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Schweiz: Was nützt die CO2-Abgabe bei Flügen wirklich?

ZUM FLUGHAFEN ZUERICH IM DAEMMERLICHT UND BEI NACHT STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- An Airbus A320-214 aircraft from Swiss International Air Lines (SWISS) at Zurich A ...
Was überwiegt durch die CO2-Abgabe: Nutzen oder Schaden?Bild: KEYSTONE

Was nützt die CO2-Abgabe bei Flügen wirklich?

Der Ständerat will durch CO2-Abagben das Klima schützen. Fachleute stehen dem Vorschlag sehr skeptisch gegenüber – der Ansatz könnte dem Klima sogar noch mehr schaden als bisher.
13.10.2019, 06:1213.10.2019, 13:32
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Derzeit geniessen viele Schweizer ihre Herbstferien. Es heisst nochmals Sonne tanken, damit der Winter gut überstanden werden kann. Dafür wird geflogen – nach Kreta oder Mallorca beispielsweise. Die neusten Zahlen vom Flughafen Zürich sind beeindruckend: Rund 2.9 Millionen sollen es alleine im September gewesen sein, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.

Dem Ständerat ist dieser Trend ein Dorn im Auge, weshalb das Fliegen künftig teurer werden soll. Die Flugticketabgabe soll Abhilfe schaffen. Bei Kurzstrecken soll eine Lenkungsabgabe von 30.- CHF und bei Langstreckenflügen sogar von 120.- CHF erhoben werden. Im Vergleich mit den Ökosteuern unserer Nachbarländer ist die Abgabe deutlich höher.

Doch diese Massnahme soll nicht nur dem Klima zugute kommen: Die geschätzten 1,2 Milliarden an Einnahmen werden zur einen Hälfte an die Bevölkerung zurückverteilt. Die andere Hälfte fliesst in einen Klimafonds.

Gemäss FDP-Ständerat Damian Müller werden die Abgaben insbesondere bei den Kurzstrecken einen erheblichen Impact haben: Er rechnet mit einem Rückgang der Flugreisen von 10 Prozent. Doch sinkt durch die Abgabe tatsächlich die CO2-Produktion?

Damian Mueller, FDP-LU, spricht waehrend der Debatte um die Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 25. September 2019 in Bern. (K ...
Damian Müller ist sich sicher: Die CO2-Abgabe wird den Flugverkehr eindämmen.Bild: KEYSTONE

Die Schätzungen sind auf eine Prognose des Bundesamtes für Umwelt gestützt («Preiselastizität bei der Flugticketabgabe» vom März 2019), die von enorm vereinfachten Annahmen ausgeht. Auf diesen Annahmen basierend wird geschätzt, welche Abgabesätze die Nachfrage der Passagiere inwiefern beeinflusst.

Unter Experten wird diese vereinfachte Rechnung stark kritisiert und Fehlschlüsse sind durchaus möglich. «Es ist fraglich, ob eine Reduktion der CO2-Emissionen der Luftfahrt mit den vom Ständerat beschlossenen Massnahmen erreicht wird», sagt Urs Ziegler gegenüber der «NZZ am Sonntag». Er ist Leiter der Sektion Umwelt beim Bundesamt für Zivilluftfahrt und ein international anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet.

«Die heutigen Flugzeuge werden weiterhin im Betrieb sein, und es werden weiterhin die heutigen Strecken angeboten. Die CO2-Emissionen reduzieren sich nur marginal.»

Die Sache ist um einiges komplexer, wie Ziegler betont. Eine Reduktion der Passagiere bedeutet nicht automatisch auch einen Rückgang der Flüge – die Airlines reagieren unterschiedlich auf den Rückgang einer Passagiergruppe. Das bestätigt auch eine Sprecherin der Swiss. Mit der schlechteren Auslastung sinkt die Rentabilität – eine Airline würde dem jedoch sicherlich entgegenzuwirken versuchen.

Ein Beispiel wäre, dass versucht wird, mehr ausländische Umsteige-Passagiere auf Langstreckenflüge zu bekommen – diese Passagiere sind nämlich von den Öko-Steuern befreit. Dadurch könnte eine Preisreduktion im Ausland abgefedert werden. Die Swiss dazu in der «NZZ am Sonntag»: «Die heutigen Flugzeuge werden weiterhin im Betrieb sein, und es werden weiterhin die heutigen Strecken angeboten. Die CO2-Emissionen reduzieren sich nur marginal».

Mit höheren Lärmgebühren sollen die Anwohner des Flughafens Zürich besser vor Lärm geschützt werden. Die Swiss fürchtet nun um ihre Wettbewerbsfähigkeit. (Archiv)
Auch bei der Swiss ist man skeptisch, ob die Lenkungsabgabe die gewünschte Wirkung hat.Bild: KEYSTONE

Ein weiterer Faktor, der dem Klima bestimmt nicht zugute kommt: Schweizer Passagiere, die mit hohen Kosten für Langstreckenflüge konfrontiert sind, würden sich für günstigere Umsteigerangebote entscheiden. Mit anderen Worten würden sie über Umwege an ihr Hauptziel fliegen. Direktflüge schaden dem Klima jedoch deutlich weniger als Flüge mit Zwischenstopps.

