In Australien herrscht Winter, hier ist man weit weg von vielem, auch von der täglichen Gewalt im russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Trotzdem sind die geopolitischen Krisen auch hier spürbar. Sie hätten auch die Reise der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock nach Australien, Neuseeland und zu den Fidschi-Inseln geprägt. Doch aus der Reise wurde nach mehreren Flugzeugpannen nichts.
Dabei hätten für Baerbock besonders zwei Themen im Mittelpunkt gestanden: der Umgang mit China und die Klimakrise.
Der Indopazifik wird wahrscheinlich in Zukunft noch wichtiger werden durch die zunehmende Bedeutung der Seehandelswege für die Weltwirtschaft. Auch Deutschland hat in der Region Interessen. Die Bundesregierung kann aber nur wenige Kriegsschiffe in die Region schicken, um die Seewege zu sichern. Vielmehr besteht die deutsche Strategie darin, im westlichen Bündnis verlässliche Partner in der Region zu stärken.
Aber das ist nicht alles: Deutschland und die EU können sich auch viel von Australien abschauen. Das Land wurde zur Zielscheibe und sah sich in den letzten Jahren aggressiven Versuchen der Einflussnahme aus Peking ausgesetzt. Doch die australische Regierung hielt stand. Mehr noch: Der chinesische Präsident Xi Jinping hat im Konflikt mit Australien mittlerweile einen schweren Stand. Der Koala hat sich aus dem Würgegriff des Drachen gelöst – vor allem mit einer Diversifizierung der australischen Wirtschaft.
Im Ringen um die Vorherrschaft im Indopazifik ist Australien der chinesischen Führung schon lange ein Dorn im Auge. Zwar haben von 25 Millionen Australiern mehr als eine Million chinesische Wurzeln, weshalb man vermuten könnte, dass die Völker sich nahestehen.
Aber: Australien ist nicht nur demokratisch und damit ein Systemfeind, sondern gehört neben Japan und Südkorea auch zu den engsten Verbündeten der USA in der Region. Hinzu kommt, dass Australien eine reiche und aufstrebende Rohstoffmacht ist, die in Zukunft geostrategisch an Einfluss gewinnen wird.
Deswegen versuchte China früh, Australien unter seine Kontrolle zu bringen – indem es zunächst die Wirtschaftsbeziehungen zu dem Land ausbaute. Noch im Jahr 2014 sprach Xi Jinping im australischen Parlament. Damals galt er dort als Hoffnungsträger.
Heute ist China noch immer der grösste Handelspartner Australiens, aber die Beziehungen beider Staaten haben sich seit 2017 zusehends verschlechtert. Denn China trieb es mit der Einflussnahme zu weit.
Die Krisenzeit zwischen den beiden Staaten begann mit einem Spionagedrama. Im Zentrum standen der chinesische Milliardär Huang Xiangmo und der australische Abgeordnete Sam Dastyari. Letztgenannter galt damals als Jungstar der Labour-Partei. Xiangmo ist ein Geschäftsmann mit guten Kontakten zur chinesischen Führung. Dastyari hatte nicht nur Spenden des chinesischen Gönners angenommen, sondern ihn auch vor der Überwachung durch den australischen Geheimdienst gewarnt. Der Skandal traf Australien 2017 mitten im Wahlkampf.
Es sollte nicht der letzte Skandal gewesen sein: Immer wieder versuchten chinesische Geschäftsleute, sich mit Geld Einfluss zu erkaufen. Der Versuch Chinas, Einfluss zu nehmen, folgt einer klaren Strategie aus Peking: Der Milliardär Huang Xiangmo hatte gute Beziehungen zur sogenannten Einheitsfront. Diese Abteilung der Kommunistischen Partei verfolgt die Mission, den Einfluss der Partei unter Nichtkommunisten im In- und Ausland zu stärken. Oder anders: Xi hat die Einheitsfront wiederbelebt, um sich im Ausland Macht zu erkaufen – auch in Europa. Er bezeichnete sie in der Vergangenheit als «Zauberwaffe» der Partei.
Australien fand sich plötzlich in der Situation wieder, dass der mit Abstand wichtigste Handelspartner die politische Souveränität des Landes nicht akzeptiert. Darüber hinaus gibt es chinesische Wirtschaftsspionage und Hackerangriffe; chinesische Unternehmen kaufen sich immer mehr Land in Australien.
