Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg wurde bereits viel über den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow geschrieben. Bislang kannte man ihn in erster Linie als «Statthalter» der russischen Teilrepublik, seit Kriegsausbruch präsentiert er sich aber zunehmend als «Bluthund» des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Diesen unrühmlichen Titel verdankt er der brutalen Militärtaktik seiner Armeeleute.
Bekannt ist Kadyrows Brutalität vor allem aus einem Grund: Er inszeniert sich, seine Streitkräfte und deren Einsätze auf allen sozialen Kanälen mit Bildern und teilweise professionell gedrehten Videos, die Klickzahlen in Millionenhöhe erreichen. Seine Kriegspropaganda kombiniert Pathos, oberflächlichen Humor und Desinformationen und wird mittlerweile derart intensiv betrieben, dass bereits vom tschetschenischen «TikTok-Bataillon» gesprochen wird.
Was man da zu sehen kriegt, kommt zumindest aus humoristischer Sicht im Internet gut an: Man sieht Kadyrow, wie er aus dicken Fahrzeugen steigt, seine Männer in lautstarken Reden einpeitscht und sich als Freund und Helfer der Russen zeigt. Die Inhalte hingegen vermitteln nichts anderes als Kriegspropaganda, wie man sie zuvor vom islamistischen Terrorismus in Syrien oder generell vom politischen Islamismus kannte. Ob dabei die gezeigten Szenen echt oder gefälscht sind, ist für die Propagandawirkung irrelevant.
Kriegsbeobachterinnen und -beobachtern sind verschiedene Beispiele aufgefallen, die die offensichtlich gestellte Inszenierung des «TikTok-Bataillons» belegen soll: Ein Video zeigt Kadyrows Leute Hand in Hand mit russischen Soldaten – angeblich aufgenommen in der umkämpften Stadt Mariupol. Die Militärtenues sind aber derart sauber, dass in den Stunden und Tagen zuvor kein Krieg stattgefunden haben kann.
Twitter-User meinen einen Grund dafür gefunden zu haben: Die Tschetschenen hätten, so würden es Bilder belegen, Waschmaschinen mit in die Kriegsgebiete gebracht. Auch wenn die Behauptung amüsiert, kann sie nicht unabhängig überprüft werden: Die Bilder zeigen nicht eindeutig eine angebliche «Waschmaschine» – sie könnten auch etwas anderes sein.
Ein anderes Video soll Kadyrows «tapfere» Truppen im Kampf zeigen. Gegenwehr kassieren sie nicht, was ukrainische Medien nicht überrascht: Sie schreiben, dass die abgeballerte Munition ein leerstehendes Gebäude getroffen habe. Weitere Hinweise für die Inszenierung gibt's zudem vom Kameramann: «Los, los, fangen wir an – ich schiesse!», wird gerufen, kurz bevor tatsächlich auf das bereits zerstörte Haus geschossen wird.
Die ukrainische Gegenseite amüsiert sich über solche Szenen und teilt solche Videos als Belege für «Kadyrows TikTok-Truppe». Andere Internet-Aktivistinnen und -Aktivisten beschäftigen sich derweil mit der Widerlegung dieser Desinformation: Sie konnten belegen, dass Kadyrow mehrere Szenen von seinen eigenen «Einsätzen» im Ukraine-Krieg schlicht erlogen hat.
Ein Bild von ihm, wie er angeblich bei einer ukrainischen Tankstelle neben einem Maschinengewehr betet? Komplett gestellt. Das Foto entstand an einer Pulsar-Tankstelle, die zum russischen Konzern Rosneft gehört und in der Ukraine keine Standorte betreibt. Eine Videoszene, die Kadyrow beim Abkratzen von ukrainischen Armeeklebern zeigt? Wurde bei seinem Präsidentenpalast in Grosny aufgenommen, der über 13 Autofahrstunden von der ukrainischen Grenze entfernt liegt.
(pit)