Mit einer schnellen Reaktion bekommt Bronny James geradeso die linke Hand an den Pass des Gegners. Nachdem er sichergestellt hat, dass der abgelenkte Ball bei einem Mitspieler landet, startet der junge Basketballer sofort in die Offensive. Hinter der Dreierlinie stehend bekommt er den Ball und versenkt ihn sicher im Korb. Bei diesem Spielzug zeigt James genau, was er verkörpern will: Defensivqualität und Wurfstärke.
Bronny James snatched the 🏀 and drilled the corner three to put @SouthBayLakers within one against @GLeagueWarriors! 👏 pic.twitter.com/Lu92qDbBHt
— NBA G League (@nbagleague) March 26, 2025
«Ich glaube, dass er sich als ‹3-and-D-Spezialist› sieht», sagt Rob Pelinka, General Manager der Los Angeles Lakers, bei denen LeBron James Jr. wie sein Vater unter Vertrag steht. Dreier und Defensive soll dieser Spielertyp dem Team bringen. Und das tut der 20-Jährige in letzter Zeit immer häufiger, wie das Highlight vom Spiel in der Nacht auf Mittwoch zeigt. Mit seinem Dreier verkürzte er den Rückstand auf einen Punkt. Am Ende trug er 17 Zähler sowie neun Assists zum 134:130-Sieg des Farmteams South Bay Lakers gegen die Santa Cruz Warriors bei.
Noch besser präsentierte er sich im Spiel davor. Mit 39 Punkten erreichte er einen neuen Karrierebestwert, zwei Drittel seiner Würfe fanden das Ziel, ausserdem nahm er dem Gegner viermal den Ball ab. Als sich die Warriors im nächsten Spiel dann folgerichtig stärker auf ihn fokussierten, bediente James halt seine Mitspieler und war so beim 122:118-Sieg erneut eine wichtige Figur. Zwar spielt er vorwiegend noch in der G-League, der Entwicklungsliga der NBA – ähnlich der AHL im Eishockey. Doch er durfte zuletzt aufgrund der Verletzungsmisere der Lakers auch bei den Profis häufiger ran. Und dabei überzeugte er zumindest phasenweise.
Gegen Denver gelang ihm ein Dreier über Nikola Jokic, den derzeit wohl besten Basketballspieler der Welt. Sein bisher bestes Spiel in der NBA machte er dann am letzten Donnerstag. Dabei setzte ihn Trainer J. J. Redick fast eine halbe Stunde lang ein. James zahlte das Vertrauen mit 17 Punkten bei einer hervorragenden Trefferquote von 70 Prozent sowie fünf Vorlagen zurück. «Er ist aus einem guten Grund hier», stellte Papa LeBron danach klar.
In den Augen vieler Kritiker ist der Grund dafür, dass Bronny James von den Lakers im letzten Draft an 55. Stelle gewählt wurde, aber ebenjener LeBron James. Sein Team habe dem vierfachen Meister und besten Punktesammler der NBA-Geschichte einen Gefallen machen wollen. Ohne den berühmten Vater wäre Bronny hingegen nie zum Profi geworden. Begründet wurden diese Behauptungen meist mit den wenig beeindruckenden Leistungen am College. Seine ernüchternden Zahlen an der University of Southern California? 4,8 Punkte, 2,1 Assists und 2,8 Rebounds pro Spiel. Und das bei miserablen Trefferquoten von 36,6 Prozent aller Würfe und 26,7 Prozent bei Dreiern.
Dabei wurde aber häufig ausser Acht gelassen, dass Bronny James vor seiner einzigen Saison am College im Training einen Herzstillstand erlitten hatte und reanimiert worden war. James war klinisch tot und musste gar ins künstliche Koma versetzt werden. Vor dem Schreckmoment im Juli 2023 galt er für viele Experten als potenzieller Erstrundenpick und hielt es ESPN-Draft-Analyst Jonathan Givony gar für möglich, dass James an zehnter Stelle gewählt würde.
