Die Pandemie ist noch längst nicht überstanden. Und das Coronavirus kann fast überall lauern.
Ob es unter solchen Umständen viele Menschen wagen, ihre Sommerferien im Ausland zu verbringen, ist zu bezweifeln. Und doch dürften einige die Grenzen überqueren.
Sicher ist: Alle europäischen Staaten, inklusive der Schweiz, haben es versäumt, rechtzeitig auf die Hauptreisezeit hin eine gemeinsame technische Lösung zu erarbeiten.
Zwar soll mittlerweile in halb Europa das Smartphone als Hilfsmittel im Kampf gegen Covid-19 dienen. Doch vorläufig bleibt es bei nationalen «Alleingängen»: Auch die Schweiz und ihre Nachbarn haben eigene Apps, die nur für den Einsatz im jeweiligen Staatsgebiet konzipiert sind.
Dieser Beitrag verrät, welche Apps in Europa verfügbar sind. Alphabetisch geordnet, von Albanien bis Zypern.
Wir schauen, ob die nationalen Corona-Warn-Apps von Reisenden genutzt werden können. Und wir klären, in welchen Ländern eine parallele Nutzung möglich ist.
Wichtiger Hinweis: Corona-Warn-Apps sind eine neuartige Smartphone-Technologie, die verbessert und weiterentwickelt werden muss. Viele nationale Software-Projekte sind erst in Vorbereitung. Stand der Informationen: 12. Juli 2020.
Smartphone-Besitzer sollten unbedingt darauf achten, nur die offizielle Corona-Warn-App eines Landes zu installieren. Der Bezugsort für iPhone-User ist der App Store von Apple (iOS) und für Android-User der Google Play Store.
Man kann auf die in diesem Beitrag verlinkten App-Namen (zum gewünschten Land) klicken und gelangt zur offiziellen Website. Dort findet man die App-Store-Links.
Im Internet kursieren Links zu gefälschten Corona-Apps. Kriminelle versuchen, die Daten ahnungsloser User zu ergaunern und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man in den offiziellen App-Stores nach dem exakten Namen suchen, unter denen die Apps veröffentlicht wurden. Hingegen können allgemeine Suchbegriffe wie Covid-19 oder Corona-App falsche Treffer ergeben. Denn es tummeln sich mittlerweile einige Tracing- und auch Tracking-Apps in den Stores, was für Verwirrung sorgen kann.
Vor einem Auslandaufenthalt sollte man sich überlegen, ob es Sinn macht, die nationale App zu installieren. Dies ist in verschiedenen europäischen Länder möglich.
Am zuverlässigsten und sichersten sind Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-Apps, deren Distanzschätzungen auf der «Exposure Notification»-Schnittstelle von Google und Apple basieren (GAEN). Dies setzt iPhones mit iOS 13 (ab iPhone 6S) oder Android-Smartphones mit Android 6 voraus.
Allerdings muss man wissen, dass nicht zwei Apps gleichzeitig auf die in die Betriebssysteme integrierte GAEN-Schnittstelle zugreifen dürfen. Es lassen sich zwar problemlos mehrere Apps auf dem iPhone oder Android-Handy installieren, doch es kann jeweils nur eine App aktiviert sein.
Wer häufig unter Einheimischen weilt, sollte wohl eher die App des jeweiligen Landes aktivieren. Wer sich hingegen auf einem Campingplatz mit vielen Schweizer Feriengästen niederlässt, kann sich überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, auch im Ausland die SwissCovid-App zu verwenden.
Das Hin- und Herwechseln zwischen Apps ist grundsätzlich möglich und sinnvoll, etwa für Grenzgänger. Allerdings sollte man dann von Zeit zu Zeit die deaktivierte Warn-App wieder aktivieren, um zu prüfen, ob Warnhinweise vorliegen.
Frankreich, Bulgarien, Island und weitere Länder haben sich für ein zentralisiertes Tracing-System entschieden, bei dem der Staat versucht, mehr Daten zu erhalten als bei dezentralen Systemen. Bei einigen kommt GPS zum Einsatz, um den Aufenthaltsort von Infizierten nachzuvollziehen.
