Zinsen in der Schweiz bleiben tief

Zinsen in der Schweiz bleiben tief

02.01.2019, 11:08

Die Schweiz startet 2019 in das fünfte Jahr mit Negativzinsen - und es dürfte wohl nicht das letzte sein. Denn unter Wirtschaftsexperten mehren sich die Stimmen, die eine lange Phase mit negativen oder sehr niedrigen Zinsen für möglich halten - ähnlich wie in Japan.

Ein solches «japanisches Szenario» könnte besonders dann zur Realität werden, wenn sich die Konjunktur in Europa in den kommenden Monaten eintrübt und die Notenbanken nicht mit den erwarteten Zinserhöhungen beginnen.

SNB warnt vor Schäden

Doch ein Festhalten am Status Quo und damit einem Leitzinsniveau von minus 0.75 Prozent dürfte die bereits aufkeimende Kritik an der lockeren Geldpolitik noch verstärken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) selbst warnt vor möglichen Schäden durch die niedrigen Zinsen am Immobilienmarkt und weiss von den Problemen der Pensionskassen, noch angemessene Renditen zu erzielen.

«Der Druck aus dem Negativzinsumfeld auszusteigen ist da. Die Kumulation von Risiken lässt das momentan nicht zu», sagte der UBS-Ökonom Daniel Kalt. Dazu zählen politische Konflikte in der Euro-Zone ebenso wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, der dem globalen Aufschwung einen Dämpfer versetzen könnte.

«Eine nachhaltige Erholung der Zinsen kann nur gelingen, wenn der Wirtschaftsaufschwung noch drei Jahre anhält. Da darf nichts geschehen, da muss die Wirtschaft weltweit weiter brummen», sagte Kalt.

Anhaltend tiefe Zinsen

Ein Szenario, bei dem die Zinsen auch in den kommenden fünf bis sieben Jahren um die Nulllinie pendeln, halte er daher für sehr plausibel. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein. ING-Analystin Charlotte de Montpellier und Credit-Suisse-Ökonom Oliver Adler, teilen diese Meinung.

«Ich glaube, es ist nicht auszuschliessen, dass wir auf Jahre Null- oder Negativzinsen haben», sagte Adler. Die SNB hatte bei ihrer jüngsten Lagebeurteilung Mitte Dezember die Erwartungen für eine erste Zinserhöhung nach hinten verschoben, indem sie ihre Inflationsprognose senkte.

Japanische Zustände

In Japan hat die Notenbank nach dem Platzen der Aktien- und Immobilienblase in den 90er-Jahren ihre Zinsen sukzessive gesenkt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten pendeln sie nun um die Nulllinie - selbst in der Boomphase vor der Finanzkrise 2008 kamen sie nicht nachhaltig darüber hinaus.

Damit einher ging ein verhaltenes Wirtschaftswachstum und eine schrumpfende Bevölkerung. In der Schweiz pendelt der Leitzins seit der Finanzkrise um die Schwelle von null Prozent - und ist seit Anfang 2015 negativ.

Doch die Wirtschaft entwickelt sich tendenziell besser und die Bevölkerung wächst - auch dank der zwischenzeitlich starken Zuwanderung. Von einem «japanischen Szenario» sprechen die Experten also vor allem mit Blick auf die Zinsentwicklung.

Starker Franken

In dem Zusammenhang verweist Adler auf grundsätzliche Unterschiede zwischen den Ländern. «Der Grund, dass die Zinsen in der Schweiz so tief sind, ist nicht eine langanhaltende Stagnation wie in Japan, sondern der starke Franken», sagte er.

Die SNB ist an einem möglichst schwachen Franken interessiert, um die exportabhängige Wirtschaft zu stützen. Ihre Geldpolitik mit Negativzinsen und Eingriffen am Devisenmarkt ist darauf ausgerichtet, den Franken zu schwächen.

Dieser gilt bei Investoren als «sicherer Hafen» in unruhigen Zeiten und ist daher vor allem bei politischen Turbulenzen in der Euro-Zone wie jüngst in Italien oder Frankreich gefragt. «Eine Beruhigung der Lage ist daher notwendig, bevor die SNB an eine Normalisierung der Zinsen denken wird», sagte Markus Thöny, Senior Portfolio Manager bei der Privatbank Lombard Odier.

Fokus auf die Euro-Zone

Zudem erwarten viele Experten, dass die SNB eine Zinserhöhung in der Euro-Zone abwarten wird, bevor sie nachzieht. Dort liegt der Leitzins seit geraumer Zeit bei null.

Hört man auf die Einschätzung der Experten, ist also Abwarten angesagt - trotz der zunehmenden Kritik an den Negativzinsen, die im vergangenen Jahr auch von prominenter Seite wie von Finanzminister Ueli Maurer oder UBS-Chef Sergio Ermotti kam.

«Die Stimmen, die öffentlich das Ende der Negativzinsen fordern, werden 2019 lauter werden», prognostizierte Thomas Stucki, Chefanlagestratege der St. Galler Kantonalbank. Das werde die SNB aber nicht gross beeindrucken, glaubt UBS-Ökonom Kalt. (sda/reu)

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