International
Wirtschaft

Die Stadt Stockton war pleite – jetzt testet sie ein Grundeinkommen

FILE - In this June 27, 2012 file photo, pedestrians cross a street near the Bank of Stockton in Stockton, Calif. A judge overseeing California’s largest city to file bankruptcy on Tuesday, July 8, 20 ...
Stockton wurde von der Finanzkrise hart getroffen.Bild: AP/AP

Diese kalifornische Stadt war pleite – jetzt testet sie ein Grundeinkommen

20.10.2017, 13:5420.10.2017, 14:43
Mehr «International»

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise galt Stockton als «elendeste» Stadt der USA. Obwohl sie im erweiterten Einzugsgebiet von Bay Area und Silicon Valley liegt, sind die Lebensbedingungen schwierig. Das Einkommen in der mehrheitlich von Nichtweissen bewohnten Stadt ist deutlich tiefer und die Armutsquote höher als in San Francisco und selbst in Oakland.

Den Tiefpunkt erreichte Stockton mit seinen 300'000 Einwohnern vor fünf Jahren. Es musste Konkurs anmelden, als bislang grösste Stadt in der Geschichte der USA. Hauptgrund waren hohe Ausfälle bei der Immobiliensteuer, einer zentralen Einnahmequelle kalifornischer Städte. Während des Baubooms in den Nullerjahren hatte Stockton auf grossem Fuss gelebt. Nach dem Platzen der Subprime-Blase konnte die Stadt trotz Sparbemühungen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Michael Tubbs, Mayor von Stockton (Kalifornien)
Michael Tubbs wurde mit 26 Bürgermeister.bild: mdtubbs.com

Unter den Folgen der Pleite leidet Stockton bis heute. Und doch herrscht Aufbruchstimmung. Die Stadt soll als Versuchslabor für ein bedingungsloses Grundeinkommen dienen. Treibende Kraft ist Michael Tubbs, der letztes Jahr mit 26 Jahren zum ersten schwarzen Bürgermeister von Stockton und zum jüngsten Oberhaupt einer US-Stadt mit über 100'000 Einwohnern gewählt wurde.

Start im August 2018

Tubbs stammt selber aus ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater sitzt im Gefängnis aufgrund der berüchtigten «Three Strikes»-Regel, die nach der dritten Straftat automatisch eine lebenslange Haftstrafe vorsieht. Seine Motivation für das Grundeinkommen bezieht er vom Bürgerrechtler Martin Luther King, der sich in seinem letzten Buch dafür stark gemacht hatte.

Zum eigentlichen Auslöser wurde eine Anfrage des Economic Security Project, das sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt und von Facebook-Mitgründer Chris Hughes finanziert wird. Michael Tubbs liess sich nicht zweimal bitten. In den nächsten Monaten sollen die Voraussetzungen für das Experiment abgeklärt werden. Der Start ist für August 2018 geplant.

Dem Bürgermeister schwebt ein dreijähriger Versuch mit 100 Personen vor, die 500 Dollar pro Monat erhalten sollen. Er wolle herausfinden, wie die Empfänger mit dem Geld umgingen, sagte Tubbs der Website Vox: «Sie können mehr Zeit als Elternteil oder mit Freiwilligenarbeit verbringen, zurück zur Schule gehen und sich weiterbilden oder in ein neues Geschäft investieren.»

Weiterer Versuch in Oakland

Die Kosten allein für das Experiment betragen 1,8 Millionen Dollar. Eine Million stellt das Economic Security Project zur Verfügung, der Rest soll unter anderem mit Crowdfunding beschafft werden. Im Erfolgsfall möchte Michael Tubbs die Zahl der Empfänger ausweiten, was angesichts der nach wie vor angespannten Finanzlage kaum ohne auswärtige Investoren möglich wäre.

Video: srf

Allerdings ist das Grundeinkommen im Silicon Valley ein grosses Thema. Mark Zuckerberg, Elon Musk und Richard Branson gehören zu seinen Befürwortern. Es gilt als Gegenmittel für mögliche Jobverluste aufgrund der digitalen Disruption. Das Unternehmen Y Contributor, das Startups Anschubhilfe gewährt, plant ein deutlich grösseres Experiment als jenes in Stockton.

In Oakland, der «armen» Nachbarstadt von San Francisco, sollen 3000 Personen einbezogen werden, berichtet der Fernsehsender CNBC. 1000 Leute sollen 1000 Dollar pro Monat erhalten, und das während bis zu fünf Jahren. 2000 weitere Personen sollen als Kontrollgruppe 50 Dollar erhalten. Mit diesem «Feldversuch» soll der Effekt des Grundeinkommens erforscht werden. (pbl)

Apple, Google und Facebook bauen monumentale Hauptquartiere

1 / 15
Apple, Google und Facebook bauen monumentale Hauptquartiere
Apple hat über 200 Milliarden US-Dollar auf der hohen Kante. Damit leistet man sich nun ein neues Hauptquartier in Raumschiff-Optik.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Denk-mal
20.10.2017 15:05registriert August 2015
Sind halt lauter Dagobert Ducks, welche nicht richtig besteuert werden, vor Ort.
295
Melden
Zum Kommentar
9
Wer seine Lebensmitteleinkäufe mit der App des Bundes verzollt, zahlt zu viel
Einkaufstouristen können die Mehrwertsteuer statt am Zoll bequem mit einer App des Bundes bezahlen. Der Haken: es kommt sie unter Umständen teurer zu stehen als am Schalter. Der Bund will das erst 2027 ändern – trotz geplanter Senkung der Freigrenze.

Ein Nutzer lässt seinem Frust freien Lauf. «Reinste Abzocke» sei das, kritisiert er, und bilanziert: «App unbrauchbar». Auslöser des Ärgers ist die sogenannte Quickzoll-App des Bundes, mit der Privatpersonen Waren verzollen können: Einkaufstouristen können mit der App die Mehrwertsteuer sowie allfällige Zollabgaben beispielsweise für Fleisch oder Wein berechnen lassen und gleich bezahlen.

Zur Story