Die chinesische Halbleiter-Branche hinke der Konkurrenz um Jahre hinterher. Dies sagt niemand Geringeres als Gerald Yin, Gründer des führenden chinesischen Chip-Maschinen-Herstellers AMEC. Yin gilt als Lichtgestalt der chinesischen Halbleiter-Industrie. Doch längst sieht er schwarze Wolken über seiner Heimat aufziehen, wie die «South China Morning Post» berichtete.
Yin kam 1984 ins Silicon Valley und arbeitete 20 Jahre bei US-Halbleiter-Unternehmen wie Intel und Applied Materials (AMAT), das Anlagen für die Chip-Produktion entwickelt. In den USA sind 74 Patente auf ihn eingetragen, er besitzt den US-Pass und das «Wall Street Journal» nannte ihn «Halbleiter-Genie».
2004 kehrte er nach China zurück und gründete das Unternehmen Advanced Micro-Fabrication Equipment (AMEC), das chinesische Chip-Produktionsmaschinen konkurrenzfähig machen soll.
An der jährlichen Konferenz der chinesischen Halbleiter-Branche sagte Yin diesen Monat, das wahre Ziel der USA sei, Chinas Mikrochip-Branche mindestens fünf Generationen hinter den modernsten Fertigungstechnologien zu halten.
Die Biden-Regierung beabsichtigte mit ihrem Exportbann, Chinas Halbleiter-Hersteller auf 28 Nanometer (nm) als modernsten Chipfertigungs-Prozess festzunageln, während die Weltspitze deutlich schnellere und effizientere Chips im 3- bis 14-Nanometer-Verfahren produziere.
Marktführer Taiwan Semiconductor (TSMC) und Samsung aus Südkorea können inzwischen 3-nm-Chips der neusten Generation fertigen – allerdings noch mit hoher Ausschussquote. Zwischen 3-nm- und 28-nm-Chips liegen rund fünf Generationen. Yin bezeichnete darum die zuletzt erneut verschärften US-Sanktionen gegen chinesische Halbleiter-Hersteller als die bislang «tödlichsten».
Mikrochips stecken vom Kinderspielzeug bis zum Marschflugkörper in allen technischen Geräten. Die USA wollen verhindern, dass sich China «sensible Technologien» wie modernste Halbleiter-Maschinen, Künstliche Intelligenz und Quantencomputer beschafft, um militärisch aufzurüsten.
Wie weit China in der Halbleiter-Fertigung tatsächlich zurückliegt, ist nicht ganz klar: Die USA wollten die chinesischen Chip-Hersteller spätestens beim 14-Nanometer-Prozess stoppen. Dabei handelt es sich um den fortschrittlichsten Fertigungsprozess, den chinesische Unternehmen bislang zur Serienreife gebracht haben.
Doch vor genau einem Jahr elektrisierte der erste 7-nm-Chip aus China die gesamte Halbleiter-Branche – und Washington. Chinas grösstem Chip-Hersteller Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) war es gelungen, einen modernen 7-nm-Chip zu entwickeln, der einem Chip des taiwanischen Technologieführers TSMC ähnelt. Hochrangige SMIC-Manager belegten zuvor leitende Positionen bei TSMC.
Von der Massenproduktion des Chips war China letztes Jahr aber noch weit entfernt. Experten schätzten, dass SMIC nur 15 Prozent der gefertigten Chips nutzen konnte – 85 Prozent wären somit Ausschuss. So lässt sich nicht wirtschaftlich produzieren.
Doch nun mehren sich Berichte, dass Huawei noch dieses Jahr bei Chip-Hersteller SMIC die Massenproduktion von selbst entwickelten 5G-Chipsätzen für Smartphones im fortschrittlichen 7-Nanometer-Verfahren beginnen werde. Damit hätte China den Rückstand in kurzer Zeit deutlich verkleinert.
Einschränkend ist wiederum zu sagen, dass SMIC zunächst wohl nicht mehr als zwei bis vier Millionen 7-nm-Chips pro Jahr produzieren kann, da chinesischen Unternehmen aufgrund der US-Sanktionen der Zugang zu den besten Chip-Fertigungsmaschinen aus dem Ausland fehlt. Chinesische Chip-Hersteller können zwar auch mit älteren Maschinen moderne 7-nm-Chips produzieren, aber nur relativ langsam und mit hohen Fehlerquoten.
Verglichen mit den Herstellungsmengen von TSMC und Samsung, welche die allerneusten Produktionstechniken nutzen, sind moderne Chips «Made in China» vorerst ein Tropfen auf den heissen Stein.
Momentan gehe der Plan der USA daher auf, meint Yin, da China trotz grössten Anstrengungen noch immer 85 Prozent der wichtigen und teils über 100 Millionen Franken teuren Chip-Produktionsmaschinen aus den Niederlanden, den USA und Japan beziehen müsste. Mit den in den vergangenen Jahren schrittweise verschärften Sanktionen des Westens wurden diese Käufe immer mehr eingeschränkt und Chinas Chipindustrie um Jahre zurückgeworfen.
Chinas Problem: Rund 80 bis 90 Prozent der weltweit modernsten Chip-Maschinen stammen vom niederländischen ASML-Konzern. Kein anderes Unternehmen kann qualitativ gleichwertige Belichtungsmaschinen in ähnlichen Mengen liefern und ohne diese Maschinen sind Chips der neusten Generation in China bis auf Weiteres nicht produzierbar.
