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Brain Fog: Gehirnnebel bei Long Covid wohl entschlüsselt

Gehirnnebel bei Long Covid wohl entschlüsselt – Folgen für gesamte Virus-Forschung

Mediziner haben eine körperliche Ursache für den sogenannten Gehirnnebel bei Long-Covid-Patienten gefunden. Demnach verursacht die Virusinfektion eine Störung des Blutversorgungssystems im Gehirn.
25.02.2024, 05:07
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Gehirnnebel – oder Brain Fog – ist ein bekanntes Symptom von Long Covid. Bild: Shutterstock

Die Blutgefässe werden durchlässiger und können das Gehirn schlechter von Krankheitserregern, Giften und anderen Substanzen im Blut abschirmen, berichtet die Forschergruppe um Matthew Campbell vom Trinity College Dublin und Colin Doherty vom St James’s Hospital in Dublin (Irland) im Fachmagazin «Nature Neuroscience».

«Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass undichte Blutgefässe im menschlichen Gehirn zusammen mit einem hyperaktiven Immunsystem die Hauptursache für Gehirnnebel im Zusammenhang mit Long Covid sein können», erklärte Campbell.

Er und seine Kollegen hatten bereits in der Anfangsphase der Corona-Pandemie im März und April 2020 begonnen, diese auch als Brain Fog bekannte Form der Bewusstseinstrübung zu untersuchen, durch die Analyse von Blutproben von 76 Covid-Patienten des St James’s Hospital. Sie fanden erhöhte Werte des Proteins S100-Beta, das unter anderem ein Marker für eine gestörte Blut-Hirn-Schranke ist.

Mechanismus noch unklar

Als Blut-Hirn-Schranke wird die Grenze zwischen Blutstrom und Zentralnervensystem bezeichnet. Durch spezielle Zellen, die der Gefässwand aussen anliegen, können nur bestimmte Stoffe ins Gehirn übertreten. Dadurch wird das Hirn vor schädlichen Stoffen und Krankheitserregern geschützt. Wenn die Blut-Hirn-Schranke gestört ist, gelangen Substanzen ins Gehirn, die sonst abgeschirmt werden.

Den genauen Mechanismus der Schwächung dieses Systems konnten die Forscher noch nicht aufklären. Die Störung der Blut-Hirn-Schranke machten sie auch mittels bildgebender Verfahren sichtbar. Dafür nutzten sie eine besondere Art der Magnetresonanztomografie (MRT), die dynamische kontrastmittelbasierte Perfusions-MRT. Gemessen wird dabei, in welcher Weise ein Kontrastmittel durch ein Gewebe fliesst. Die speziellen MRT-Aufnahmen zeigen, dass bei den Gehirnnebel-Patienten mehr Kontrastmittel in das Hirngewebe ausserhalb der Blutkapillaren gelangt.

Folgen für gesamte Virus-Forschung

Campbell, Doherty und Kollegen sind überzeugt, dass Corona nicht die einzige Virusinfektion ist, die auf diese Weise das Gehirn schädigt. «Die Ergebnisse werden nun wahrscheinlich die Art und Weise verändern, wie wir postvirale neurologische Erkrankungen verstehen und behandeln», sagte Doherty. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass bei vielen neurologischen Erkrankungen – etwa Multipler Sklerose (MS) – wahrscheinlich eine Virusinfektion der auslösende Faktor für die Erkrankung sei, heisst es in der Mitteilung des Trinity Colleges. Welche Rolle die Blut-Hirn-Schranke dabei spielt, wird von den Studienautoren aktuell genauer untersucht.

Eine Corona-Infektion kann anhaltende Gesundheitsprobleme nach sich ziehen, für die sich der Begriff Long Covid eingebürgert hat. Symptome sind etwa Erschöpfung, Schwindelgefühle und Konzentrationsprobleme. (sda/dpa)

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Charalar (neuro-untypisch)
25.02.2024 08:32registriert April 2015
Endlich! Ein Ergebnis, das zeigt, dass Long-Covid tatsächlich existiert - und sich die Betroffenen ihre Symptome nicht nur einbilden (oder sie vortäuschen). Hoffentlich verhilft das zu einer (schnelleren) IV-Anerkennung.

Was es auch zeigt: SARS-Cov-2 ist nicht einfach ein zahmes Erkälkältungsvirus. Auch, wenn die Todes- und Hospitalisierungszahlen stark gesunken sind. Jede Infektion bringt das Risiko mit sich, an Long-Covid zu erkranken. Ein kleines Risiko zwar, aber bei den hohen (Re-)Infektionszahlen trifft es dann doch viele Menschen.
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Pixalytiker
25.02.2024 09:22registriert April 2023
Finde ich eine ziemlich üble Ursache. Aber jene, die sich immer noch lächerlich darüber machen, werden konsequent auch diese Erkenntnis ignorieren.
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