Nach dem Öffnen der innereuropäischen Grenzen sollten nationale Corona-Apps miteinander kommunizieren, also Daten austauschen, um die Nutzer grenzübergreifend zu warnen. Im Fachjargon wird dies als «Interoperabilität» bezeichnet. Innerhalb der EU laufen die Vorbereitungen, wobei nicht klar ist, welche Priorität dem Ganzen eingeräumt wird.
Reisende sollen sich künftig mit der Warn-App ihres Heimatlandes auch im Ausland warnen lassen können (oder andere warnen). Dies gilt nur für Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-Apps, die auf dezentraler Speicherung der Daten basieren und die GAEN-Schnittstelle impementieren.
Man habe sich auf eine Reihe technischer Spezifikationen geeinigt, um diese Interoperabilität zu erreichen, teilte die EU-Kommission am 16. Juni mit. Zuvor hatte es während Wochen keine Einigung darüber gegeben, weil sich einzelne Länder, insbesondere Frankreich, gesträubt hatten.
Die EU-Kommission schafft quasi einen Roaming-Dienst für dezentrale Tracing-Systeme, damit die mit den nationalen Tracing-Apps verbundenen staatlichen Backend-Server grenzübergreifend Daten austauschen können.
Das ist eine berechtigte Frage, die bis heute nicht geklärt ist. Proximity-Tracing-Apps sind eine neue Technologie. Ihr praktischer Nutzen ist bislang nur im Ansatz untersucht. Weil die meisten Systeme nicht lange in Betrieb sind – wenn überhaupt –, liegen kaum aussagekräftige Resultate vor.
Erschwerend hinzu kommt, dass Apps mit GAEN-Schnittstelle auf Datenminimierung ausgelegt sind. Dies wiederum erschwert den Gesundheitsbehörden das Auswerten von statistisch relevanten Informationen zur App-Nutzung.
Die bisherigen Nutzerzahlen sind ernüchternd für die Herausgeber. In den meisten Ländern, die eine Tracing-App lanciert haben, ist die Bevölkerung zurückhaltend. Am grössten ist die Akzeptanz in Deutschland, wo die «Corona-Warn-App» bereits über 15 Millionen Mal heruntergeladen wurde.
Je mehr aktive User eine Tracing-App hat, desto grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Smartphone-Besitzer vor einer möglichen Ansteckung gewarnt werden.
Ja. Die Nutzung der in diesem Beitrag aufgeführten nationalen Corona-Warn-Apps ist freiwillig. In einzelnen Ländern werden Touristen bei der Einreise aufgefordert, die offizielle Tracing-App herunterzuladen und zu verwenden.
Aufgrund der erneut angestiegenen Infektionszahlen bestimmt die Schweiz Corona-Risikoländer. Wer sich in einem dieser Länder aufhält und anschliessend (zurück) in die Schweiz einreisen will, muss sich gemäss staatlicher Anordnung zehn Tage in Quarantäne begeben. Das Bundesamt für Gesundheit aktualisiert die Liste regelmässig.
Die europäischen Länder, bei denen (per 12. Juli) eine Quarantänepflicht besteht, sind speziell markiert. 😷
Auch in der Schweiz können sich Smartphone-Besitzer, die eine Reise nach Dänemark planen, die Smittestop-App für iOS und Android herunterladen und sie beim Aufenthalt im Norden vorübergehend aktivieren. Kritiker bemängeln, dass die Software nicht quelloffen (Open Source) sei.
Im FAQ auf der corona.app-Website wird erklärt, das Robert Koch-Institut (RKI) als Herausgeberin der App schalte sie «nach erfolgreicher rechtlicher Prüfung» für weitere Länder frei. Die Schweiz gehört mittlerweile auch dazu.
Das RKI betonte, mit der Verfügbarkeit in den ausländischen Stores richte man sich «sowohl an diejenigen, die dauerhaft in Deutschland leben als auch diejenigen, die sich temporär z.B. im Urlaub hier aufhalten». Aus welchem Land die SIM-Karte des Smartphones stamme, spiele keine Rolle.