Die USA übten daher starken Druck auf die Niederlande und ASML aus, um zu verhindern, dass Chip-Maschinen der neusten Generationen an autoritäre Länder wie China gelangen. Dies ist möglich, weil die ASML-Maschinen auch Know-how aus den USA enthalten.
Im März 2023 verhängte die niederländische Regierung entsprechende Verbote für den Export nach China. Ab September wird der Export weiter beschränkt. ASML darf dann nur noch ältere Maschinen an chinesische Hersteller verkaufen, die sich zwar grundsätzlich für die 7-nm-Fertigung eignen, aber eben langsamer arbeiten und eine höhere Ausschussquote aufweisen.
ASML dominiert den Markt für Lithografie-Systeme, da es den Einsatz der sogenannten «Extrem Ultravioletten Strahlung» (EUV) weltweit führend beherrscht. Diese Technologie ist notwendig, um Hochleistungschips zu produzieren.
Samsung und der mit Abstand grösste Chip-Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan setzen deshalb für ihre kleinsten und leistungsfähigsten Chips, die etwa in Smartphones, Computern und Nvidia-Grafikkarten zum Einsatz kommen, auf Maschinen von ASML.
Chinesische Maschinen seien oft schlechter als die der ausländischen Konkurrenz, ergänzte Li Jinxiang, stellvertretender Generalsekretär der Vereinigung der Halbleitermaschinenbauer. Die gegen 140 Millionen US-Dollar teuren Belichtungsmaschinen von ASML würden deshalb durch zu langsame chinesische Technik ausgebremst. So könnten beispielsweise chinesische Maschinen zur Beschichtung von Wafern – das Ausgangsmaterial für Mikrochips – nicht mit ASML-Maschinen mithalten, was die gesamte Chip-Fertigung ausbremse.
Die (selbst-)kritischen Töne dienen einem Zweck: Wenn Branchenvertreter öffentlich über Probleme und schwierige Rahmenbedingungen klagen, ist dies auch immer ein Wink an die Politik: Chinas Halbleiter-Unternehmen erhoffen sich wie die Rivalen in Taiwan, Südkorea, Japan, den USA und Europa weitere staatliche Förderungen in Milliardenhöhe.
Vorerst bleibt China vom patentierten Chip-Design und Hochpräzisionsmaschinen aus dem Westen abhängig. Ein weiteres Problem: Wegen der US-Sanktionen dürfen US-Bürger ohne behördliche Genehmigung nicht mehr für chinesische Unternehmen an moderner Halbleitertechnologie arbeiten. Das könnte China weitere Probleme bereiten, «weil viele Spezialisten gebürtige Chinesen sind, die sich nach Studium und Arbeit in den USA einbürgern liessen – und den amerikanischen Pass wohl ungern abgeben», wie die NZZ schrieb.
Yin gibt sich bezüglich US-Sanktionen gleichwohl kämpferisch: «Wir können das nicht akzeptieren», sagte er bei seiner Rede. Er glaube, dass China in wenigen Jahren eine wettbewerbsfähige Maschinen-Industrie für Halbleitertechnik habe. Dies dank eines Heeres an Chinesen, die wie er in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei US-Unternehmen tätig waren und nicht zuletzt wegen der US-Sanktionen zurückgekehrt seien.
Umgekehrt fehlt es der Halbleiter-Industrie in den USA an allen Ecken und Enden an Fachkräften. Wie die EU versuchen die USA mit Milliarden-Subventionen die heimische Chip-Fertigung auszubauen. Auf beiden Seiten des Atlantiks ist dabei der Fachkräftemangel das grösste Problem. Halbleiter-Maschinen sind komplexer als ein Spaceshuttle und müssen kontinuierlich gewartet werden.
In den USA rechnet die Halbleiter-Branche damit, dass bis Ende des Jahrzehnts allein in der Chip-Fertigung 67'000 Stellen nicht besetzt werden können und neue Halbleiter-Fabriken später als geplant ihren Betrieb aufnehmen werden.
Der staatlich geförderte Aufbau der Halbleiter-Industrie in China hinterlässt auch in Europa Spuren: «Mehr als 30'000 Fachkräfte europäischer Technologieunternehmen sind in den letzten 20 Jahren nach China gezogen und brachten wichtiges Branchen-Know-how mit nach Hause», berichtete das Finanzportal Bloomberg.
US-Beamte warnen seit Jahren, «dass China den Diebstahl geistigen Eigentums durch ein riesiges System von Geldzuschüssen, Steuererleichterungen und anderen Vergünstigungen fördert, um im Ausland lebende Chinesen dazu zu bringen, Fachwissen und Geschäftsgeheimnisse mitzubringen». China weist solche Berichte jeweils als «Falschinformation» zurück, die lediglich dazu dienten, das Land zu «beschmutzen».
Derweil schreitet die Chip-Entwicklung rasant voran: Bei Marktführer TSMC sollen bereits 2-nm-Chips in die Testproduktion gehen, die vermutlich in rund zwei Jahren in Smartphones und Laptops auftauchen werden. An dieser Generation könnte sich der chinesische Drache noch länger die Zähne ausbeissen.
Man wird doch nicht eindn Systemgegner unterstützen..
Es herrscht ein offener Wirtschaftskrieg und eine Krieg der Gesellschaftsssysteme.
Ich möchte nicht in einer Welt Leben, wo China das Sagen hat (Social Score lässt grüssen...).