Bundesrat will Klimaschutz mit Entwicklungshilfegeldern finanzieren

Bundesrat will Klimaschutz mit Entwicklungshilfegeldern finanzieren

10.05.2017, 12:56

Der Bundesrat will Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern mehrheitlich aus dem Entwicklungshilfebudget finanzieren. Das geht aus einem Bericht hervor, den er am Mittwoch gutgeheissen hat.

Ab 2020 wird die Schweiz laut dem Bundesrat voraussichtlich zwischen 450 und 600 Millionen US-Dollar jährlich für Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern ausgeben, ähnlich viel wie bisher.

Die Industrieländer hatten 2010 beschlossen, ab 2020 gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bereitzustellen, um in Entwicklungsländern Massnahmen gegen Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu finanzieren. Die Vereinbarung wurde 2015 an der Klimakonferenz von Paris bestätigt.

Faire Beteiligung selber bestimmen

Wie viel jedes Land beitragen muss, wurde bisher nicht festgelegt. Die Industrieländer seien daher gefordert, ihren fairen Anteil selber zu bestimmen, schreibt der Bundesrat. Er geht davon aus, dass sich der faire Beitrag der Schweiz an das kollektive Finanzierungsziel ab 2020 auf jährlich 450 bis 600 Millionen US-Dollar belaufen dürfte.

Berücksichtigt wurden für diese Schätzung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schweiz sowie die von der Schweiz direkt verursachten Treibhausgasemissionen. Werden beide Kriterien gleich stark gewichtet, liegt der Betrag bei 600 Millionen. Wird das Verursacherprinzip stärker gewichtet, resultiert eine tiefere Zahl.

Aus dem Entwicklungshilfekredit

Der Beitrag der Schweiz werde sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Mitteln bestehen, hält der Bundesrat fest. Nach seiner Ansicht sollen die öffentlichen Mittel wie bisher vor allem aus den Rahmenkrediten für die internationale Zusammenarbeit und ergänzend aus dem Rahmenkredit Globale Umwelt stammen.

Daneben will der Bundesrat «einen massgeblichen Teil» über die Mobilisierung privater Mittel leisten. Zu diesem Zweck werde er prüfen, welche Instrumente und Partnerschaftsmodelle vermehrt eingesetzt werden könnten, um den Privatsektor für klimafreundliche Investitionen in Entwicklungsländern zu mobilisieren.

Weniger Geld für andere Projekte

2014 hat die Schweiz insgesamt rund 300 Millionen US-Dollar an öffentlichen Mitteln aufgewendet. Zudem hat sie rund 100 Millionen Dollar private Klimainvestitionen mobilisiert, vor allem über ihr Engagement in den multilateralen Entwicklungsbanken. Die Zahlen zu den Jahren 2015 und 2016 sollen Ende des Jahres veröffentlicht werden.

Fest steht, dass in den letzten Jahren immer mehr Entwicklungshilfegelder in Klimaschutzmassnahmen flossen. 2014 waren es über 8 Prozent. Entsprechend steht für andere Projekte weniger Geld zur Verfügung. Eine Erhöhung des Gesamtbudgets hält der Bundesrat aber für «nicht realistisch». Er weist auf die angespannte Finanzlage des Bundes und die politischen Mehrheiten im Parlament hin.

Einnahmen «kaum realisierbar»

Eine andere Möglichkeit wären zusätzliche Einnahmen. In einem Bericht von 2011 hatte die Bundesverwaltung verschiedene Optionen dargelegt, darunter eine Erhöhung der Mineralölsteuer, eine Abgabe auf fossilen Treibstoffen und eine Zweckbindung der bestehenden CO2-Abgabe.

Der Bundesrat will diese Optionen aber offenbar vorerst nicht weiterverfolgen. Er hält sie für «kaum realisierbar», da eine Verfassungsänderung nötig wäre, wie er im Bericht schreibt. Die Schweiz werde sich indes auf internationaler Ebene an den Diskussionen über international koordinierte verursachergerechte Finanzierungsinstrumente beteiligen.

Enger Zusammenhang

Die Finanzierung über öffentliche Entwicklungshilfegelder ist aus Sicht des Bundesrates gerechtfertigt, weil Klimaschutz und Armutsbekämpfung eng miteinander verknüpft sind. Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit beeinflussten sich wechselseitig, heisst es im Bericht.

Die Schweiz lehne daher - wie die anderen Industrieländer - die Interpretation einzelner Entwicklungsländer ab, wonach nur als Klimafinanzierung gelten solle, was ein Staat über das UNO-Ziel einer Entwicklungshilfequote von 0.7 Prozent des Bruttonationaleinkommens leiste.

Hilfswerke enttäuscht

Die sechs grossen Schweizer Hilfswerke kritisieren den Bericht. Dieser enttäusche auf der ganzen Linie, schreibt Alliance Sud in einer Mitteilung. Der Bundesrat rede die Höhe der Schweizer Beiträge klein und streue dem Parlament damit Sand in die Augen. Aus Sicht der Hilfswerke ist mit Schweizer Beiträgen von über einer Milliarde Franken zu rechnen.

Weiter kritisiert Alliance Sud die Finanzierung über das Enwicklungshilfebudget. Der Bundesrat greife mehr und mehr in die schrumpfende Kasse der Entwicklungszusammenarbeit, statt verursachergerechte Ansätze für die Mobilisierung neuer Mittel zu prüfen. Das gehe auf Kosten der Armutsbekämpfung. «Vor fünf Jahren waren wir weiter», stellt Alliance Sud mit Blick auf den früheren Bericht fest. Der Ball liege nun beim Parlament. (sda)

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