Es ist keine Schwankung, wie sie halt vorkommt in der Statistik. Es ist ein veritabler Knick. Ein Geburtenknick. Ein Rückgang, wie er seit der Verbreitung der Antibabypille 1965 nicht mehr zu sehen war. Letztes Jahr zeigte er sich und er hält an, das zeigen die monatlichen Zahlen der Spitäler schon jetzt. Jetzt, da die Pandemie wirklich vorbei ist, kommen also weniger Kinder zur Welt.
Das war ein gefundenes Fressen für die Impfskeptiker. Und die Frage ist ja auch berechtigt und naheliegend, weil der Geburtenknick just im Jahr nach den Coronaimpfungen folgte: Hat die Impfung die Fruchtbarkeit beeinträchtigt?
Inzwischen haben zahlreiche Studien die Frage beantwortet. Denn es ist ziemlich einfach herauszufinden: Man vergleiche Paare, die ein Kind zeugen wollen, und deren Impfstatus. Das wurde zum Beispiel bei einer Studie der Boston Universität um Amelia K. Wesselink gemacht, die 2022 erschien: 2126 Frauen nahmen teil und gaben auch den Impfstatus ihrer Partner bekannt. Das Ergebnis: Die geimpften Frauen unterschieden sich nicht spürbar von ungeimpften (und wenn, dann leicht überdurchschnittlich mit einem Wert von 1,08) – und auch die an Corona erkrankten hatten keine reduzierte Fruchtbarkeit (1,07).
Anders bei den Männern: Während die Impfung kaum einen Einfluss zeigte (Quote von 0,95 statt 1 wie bei den Ungeimpften), war sie nach einer Covid-19-Infektion während 60 Tagen spürbar tiefer bei 0,82. Eine weitere Studie aus China zeigte, dass sich die Spermienqualität von Covid-Patienten verschlechterte (Beweglichkeit -16 Prozent, Spermienanzahl -11 Prozent) und erst nach einem halben Jahr wieder gleich gut wie die der Kontrollgruppe war. Die Spermienanzahl beispielsweise sank während der ersten drei Monate nach der Erkrankung und verbesserte sich danach wieder.
Auch eine österreichische Forscherin hat gute Argumente gegen die Theorie, dass der Geburtenrückgang über zwei Jahre nur medizinisch bedingt sei. Eher war das von den Paaren so entschieden: Isabella Buber-Ennser hat den Geburtenknick erwartet. An ihrem Institut for Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fragt man regelmässig nach dem Kinderwunsch.
2021 fragten die Forschenden Personen mit Kinderwunsch, ob sie die Familienplanung wegen der Pandemie geändert hätten – nur 8 Prozent der Frauen im Alter 18 bis 45 und der Männer im Alter 18 bis 50 mit Kinderwunsch sagten damals, sie hätten ihren Wunsch geändert.
Ende 2022 fragten sie erneut. Da sagten nun 11 Prozent, sie hätten ihre Planung geändert, weitere 19 Prozent waren sich unsicher. «Bei 30 Prozent haben die Krisen also etwas geändert, und zumeist im negativen Sinn: Sie haben das Kinderkriegen aufgeschoben. Aber nicht aufgehoben», sagt Isabella Buber-Ennser. Und meist wurde die Inflation infolge des Ukraine-Kriegs als Grund genannt, selten die Pandemie. Die Gründe für den Geburtenknick dürften also wirtschaftlicher Art sein, sagt die Demografin.
Das Deutsch-Österreichisch-schweizerische Demografietreffen im Oktober zeigte, dass die Kurven aller drei deutschsprachigen Länder ähnlich verliefen.
2021 kam es zu einem relativ starken Geburtenanstieg, danach zum Abfall.
Die drei Länder teilen sich mindestens einen Grund für diesen Verlauf: Das erste Jahr mit Lockdowns wirkte sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz positiv aus. «Während des ersten Pandemiejahres kam es in Ländern mit einer guten sozialen Absicherung oder Kündigungsschutz statt zu weniger Zeugungen sogar zu mehr», sagt Isabelle Buber-Ennser. Und ein Teil des darauf folgenden Abfalls ist diesem Peak geschuldet, weil Paare 2021 das Kinderkriegen vorgezogen haben – beziehungsweise 2020 die Zeugung. Doch das erklärt den Knick 2022 und 2023 nicht ausreichend.
Nicht klar ist, wie viele Paare das Kinderkriegen verschieben mussten, weil gerade junge Frauen häufiger als andere von heftigem Long Covid betroffen waren und sind. Und ein Teil der Paare könnte nach dem Impfen im Sommer 2021 mit dem Kinderkriegen aus Vorsicht zugewartet haben und eben: Die Fruchtbarkeit der Männer fiel während eines halben Jahres nach einer Infektion. Der grösste Teil der Bevölkerung wurde erst mit der Omikronwelle 2021 durchseucht.
Anders war das in Portugal, Spanien und Italien mit heftigen Wellen schon 2020: Dort stürzten die Geburtenzahlen Ende 2020 regelrecht ab, wie eine andere Studie ebenfalls des Institutes für DemograpFie in Wien von einem Forschungsteam um Buber-Ennsers Kollege Tomáš Sobotka eindrücklich zeigt. Die Geburtenzahlen erholten sich in diesen Ländern schon 2021 und es folgte kein grosser Knick mehr. Also auch nicht nach dem Impfjahr 2021.
