Gesichter sorgen – vor allem bei den regionalen Genossenschaftschefs. Denn bisher war es Usus, dass jemand mit Migros-Stallgeruch die Führung der Zentrale übernimmt. So war dies bei Zumbrunnen, der zuvor Chef der Migros Neuenburg-Freiburg sowie Generaldirektionsmitglied des MGB war. Er war auf Herbert Bolliger gefolgt, der wiederum die Leitung der Migros Aare im CV hatte.
So wurden in Insiderkreisen denn auch die Chefs der regionalen Genossenschaften als Favoriten gehandelt, wie zum Beispiel jene der Aare, der Ostschweiz und von Zürich, sowie MGB-Departementsleiter wie Marketingchef Matthias Wunderlin. Einem Coup wäre es gleichgekommen, hätte Nold auf einen Externen gesetzt, wie zum Beispiel den Ex-Manor-Chef Jérôme Gilg. Oder auf eine Frau.
Dass der Chef der 2007 zugekauften Discounter-Tochter Chef der Muttergesellschaft wird – das hat es bei der Migros noch nie gegeben. Kein Wunder: Die von Bolliger geleitete Übernahme des Discounters gilt bis heute als kluger Schachzug, um sich die Alkohol- und Tabakumsätze zu sichern. Doch gleichzeitig sind die Denner-Filialen für die regionalen Genossenschaften auch eine starke Konkurrenz und nicht nur geliebt.
Unter Irminger geschäftete Denner denn auch zu einem grossen Teil unabhängig vom orangen Koloss. Einerseits bei der Preisgestaltung und im Marketing, vor allem aber auch im Einkauf. Ein Beispiel: Obwohl die Migros-Industrietochter Mibelle Shampoos und Duschgels produziert, kauft Irminger mehrere Körperhygiene-Produkte beim deutschen Drogeriehändler Rossmann ein und stellt sie in die Denner-Regale.
Laut Mitteilung wird es Irmingers prioritäre Aufgabe sein, die Migros-Gruppe weiter erfolgreich zu entwickeln sowie das Supermarktgeschäft der Migros zusammen mit den zehn regionalen Genossenschaften zu stärken und effektiver zu organisieren.
Dies wird eine Herkulesaufgabe. Denn wie in den vergangenen Monaten durchgesickert ist, machen die regionalen Genossenschaft Druck für eine grosse Reform, bei welcher das Supermarkt-Geschäft in eine eigene AG ausgegliedert werden soll.
Beim Fachmarktgeschäft mit Ketten wie Micasa und Exlibris wurde dieser Schachzug bereits getätigt. Doch nun geht es ums Kerngeschäft. Irminger wird es sein, der diesen Machtkampf zwischen Zentrale und Regionen austragen muss. Als Halb-Externer wird er in diesem Haifischbecken seinen Platz erst finden müssen, seine Unbefangenheit könnte allerdings auch ein Vorteil sein.
Es stellt sich auch die Frage, wie viel Irminger vom restlichen Migros-Geschäft versteht. Nicht nur wird er alle Non-Food-Fachgeschäfte verantworten, sondern auch das strategisch zentrale Onlinegeschäft weitervorantreiben müssen. Dieses Rüstzeug konnte er sich im Discountgeschäft – Denner hat nicht mal einen Onlineshop – nicht erarbeiten. Inwiefern ihm beispielsweise der Chef der Migros-Tochter Digitec Galaxus in den Diskussionen über die nicht profitable Ausland-Expansion auf Augenhöhe begegnet, wird sich weisen.
Sag mir eine Firma, die nicht zum Duopol Migros/Coop gehört!
Ich finde es langsam echt beängstigend, wie wir uns mit diesen beiden Giganten des Schweizer Markts abfinden.