Ein zentralisiertes Tracing-System wurde auf der Isle of Man getestet und mangels Erfolg abgebrochen. Die britische Regierung hat seither keine neuen Pläne kommuniziert.
Frankreich hat sich bei seiner Corona-Warn-App für einen Alleingang entschieden und setzt im Gegensatz zu allen Nachbarländern (weiterhin) auf ein zentralisiertes Tracing-System. Die User sollen gewisse Kontaktdaten (freiwillig) an einen Server der staatlichen Gesundheitsbehörden übermitteln. Die App funktioniert zudem laut Berichten unzuverlässig.
Gerade einmal 1,9 Millionen Mal sei StopCovid heruntergeladen worden, berichtete «Le Monde», dies entspreche gerade mal zwei Prozent der Bevölkerung. Und 460'000 installierte Apps wurden bereits wieder gelöscht. «Oh là là!»
Grossbritannien ist das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa. Die britische Regierung ist mit ihrem Vorhaben, ein zentralisiertes Tracing-System durchzusetzen, gescheitert. Der Landesteil Nordirland will darum eine eigene App lancieren wie der Nachbar Irland. Die Landesteile Schottland und Wales setzen hingegen auf klassisches Contact Tracing und planen derzeit keine App.
Vor der Einreise ins United Kingdom (UK) sollten Ausländer unbedingt die variierenden Bestimmungen prüfen.
Die isländische App speichert die Standort-Daten der User. Es handelt sich also um eine Tracking-App, man soll den ständigen Zugriff auf die Standortdaten erlauben. Sie bietet aber auch für Touristen nützliche Informationen.
Genau wie SwissCovid setzt auch Italiens App auf die Technologie von Apple und Google. Die Daten werden dezentral auf den Mobilgeräten gespeichert. Beim Einrichten muss man eine italienische Region angeben, in der man lebt.
Die offizielle Corona-App solle im Juli veröffentlicht werden, berichtete der kroatische TV-Sender RTL Hrvatska. Die App basiert auf der Apple-Google-Schnittstelle und soll mit dezentralen Apps anderer EU-Staaten kompatibel sein.
Die niederländische Corona-Warn-App ist noch in der Testphase. Die Regierung will voraussichtlich am 15. Juli über die offizielle Lancierung entscheiden. Die staatliche Datenschutzbehörde hat sich für die Prüfung mehr Zeit ausbedingt.
Das nordirische Gesundheitsministerium hat Ende Juni angekündigt, eine eigene Corona-Warn-App zu lancieren, die auf der Apple-Google-Schnittstelle basiert. Dank der dezentralen Funktionsweise soll sie zukünftig auch mit der App der benachbarten Republik Irland kompatibel sein.
Die staatliche App basiert auf der NextSense-Technologie, die ein privates Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Apple-Google-Schnittstelle (GAEN) ist nicht implementiert, darum funktioniert auf iPhones der Datenaustausch (im Hintergrund) nicht zuverlässig. Zudem muss man sich bei der Inbetriebnahme mit der eigenen Handynummer registrieren.
Die norwegische Regierung hatte früh auf ein zentralisiertes Tracing-System mit Bluetooth-basiertem Proximity-Tracing und einer Tracking-Funktion (GPS) gesetzt. Das Projekt wurde wegen Datenschutz-Bedenken gestoppt. Die «Smittestop»-App ist nicht mehr in den App-Stores verfügbar.
Herausgeberin der Stopp-Corona-App ist das Österreichische Rote Kreuz. Als User muss man einwilligen, dass personenbezogene Daten erhoben werden, dazu gehören die Handynummer und Meldungen zu Covid-19-Erkrankungen.
Die «StayAway»-App wurde im Mai von der Regierung vorangekündigt und die Evaluierung sollte bis Ende Juni abgeschlossen werden. Der Projekt-Status ist unbekannt. Die App soll auf der Apple-Google-Schnittstelle (GAEN) basieren.
Für die SwissCovid-App gibt's tatsächlich keine eigene Internetadresse als erste Anlaufstelle. Die Informationen werden relativ unübersichtlich über verschiedene Webseiten des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zugänglich gemacht.
