Fast jeder hat es schon einmal erlebt: Du wanderst oder radelst in den Ferien einem bestimmten Ziel entgegen. Dabei kommt dir im Nachhinein der Rückweg oftmals viel kürzer vor als der Hinweg. Oder du fährst mit dem Zug oder Auto eine unbekannte Strecke: Auch hier erscheint vielen die Heimfahrt weniger lang als die Anfahrt. Obgleich Reisezeit und Distanz identisch sind.
Ist das nur eine falsche Wahrnehmung, weil viele – gerade nach einem Urlaub – ein wenig traurig gestimmt sind, dass der Alltagstrott sie wieder hat? Oder steckt mehr dahinter?
Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass vielen die Rückfahrt deshalb kürzer vorkommt, weil die Strecke schon von der Hinfahrt bekannt ist. Bereits Anfang der 2010er-Jahre fanden Forscher allerdings eine andere Erklärung für diese verzerrte Zeitwahrnehmung. Unsere Erwartungshaltung führe zu einem sogenannten Rückreiseeffekt.
«Die Zeit, die wir für die Anreise benötigen, unterschätzen wir oft und empfinden sie deshalb als lang – auf der Rückreise ist dann das Gegenteil der Fall», sagte Niels van de Ven von der Universität Tilburg damals im «Psychonomic Bulletin & Review».
Hierzu führte sein Forscherteam aus den Niederlanden und den USA einen Versuch mit 350 Teilnehmern durch. Die erste Gruppe schickten sie auf eine Busreise, die zweite auf eine Radtour und die dritte Gruppe schaute sich im Labor das Video einer Radtour an.
Bei allen drei Gruppen wurde das Phänomen Rückreiseeffekt noch einmal deutlich: Nach einer intensiven Befragung empfanden sowohl die Businsassen als auch die Radler und Laborteilnehmer die Rückfahrt um durchschnittlich 22 Prozent kürzer als die Hinfahrt. Und: Das verzerrte Zeitgefühl war bei den Versuchsteilnehmern besonders intensiv, welche die Anreise als besonders lang empfanden.
Es gebe jedoch noch weitere Einflüsse, sagt Isabell Winkler. Die Psychologin untersucht unter anderem die menschliche Zeitwahrnehmung an der Technischen Universität (TU) Chemnitz. Auch unterschiedliche individuelle Emotionen sind dafür verantwortlich, dass vielen die Rückfahrt oftmals kürzer erscheint.
So kann es sein, «dass wir uns auf die Fahrt oder das Ziel freuen und den Weg mit seinen vielfältigen Überraschungen und Etappenstopps besonders gut im Gedächtnis abspeichern», sagte Winkler dem Online-Wissenschaftsportal Spektrum. «Der Rückweg – wenn die aufregende Reise leider zu Ende geht – erscheint dagegen eher vertraut.» (t-online/ron)