Bei den Experten ist das Unverständnis gross: «Es ist frustrierend zu sehen, wie Gesetze entworfen werden, ohne wesentliche Zusammenhänge im Bereich zu verstehen oder sie absichtlich zu ignorieren». Die Worte zur «NZZ am Sonntag» von Andreas Wittmer, Aviatik-Professor der Universität St. Gallen.

Es besteht weiter die Gefahr, dass der Hub-Standort Zürich durch die Teuerung geschwächt wird – was eine Auswirkung auf die Schweizer Wirtschaft haben könnte. Unter dem Strich sind die Gegner der Öko-Abgabe der Meinung, dass der CO2-Ausstoss dadurch nicht reduziert, der Wirtschaftsstandort jedoch geschwächt werde.

Doch was sagen neutrale Experten? Markus Schubert und Philipp Böck sind Aviatik-Experten der deutschen Beratungsfirma Intraplan und haben bereits mehrfach im Auftrag des Bundesamtes für Zivilluftfahrt für die Schweizer Luftfahrt eine Wettbewerbsanalyse im internationalen Vergleich durchgeführt.

Die beiden Deutschen finden die Einschätzung von Damian Müller – einen Rückgang der Flüge um 10 Prozent – durchaus realistisch. Sie betonen jedoch, dass Ausweicheffekte bei Passagieren und Airlines eine Minderung des CO2-Ausstosses «zunichte machen».

«Die Klima-Abgabe hat deshalb ein erhebliches Schadenpotenzial.»

Alarmierend ist für Schubert und Böck die Tatsache, dass der Flughafen Zürich im internationalen Wettbewerb einen schwierigen Stand hat. «Wir wollen nicht alarmistisch klingen. Aber der Zürcher Flughafen ist sicher verletzlicher als andere europäische Umsteigeflughäfen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit kann nur noch mit grosser Anstrengung aufrechterhalten werden. Die Klima-Abgabe hat deshalb ein erhebliches Schadenpotenzial», wie die Experten der «NZZ am Sonntag» bestätigen.

Es ist fraglich, inwiefern die CO2-Abgabe dem Klima wirklich nützt. Was sehr wahrscheinlich ist, ist dass der Flughafen Zürich mit kreativen Lösungen auftrumpfen müsste, um seine Position und damit auch die Position des Wirtschaftsstandortes Schweiz nicht zu schwächen.

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176 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Saraina
13.10.2019 08:09registriert August 2016
Endlich ein vernünftiger Artikel!

In Wirklichkeit kommt der grösste Teil des CO2 Ausstosses eh nicht vom Endverbraucher. Die Steuer ist reine Pflästerlipolitik, die dem Stimmbürger das Gefühl geben soll, „es werde etwas gemacht“. Massiver und internationaler Druck auf die Förderfirmen, die ihre Eigentümer, Äktionäre und Regierungen, bereichern, wäre weitaus zielführender. Und ohne Druck sehen diese keinen Grund, wieso sie Förderung, Verarbeitung und Transport auf einen weniger umweltschädlichen Standard bringen sollen.
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Hans12
13.10.2019 08:07registriert September 2019
Was wollen wir? Die Umwelt retten, oder das Gewissen beruhigen. Die Ökohedonisten denken, mit ein bisschen Vorbildfunktion und ein paar Plastiktüten in der CH lässt sich was bewirken. Oft höre ich „besser als nichts“, dabei wird dann bei nächster Gelegenheit doppelt überkompensiert. Will man noch etwas tun braucht es wirksame Maßnahmen: 1. Kampf dem Geburtenüberschuss 2. Investitionen in Müllentsorgung 3. Technologie (co2 Rückgewinnung, Kernfusion etc.). Reisen, sprich fliegen, hilft die globalen Probleme zu verstehen. Aber ist halt bequemer Probleme zu erfinden, die wir hier gar nicht haben.
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flying kid
13.10.2019 08:37registriert August 2017
Am Ende ist es dann halt doch einfach "nur" eine weitere Steuer, wie von den Kritikern schon lange gesagt.

Bringen wirds nichts, dann fliegen halt noch mehr Umsteigepassagiere über Zürich und die Schweizer weichen auf München, Frankfürt, Amsterdam, Istanbul, Dubai, etc etc aus.
Damit ist dem Klima sicherlich sehr viel geholfen.
Ende Jahr präsentiert uns der Flughafen ZRH sicherlich neue Rekordzalen betreffend Passagiere im Jahr 2019.
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