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Sexshop Pratteln vor Gericht: Gehört ein Dildo zum täglichen Bedarf?

Sexshop Pratteln vor Gericht: Gehört ein Dildo zum täglichen Bedarf?

Verkäuferinnen im Erotikmarkt der Autobahnraststätte Pratteln dürfen sonntags nicht arbeiten, befindet das Baselbieter Kantonsgericht – die Produkte entspräche keinem Grundbedürfnis.
27.04.2016, 18:2028.04.2016, 18:04
Patrick Rudin / bz Basellandschaftliche Zeitung
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Dient laut Gericht nicht dem «Grundbedürfnis des Autobahnverkehrs»: Der Erotikmarkt an der Autobahnraststätte Pratteln muss den Sonntagsverkauf einstellen. Ken © Kenneth Nars
Dient laut Gericht nicht dem «Grundbedürfnis des Autobahnverkehrs»: Der Erotikmarkt an der Autobahnraststätte Pratteln muss den Sonntagsverkauf einstellen. Ken © Kenneth Nars

Das Staunen war gross, als vor rund zwei Jahren das Kiga Baselland bei der Prattler Autobahnraststätte eine Kontrolle durchführte und dabei feststellte, dass im Erotikmarkt am Sonntag illegal Arbeitnehmer beschäftigt werden: Es gab keine Ausnahmebewilligung für die Sonntagsarbeit.

Die Sache ist allerdings kompliziert: Die Raststätte hat eine Bewilligung des Bundes als Nebenanlage zur Autobahn und muss sich daher nicht an Kantonale Vorschriften über die Öffnungszeiten halten. Doch die Verfügung von 1976 erwähnt explizit, dass Vorschriften des Arbeitsgesetzes dennoch gelten.

Die Magic X Retail AG als Betreiberin des Erotikgeschäfts argumentiert, die Bewilligung von 1976 gelte auch für die erweiterten Arbeitszeiten, denn ein offener Laden ohne Verkaufspersonal wäre absurd. Ausserdem sei das Angebot «klarerweise auf die spezifischen Bedürfnisse der Reisenden ausgerichtet», schreibt die Firma in ihrer Rechtsschrift.

Die Sache mit der Prüderie

Damit spielt sie auf die wesentliche Verordnung zum Arbeitsgesetz an: Explizit werden dort Tankstellenshops vom Sonntagsarbeitsverbot ausgenommen, und auch «Betriebe für Reisende» an Bahnhöfen oder Flughäfen sowie an Grenzorten dürfen ihre Mitarbeiter am Sonntag arbeiten lassen. Offenbar stufte der Kanton Baselland vor vielen Jahren die Raststätte offiziell als «Grenzort» ein, will davon aber heute nichts mehr wissen.

Die Firma will am Sonntag weiterhin Angestellte beschäftigen und zog die Sache vor das Baselbieter Kantonsgericht. Kantonsrichter Beat Walther ärgerte sich am Mittwoch ebenfalls, dass offenbar nicht alle Läden gleich behandelt würden. «Man hatte wohl die prüde Brille auf und wollte hier ein Exempel statuieren. Hygienische Artikel wie etwa Präservative gehören natürlich viel mehr zu einem Warenangebot, auf das der Reisende angewiesen ist, als etwa eine Uhr, die man nicht unbedingt an einem Sonntag kaufen muss. Man muss sämtliche Geschäfte, die dort sind, mit dem selben Masstab messen. Sonst verfällt man in Willkür», sagte Walther. Das Thema sei sehr heikel, weil dort viele Geschäfte am Sonntag den grössten Umsatz machen und bei einer kompletten Neubetrachtung der Bewilligungen wohl auch Entlassungen die Folge wären.

Die anderen vier Kantonsrichter räumten zwar teilweise ein, dass die Situation unbefriedigend sei, lehnten aber die Beschwerde der Shopbetreiberin mit vier gegen eine Stimme dennoch ab.

In Würenlos ist's erlaubt

«Offenhalten ohne Schaffen, das ergibt keinen Sinn. Grundvoraussetzung ist aber, dass die Geschäfte dem Grundbedürfnis des Autobahnverkehrs dienen. Man will dort keine Supermärkte», meinte etwa Kantonsrichter Claude Jeanneret. In Würenlos sei die Situation anders: Dort liege der Erotik-Shop direkt neben der Migros und bilde damit eine Einheit.

«Sonntagsarbeit ist grundsätzlich verboten, und die Ausnahmen sind restriktiv auszulegen», mahnte Gerichtspräsidentin Franziska Preiswerk. Der Arbeitnehmerschutz sei hier höher zu gewichten, auch deshalb sei die Beschwerde abzulehnen.

Und was ist mit Läckerli?

Jetzt auf

Die unterlegene Shopbetreiberin kann den Entscheid noch weiterziehen. Wird er hingegen rechtskräftig, muss sie innerhalb von 60 Tagen auf Ende Monate ihre Sonntagsverkäufe einstellen.

Auch für andere Läden in der Raststätte dürfte es ungemütlich werden: Die Kantonsrichter forderten das Kiga zu weiteren Kontrollen auf. Claude Jeanneret sagte beispielsweise, auch das «Läckerli Huus» sei mit seinem Angebot nicht explizit auf den Bedarf von Reisenden ausgerichtet. (bzbasel.ch)

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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koks
27.04.2016 18:58registriert August 2015
Der Erotik-Laden halt schlicht nicht dieselbe Lobby wie das Läckerli-Huus mit Martullo und ihrer SVP.
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JoJodeli
27.04.2016 20:16registriert September 2015
Meine Güte, natürlich gehört das alles zum Grundbedürfnis;)
Unglaublich. Na dann ist ja gut dass sie Dank des Arbeitnehmerschutz die Angestellten dann entlassen müssen oder deren Pensum kürzen! Man kann sich das Zusammenleben schon mühsam gestalten
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