Dennoch war der Aufschrei gross, als die Lakers den Sohn ihres Superstars unter Vertrag nahmen. Als gäbe es so spät im Draft noch Spieler mit garantierter NBA-Zukunft. Die Kritik verstärkte sich, als Bronny in der Vorbereitung und zum Saisonstart Probleme hatte. Ende Januar appellierte ESPN-Grossmaul Stephen A. Smith an LeBron James: «Hör auf damit! Wir alle wissen, dass Bronny James wegen seines Vaters in der NBA ist. Du stellst deinen Sohn bloss!» Der sei schlicht nicht bereit für die beste Basketballliga der Welt, meinte Smith und hatte zu diesem Zeitpunkt auch gute Argumente. In seinen ersten 13 Spielen verwandelte James nur einen seiner 16 Würfe. Es deutete einiges darauf hin, dass ein Verbleib am College für seine Entwicklung besser gewesen wäre.
Scheinbar treibt er diese aber auch auf höherem Level voran. Trainer Redick lobte zuletzt: «Er hat sich als Spielmacher enorm verbessert. Und zwar nicht nur als Passgeber, sondern auch beim Kreieren von Würfen oder in der Entscheidungsfindung im Spiel mit und ohne Ball.» Ausserdem würde er fantastisch trainieren und zeige grösseres Selbstvertrauen sowie mehr Aggressivität im Spiel.
Von jeglichen Weggefährten ist über den Charakter vom jüngeren LeBron James nur Gutes zu hören. Jedes Mal, wenn ihn GM Pelinka ins Farmteam beordere, reagiere James positiv und zustimmend. «Er scheint keinen Tag für selbstverständlich zu halten», sagte Pelinka zu «The Athletic» und fügte an: «Er geniesst wirklich jeden Tag und es ist schön, solche Leute im Team zu haben.»
Seinen Coach fasziniere zudem der Umgang mit der Kritik und dem Rampenlicht. «Von Anfang an hat mich beeindruckt, was er für ein Mensch ist. Wie er mit dem Bullshit umgeht, der auf ihn einprasselt, nur aus dem Grund, wer sein Vater ist», erklärte Redick. Dass Bronny James unter diesen Umständen einen kühlen Kopf bewahre, «sagt viel über ihn aus und darüber, wie ihn seine Familie erzogen hat».
Bronny selbst erklärt sein Rezept so: «Ich versuche, die Kritik im einen Ohr rein und im anderen wieder rauszulassen, den Kopf zu senken, zur Arbeit zu gehen und jeden Tag positiv zu sein.» Manchmal sporne ihn diese aber auch an. «Ich sehe alles, was die Leute sagen. Sie denken, dass ich ein Roboter ohne Gefühle und Emotionen bin. Aber ich nutze das als Motivation, jeden Tag besser zu werden», so James. Mit diesem Mindset erinnert er auch an seinen Vater.
In der G-League kommt er nach zehn Spielen im Schnitt auf 22,4 Punkte und 5,1 Assists, bei den Dreipunktewürfen hat er eine Trefferquote von 37,5 Prozent. Lakers-Trainer Redick zeigt sich zuversichtlich: «Als wir zum ersten Mal zusammen gearbeitet haben, wusste ich, dass er ein NBA-Spieler wird. Und das glaube ich noch immer. Er wird ein überdurchschnittlicher bis sehr guter Werfer.»
Nach Bronnys letzten Leistungen gab selbst Stephen A. Smith zu: «Ich habe womöglich falschgelegen. Ich war sehr beeindruckt, weil ich ein gesteigertes Selbstvertrauen gesehen habe. Nichts hat ihn beunruhigt, er wirkte nicht mehr so nervös wie bei seinen ersten Auftritten. Er sah aus wie jemand, der dort hingehört.» Bronny James begründet seine Verbesserung ebenfalls mit dem wachsenden Selbstvertrauen. «Nach dem Schreck, der passiert ist, war es schwierig, mit gutem Selbstbewusstsein zurückzukommen. Aber es half, wieder aufs Feld zu gehen und Erfahrungen zu sammeln.»
Vorerst wird James weiterhin zwischen NBA und G-League pendeln – auch das wird ihm in seiner Entwicklung helfen. Ebenso wie das Training mit seinem Vater, das es nach der Saison wieder häufiger geben soll. Und vielleicht stehen die beiden in Zukunft ja vermehrt gemeinsam auf einem NBA-Court. Noch ist Bronny zwar ein gutes Stück davon entfernt, sich bei den Lakers zu etablieren. Doch so langsam scheint klar, dass die Kritik an ihm überzogen war und er dort hingehört, wo er jetzt ist.