Generation um Generation ging es aufwärts: Seit der Altersgruppe der zwischen 1890 und 1923 Geborenen schnitt jede Generation in kognitiven Tests kontinuierlich besser ab als die vorhergehende. Bei den Babyboomern scheint Schluss mit diesem Trend zu sein. Mehr noch: Es geht nicht um einen Stillstand, sondern sogar um einen Rückgang.
Dies lassen zumindest die Ergebnisse einer aktuellen amerikanischen Studie vermuten, die im Fachmagazin «The Journals of Gerontology: Social Sciences» erschienen ist. Der Soziologe Hui Zheng von der Ohio State University analysierte die Daten von mehr als 30'000 Amerikanern, die von 1996 bis 2014 ab einem Alter von 51 Jahren alle zwei Jahre den sogenannten Health and Retirement Survey absolviert hatten. Dabei mussten sie sich auch kognitiven Tests unterziehen; beispielsweise mussten sie sich an Wörter erinnern, die man ihnen vorher genannt hatte, oder in Siebnerschritten von 100 rückwärts zählen.
Diese Angehörigen der Babyboomer-Generation – das sind laut der Studie die Jahrgänge von 1948 bis 1964 – erzielten beim Test der kognitiven Fähigkeiten erstmals weniger Punkte als vorhergehende Generationen. Die Werte fingen bei der frühen Babyboomer-Generation (1948 bis 1953 Geborene) an zu sinken und nahmen in der mittleren Boomer-Generation (1954 bis 1959 Geborene) noch weiter ab. Wie es bei den späten Babyboomern (1960-1964 Geborene) aussieht, konnte Zheng noch nicht eruieren – es waren noch zu wenige, um sie in der Studie zu berücksichtigen.
Zuvor waren die durchschnittlichen Kognitionswerte der Erwachsenen im Alter von 50 Jahren oder mehr stets gestiegen, von der sogenannten Greatest Generation (Jahrgänge von 1890 bis 1923) an bis zu einem Höhepunkt bei der Generation der im Zweiten Weltkrieg Geborenen (Jahrgänge von 1942 bis 1947). «Es ist schockierend, diesen Rückgang der kognitiven Funktionen bei den Babyboomern zu sehen, nachdem die Testergebnisse über Generationen hinweg gestiegen sind», wird Zheng in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.
Der kognitive Rückgang lasse sich zudem bei allen Gruppen beobachten, erklärt Zheng. «Bei Männern und Frauen, bei allen Ethnien und über alle Bildungs-, Einkommens- und Vermögensniveaus hinweg.» Selbst bei den Wohlhabendsten und am besten Gebildeten sei er feststellbar und nur geringfügig weniger ausgeprägt. Dies sei erstaunlich, führte Zheng aus, da frühere Untersuchungen gezeigt hätten, dass die allgemeinen Krankheits- und Sterblichkeitsraten bei den Babyboomern zwar gestiegen sind, aber jeweils kaum bei den Reichen und Gebildeten.
Auf der Suche nach Faktoren, die diesen Rückgang verursacht haben könnten, konnte Zheng sich verschlechternde Bedingungen in der Kindheit ausschliessen. Die Gesundheit in der Kindheit sei bei den Babyboomern eher besser gewesen als bei vorhergehenden Generationen, der sozio-ökonomische Status ihrer Familien höher, ihre Ausbildung besser. Sie hätten auch bessere Jobs gehabt. Wären diese insgesamt günstigen Bedingungen nicht vorhanden gewesen, hätte das Ergebnis der Babyboomer noch schlechter ausgesehen, erklärt Zheng.
Die wichtigsten Faktoren, die in der Studie mit dem Rückgang der Kognitionswerte bei den Babyboomern in Verbindung gebracht werden, waren geringerer Wohlstand, ein höheres Mass an Einsamkeit und Depression sowie Fettleibigkeit und mangelnde körperliche Betätigung. Etwas weniger relevant, aber immer noch signifikant waren Faktoren wie psychische Probleme sowie kardiovaskuläre Probleme, etwa ein Schlaganfall, Bluthochdruck, Herzkrankheiten und Diabetes. Ebenfalls eine Rolle spielte der Zivilstand: Mehrfach und gar nie verheiratete Personen schnitten schlechter ab als solche, die nur einmal verheiratet waren.
Zheng fürchtet, dass auch die nachfolgenden Generationen von der Trendumkehr betroffen sein und in kognitiven Tests noch schlechter abschneiden könnten. Falls zudem die kognitiven Fähigkeiten der 50- bis 60-Jährigen in einem Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer späteren Demenzerkrankung stehen sollten, müsste man mit einem noch höheren Anstieg dieser Erkrankungen rechnen, als man bisher ohnehin erwartet hatte.
Jüngere Leute, die den auf die Babyboomer folgenden Generationen – etwa der «Generation X» oder den «Millennials» – angehören, sollten eine allenfalls aufkeimende Schadenfreude zügeln. Der Rückgang der kognitiven Fähigkeiten droht auch ihnen – und er könnte noch stärker ausfallen als bei den Babyboomern.
(dhr)
Ein grosser Faktor ist, wie die Tests geartet sind, wie sie normiert werden etc.
Die Anforderungen an eine Gesellschaft ändern sich über die Zeit.
Wer kennt es nicht: Früher wusste man unzählige Telefonnummern auswendig, heute knapp einige wenige. Es gibt gewisse Fertigkeiten, die heute einfach weniger trainiert werden, weil es sie kaum noch braucht.
Man kann „Intelligenz an sich“ nicht messen, sondern nur Fertigkeiten, welche auf Intelligenz aufbauen, die aber einem erheblichen Trainingseffekt unterliegen.
Ja gibt es denn mehr als eine menschliche Rasse?!