An meinen ersten Joint erinnere ich mich so gut, als hätte ich ihn gestern geraucht. Ich war 15. Meine Cousine Rada 18. Rada war längst ein Gras-Pro. Wir sassen am Seeufer. Während sie die Tüte drehte, hatte ich Herzklopfen.
Ich zog zwei mal kurz. Einen hysterischen Hustanfall und eine Placebo-Übelkeitsattacke später verbannte ich das Kiffen für die nächsten knapp vier Jahre aus meinem Leben.
Heute gehe ich davon aus, dass alles nur Kalkül war. Rada wollte, dass ich huste. Rada wollte verhindern, dass ich zur Teenie-Kifferin mutierte. Clever gebrüllt, Löwin. High five!
So kam es, dass ich, als Rada entgegen ihrer Versprechungen Marihuana von Zürich nach Belgrad schmuggelte, nüchtern war. So wie auch meine grosse Schwester, die bis heute weder einen Zug von einer Zigarette noch von einem Joint genommen hat.
Nach einer dramatischen Nacht, in der wir nicht wussten, ob Rada den Rest ihres Leben im Belgrader Knast verbringen muss, schaffte es ihr Gras doch noch ins serbische Kuhkaff, wo wir die Hochzeit unseres nervigen Onkels hinter uns bringen mussten.
Im gefühlten 50-Seelen-Dorf erlebten wir erste Sommerferien-Flirts. Rada rauchte da auch ihre erste Zigi mit unseren Cousins auf dem Feld hinter dem Haus unserer Oma.
Im einzigen Kino «downtown», wo wir auf Holzstühlen sassen, kriegte meine Schwester ihren ersten Kuss. Ich wiederum wurde in der Bar neben dem Kino Opfer meines ersten Suffs. Erbrechen inklusive. Sorry, Siz! Es war also ein offenes Geheimnis, dass mit der Anreise der «Schweizer» die Action Einzug hält.
Es war wieder Rada mit ihrem Gras, die unserem Ruf so gerecht wurde, dass man heute noch hinter vorgehaltener Hand über diese eine «Jebi-ga-(Fuck it!)-weisst-du-noch»-Nacht spricht. Die Nacht, in der Rada ein halbes Dorf dopte.
Wir Kids zwischen 15 und Ende 20 trafen uns im Haus eines Nachbarn, dessen Eltern in den Ferien weilten. Sturmfrei hiess saufen, im Garten singen, saufen. Wir stimmten gerade ein Lied an, als Rada das Gras auf den Tisch packte. Stille.
Mit grossen Augen betrachteten die Kids das Peace. Die meisten sahen zum ersten Mal live Dope. Respekt und Faszination trafen aufeinander. Alle wollten sie probieren. Alle wollten sie wissen, wie es ist, high zu sein.
Rada drehte drei dieser sehr langen XL-Joints. Wir warnten unsere Cousins, Cousinen, Cou-Cousins aller Grade, Freunde, Bekannte, Schwärme, Nachbarn und alle anderen Anwesenden vor. Wir legten ihnen ans Herz, vorsichtig an die Sache ran zu gehen. Kleine Züge. Pausen. Aber mach das mal einem Jugo klar!
15 Minuten später erbrach sich Zeljko übers Erdbeerbeet, Stojan legte seinen Kopf auf die Tischplatte, Miroslav schaute apathisch ins Nichts und Srdjan machte mit Gordana rum. Das, obwohl sich die beiden hassten.
Auf dem Klo fand ich Miro vor. Er schwitze und sprach wirres Zeugs. Meine Schwester und ich legten ihn aufs Bett und kühlten seine Stirn. Miros Bruder Pedja nutze die Gunst der Stunde, meiner Schwester unter Tränen zu sagen, dass er sie heiraten wolle.
Die Girls erwischte es auch böse. Alle ausser Gordana kämpften gegen Übelkeit, Erbrechen und Paranoia an. Ich wies Rada darauf hin, nur noch Joints ohne Gras drin zu drehen. Die Jugos, alles Drama-Könige und -Königinnen, fielen auf den Trick rein. Die, welche die Kurve kratzten, sangen und tanzten die ganze Nacht weiter.
Die anderen erzählten unseren Eltern am nächsten Tag, dass sich der Grossteil der Truppe den Magen verdorben habe. Was einen Tsunami des Mitleids auslöste. Während unsere Mütter Suppe kochten, plädierten unsere Väter für Rakija – «räumt den Magen auf».
Seit dieser Nacht sind nun etwas mehr als zehn Jahre vergangen.
Srdjan und Gordana, das knutschende Hass-Paar, hat in der Zwischenzeit geheiratet und drei Kinder bekommen.
Rada sieht sich hier Dank ihres Grases immer noch in der Rolle der Verkupplerin.
Pedja versuchte sich kurzfristig als Drogendealer. Er scheiterte. Ich bin froh, dass er meine Schwester trotz Tränen nicht zum Heiraten überreden konnte.
Mein Vater ist immer noch der Meinung, dass Rakija alle gesundheitlichen Probleme löst.
Rada glaubt's ihm.
Seit dieser Erkenntnis schmuggelt sie nur noch Rakija.