Bleibt noch die finanzielle Lage. Demografin Buber-Ennser ist wie erwähnt überzeugt, dass die wirtschaftliche Unsicherheit ein wichtiger Grund für den Geburtenknick ist – dass sie Österreich aber erst 2022 mit dem Ukraine-Krieg und der damit verbundenen Inflation erreicht hat. Und deshalb auch 2023 die Geburten tief sind.
Finanzielle Sorgen führen in Europa tatsächlich zu niedrigen Geburtenzahlen. Siehe Italien. Doch stimmt das auch für die Schweiz? Auch hierzulande sagten Demografen, das sei halt so in Krisenzeiten. Dabei war 2022 das Schlimmste der Coronapandemie gerade vorbei. Verunsichert der Ukraine-Krieg Schweizer Paare tatsächlich so sehr, dass sie das Kinderkriegen aufschieben?
Doch stimmt das auch für die Schweiz? Auch hier sagten Demografen, das sei halt so in Krisenzeiten. Dabei war 2022 das Schlimmste der Coronapandemie gerade vorbei. Und verunsichert der Ukraine-Krieg Schweizer Paare tatsächlich so sehr, dass sie das Kinderkriegen aufschieben?
Die wirtschaftliche Unsicherheit jedenfalls trifft auf die Schweiz am wenigsten zu: Die Arbeitslosigkeit ist gerade sehr tief, die soziale Absicherung immer noch recht solide und die externe Kinderbetreuung – ein wichtiger Faktor fürs Kinderkriegen, siehe Frankreich – wird stetig ausgebaut.
Ausserdem: Nicht einmal die grosse Weltwirtschaftskrise 2008 hatte sich in der Schweiz in einem Geburtenrückgang gezeigt. Auch Demografin Johanna Probst beim BFS sagt zwar, dass «sich verschiedene Krisen und Unsicherheitsfaktoren überlagern», bestätigt aber: «Wir haben zwar wirtschaftliche Inflation, aber keine schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt.»
Was auf die Schweiz hingegen sicher zutrifft, ist zweierlei: Erstens ist die psychische Belastung gestiegen in der Pandemie, das haben zahlreiche Studien gezeigt und eine Besserung ist noch nicht sichtbar. François Höpflinger, Soziologieprofessor in Zürich, sagt: «Im ersten Jahr der Pandemie hat man es noch ertragen, da gab es auch einen politischen Konsens, wie die Pandemie zu bewältigen sei.» Längerfristig aber machen Ängste und Isolation krank.
Zusammen mit der Verschlechterung der psychischen Gesundheit stieg auch die Belastung am Arbeitsplatz: Kolleginnen und Kollegen fielen krankheitshalber aus oder sie kündigten wie in der Pflegebranche ganz und ohnehin herrscht Fachkräftemangel. «Das kam zum in der Schweiz allgemein hohen Stressniveau hinzu», sagt Höpflinger. «Die Leute fürchteten also nicht etwa um ihren Job – sie hatten schlicht viel zu viel zu tun, um sich gerade jetzt für Kinder zu entscheiden.»
Keine Rolle dabei gespielt haben Jobwechsel, die das Kinderzeugen verschoben haben könnten:Während der ersten beiden Pandemiejahre 2020 und 2021 war die Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt etwas tiefer als üblich, 2022 stieg sie zumindest bei den Frauen wieder an, aber nicht übermässig.
Fassen wir zusammen: Erstens wurde 2022 und 2023 der Geburtenanstieg von 2021 ausgeglichen. Zweitens hat die Durchseuchung der Schweiz erst 2021 stattgefunden und schlug 2022 auf die Geburtenzahlen durch. Und drittens hat sich die hohe Arbeitsbelastung infolge der Pandemie bis in dieses Jahr negativ auf den Kinderwunsch der Schweizer Paare ausgewirkt.
Und so kommt es, dass in der Schweiz aktuell pro Frau nur 1,4 Kinder zur Welt kommen. Das ist ein absoluter Tiefstwert. Selbst im Zweiten Weltkrieg sackte die Geburtenrate nur auf 1,75 ab, seit den 1970er-Jahren bewegt sie sich relativ konstant zwischen 1,5 und 1,6.
Höpflinger denkt wie auch Buber-Ennser, dass sich die Geburtenrate doch noch erholen wird. Bald. Und es ist auch nicht so, dass der sogenannte «birth strike», also dass sich immer mehr Paare aus Umweltgründen bewusst gegen Kinder entscheiden, in den Statistiken in Europa schon sichtbar würde. (aargauerzeitung.ch)
Wir sollten endlich damit aufhören keine Kinder mit negativ zu assoziieren!
1. ist dies in einer überbevölkerten global erwärmten Welt eine völlig veraltete Weltsicht
2. diskriminiert sie Kinderlose
- Es bereits zu viele Menschen gibt.
- Es sich besser lebt ohne Nachwuchs
- Der eigene Nachwuchs genauso verblödet wieder der Rest
Es gibt so viele gute Gründe sich gegen die eigene Reproduktion zu entscheiden.