Doch nach dem Wahlkampf 2017 begann Australien, sich zu wehren.
Das Land schloss den chinesischen Konzern Huawei vom 5G-Ausbau aus und forderte Peking öffentlich dazu auf, Menschenrechte in Hongkong und im Umgang mit den Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang einzuhalten. Ausserdem forderte die australische Regierung im Jahr 2020 eine Untersuchung zur Verantwortung Chinas für den Ausbruch der Corona-Pandemie. Für Peking war das ein Schlag ins Gesicht.
Verärgert zettelte China einen Wirtschaftskrieg an: Sanktionen, Strafzölle und Einfuhrsperren für viele australische Güter sollten die Regierung in Canberra in die Knie zwingen. Hinzu kamen chinesische Cyberangriffe; die Regierung in Peking verbot chinesischen Touristen, in Australien Ferien zu machen.
Der Schock in einigen Bereichen der australischen Wirtschaft war zunächst gross. Doch er hielt nur kurz, die Sanktionen zeigten nur wenig Wirkung. Und dafür gibt es Gründe:
Bei den Vermögen ist die Schweiz Nummer eins. pic.twitter.com/ANp1zntrlO
— Reto Lipp (@retolipp) August 15, 2023
Manche Experten sagen deshalb: Die australische Wirtschaft hat die chinesischen Sanktionen gestärkt überstanden und ist nun breiter aufgestellt. Xi Jinping hat mit den Strafzöllen seine Machtposition in der Region eher geschwächt. Zugleich hat er damit ungewollt auch anderen Ländern eine Warnung gesandt, was passieren könnte, wenn sie ihre Wirtschaft nicht unabhängiger von der Volksrepublik machen.
Mittlerweile scheint es so, als habe China sich die wirtschaftliche Niederlage eingestanden. Xi sprach nach einer langen Eiszeit in den bilateralen Beziehungen Ende 2022 mit dem australischen Premierminister Anthony Albanese.
Beide Staaten sind seither darum bemüht, ihre Beziehungen zu verbessern. China strich viele der Sanktionen wieder. In einigen Monaten des laufenden Jahres verzeichnete dann der Handel zwischen China und Australien sogar wieder Rekordwerte. Für Xi ein Eingeständnis der eigenen Niederlage.
«Die wirtschaftliche Situation in China ist nicht gut, und die Probleme wachsen weiter», erklärte China-Experte Klaus Mühlhahn im Interview mit t-online im Juni. Die Jugendarbeitslosigkeit sei hoch, viele Städte hätten sich noch nicht von der Corona-Pandemie erholt und seien hoch verschuldet. «Das erzeugt Unruhe, und China merkt jetzt, dass dieses aggressive Gehabe in der Aussenpolitik nicht ganz im Einklang steht mit den wirtschaftlichen Realitäten.» Auch deswegen ist China aktuell an einer Normalisierung der Beziehungen zu Australien interessiert.
Australien bleibt aber misstrauisch. Das zeigt sich vor allem im militärischen Bereich. Das Land rüstet massiv auf, und die Regierung kündigte erst im April eine Militärreform an. Die australische Angst vor China ist berechtigt. Immerhin hat die Volksrepublik mittlerweile die grösste Marine der Welt, und Peking hat 2022 ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen unterzeichnet – um Australien einzuschüchtern.
Von dort könnte die chinesische Marine australische Gewässer sperren, überwachen und kontrollieren. Die Schifffahrtswege sind die Achillesferse der australischen Wirtschaft, denn sie sind abhängig von Ölimporten. Wenn China also die Seewege sperren würde, könnte das die australische Wirtschaft in wenigen Wochen lahmlegen.
Doch Australien hat einen entscheidenden Vorteil: Es hat starke Verbündete wie die USA, Grossbritannien und auch Deutschland. Das westliche Kalkül erscheint klar: Die Kriegsgefahr in der Region ist geringer, wenn Xi isoliert ist. Doch ob sich das als richtig erweist, wird sich erst in Zukunft zeigen.
Verwendete Quellen:
(t-online)
Leider sind viele andere Staaten (auch in der EU) den Verlockungen Chinas erlegen und haben sich nun an die neue Seidenstrasse ketten lassen.