Rein technisch könnte die SwissCovid-App bereits im August auch in Deutschland, Österreich und Italien eingesetzt werden – sofern rechtzeitig eine Einigung mit der EU zustande kommt, wie ein hochrangiger BAG-Vertreter sagte.
Das slowenische Parlament hat gemäss Medienbericht vom 11. Juli den fragwürdigen Entscheid getroffen, eine für die Bevölkerung obligatorische App zu lancieren. Die App soll zur Überprüfung von Quarantäne-Massnahmen dienen.
Eine nationale Tracing-App ist in Entwicklung und wird derzeit auf der Kanarischen Insel La Gomera getestet. Der Entscheid über die Lancierung dürfte Ende Juli erfolgen.
Die geplante Tracing-App ist nicht zu verwechseln mit der bereits verfügbaren nationalen Corona-App Asistencia COVID-19. Diese international erhältliche App ist beim Einrichten auf dem Smartphone nur auf Spanisch bedienbar, sie verlangt den Zugriff auf den Standort und man muss sich mit der Handynummer und einer ID-Nummer (Documento Nacional de Identidad electrónico, kurz DNIe) registrieren.
Zuvor war das spanische App-Angebot zu Covid-19 ein Flickenteppich gewesen, wie der «Spiegel» konstatierte. Regionen rund um Madrid und Valencia hatten nicht auf die zögerliche Zentralregierung gewartet, sondern realisierten eigene Apps. Katalonien veröffentlichte mit «Stop Covid-19 Cat» die bislang erfolgreichste App des Landes. Allerdings sei sie umstritten, da Gesundheitsdaten und Namen der User abgefragt und Risikogebiete anhand von Ortsdaten erstellt würden.
Die tschechischen Entwickler haben bislang nicht die Apple-Google-Schnittstelle (Exposure Notification) implementiert, darum funktioniert die iPhone-Version nicht gut. Zudem müssen User ihre Handynummer registrieren. Und die Bedienung ist ausschliesslich auf Tschechisch möglich.
Die türkische Regierung setzt auf klassisches Contact Tracing mit einem einem Heer von Freiwilligen. 6000 Teams sind laut einem eindrücklichen BBC-Bericht im Einsatz.
Die staatliche App basiert auf der NextSense-Technologie, die ein privates Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Apple-Google-Schnittstelle (Exposure Notification) ist nicht implementiert, darum funktioniert auf iPhones der Datenaustausch (im Hintergrund) nicht zuverlässig. Zudem müssen sich User über ihre Handynummer beim Staat registrieren. Und die Bedienung ist ausschliesslich auf Ungarisch möglich.
Ja, das ist durchaus möglich.
Für SwissCovid-User kann es bei einem Auslandaufenthalt Sinn machen, auch die nationale Tracing-App des Reiselandes zu installieren und bei der Einreise zu aktivieren. Wie zum Beispiel die italienische Immuni-App, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gegenüber watson erklärte.
Die App-User können nur (vor einer möglichen Coronavirus-Infektion) gewarnt werden, wenn die jeweilige App auch aktiviert wird nach der Rückkehr. Konkret müsste die App mindestens einmal pro Tag aktiviert werden und das Handy mit dem Internet verbunden sein. Grenzgänger können beim Überqueren der Landesgrenze die Aktivierung umschalten. Allerdings ist nicht klar, wie zuverlässig das häufige Wechseln zwischen installierten Proximity-Tracing-Apps funktioniert.
Diverse nationale Warn-Apps funktionieren parallel, so dass man beispielsweise die SwissCovid-App nicht deaktivieren muss: Das gilt für alle Apps, die auf eine zentrale Datenspeicherung setzen und deshalb nicht die Proximity-Tracing-Schnittstelle von Apple und Google verwenden.
Wenn man zum Beispiel in den Ferien im Ausland auf andere Schweizer trifft, kann es Sinn machen, dass man die SwissCovid-App aktiviert lässt. So wird gewährleistet, dass nach einem positiven Covid-19-Test zurück in der Schweiz die Ferienbekanntschaften nachträglich gewarnt werden.
Parallel mit SwissCovid laufen: