Der Zwischenfall mit dem äthiopischen Piloten, der im Februar sein eigenes Flugzeug nach Genf entführte, kam Ueli Maurer scheinbar gelegen: Die Überraschungsaktion rief einer breiten Öffentlichkeit in Erinnerung, dass die Schweizer Luftwaffe nur während der Bürozeiten eingreifen kann – eine allzu offensichtliche Sicherheitslücke.
Geschickt machte sich der Verteidigungsminister diese Stimmung für die laufende Kampagne zur Beschaffung von 22 neuen, schwedischen Kampfflugzeugen zunutze. Maurers Botschaft: Ohne den Gripen könne die Luftwaffe nicht permanent einsatzbereit sein.
Im Montagsinterview mit der «Nordwestschweiz» konkretisierte nun Maurer, der vom Parlament bereits 2010 den Auftrag bekommen hat, einen 24-Stunden-Betrieb aufzubauen, seine Drohung: «Falls der Gripen abgelehnt wird, gehe ich mit dem Auftrag der permanenten Luftraumüberwachung zurück ins Parlament.» Es mache keinen Sinn, 40 bis 50 neue Piloten auszubilden, wenn man diese ab 2025 bei der Ausmusterung der ersten F/A-18 bereits wieder aus dem Verkehr nehmen müsse.
Das sind neue Töne: Erstmals begründet Maurer die neuen Jets nicht mehr ausschliesslich mit der alten Tiger-Flotte, die ersetzt werden muss, sondern mit den eben erst aufgerüsteten F/A-18-Kampfjets, die laut Maurer bereits 2025 schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden müssten.
Sicherheitspolitiker sind entsprechend überrascht: «Es ist grenzwertig, mit dem F/A-18 zu argumentieren. Dieses Flugzeug ist auf dem modernsten Stand», sagt der Aargauer Grünliberale Beat Flach. Er gehe davon aus, dass «wir es noch gut 15 Jahre fliegen können». Die Bernerin Evi Allemann (SP) sagt: «Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates wurde bisher stets informiert, dass der F/A-18 mindestens bis 2030 in Betrieb sein wird.»
Von der Herstellerfirma Boeing wisse man, dass sie über diesen Zeitraum hinaus vollen technischen Support und technisches Weiterentwicklungsprogramm vorsehe. «Die Behauptung, der F/A-18 müsse schon 2025 ausgemustert werden, entbehrt jeglicher Grundlage», so Allemann. Auch der Schaffhauser SVP-Nationalrat und Berufspilot Thomas Hurter geht davon aus, dass die F/A-18 noch länger geflogen werden können: «Uns wurde immer mitgeteilt, dass die F/A-18 in der Hälfte des Lebenszyklus sind.» Ein Einsatz über 2025 hinaus sei daher problemlos möglich.
Die meisten Sicherheitspolitiker sehen deshalb keinen Zusammenhang zwischen der permanenten Einsatzbereitschaft und der Gripen-Beschaffung. «Die 24-Stunden-Bereitschaft hängt in erster Linie vom Personal ab», sagt etwa der St. Galler FDP-Nationalrat Walter Müller. Es brauche unabhängig vom Gripen Deal mehr Piloten und mehr Serviceleute am Boden.
Auch Thomas Hurter erwartet vom Verteidigungsdepartement VBS, dass die Luftwaffe endlich rund um die Uhr einsatzbereit sei. Seit 2010 habe das VBS diesen Auftrag. «Für die bessere Bereitschaft in der Luft hätten wir jetzt schon 32 F/A-18 zur Verfügung gehabt. Und man hat nie damit argumentiert, dass diese nicht ausreichen würden», sagt Hurter. Beat Flach hält Ueli Maurers Drohungen gar für pure Propaganda: «Es handelt sich um eine absichtliche Dramatisierung, um das Stimmvolk gefügig zu machen.» Für diese Politiker ist klar, dass das Parlament nach der Gripen-Abstimmung so oder so an der 24-Stunden-Bereitschaft festhalten werde. Maurers Drohung ziele daher ins Leere.
Stramm hinter Ueli Maurer steht indes Corina Eichenberger (FDP/AG). Ohne neue Flugzeuge schaffe es die Armee nicht, rund um die Uhr einsatzbereit zu sein. Es sei auch nicht falsch, den Gripen als Ersatzbeschaffung für den F/A-18 zu betrachten. «Ab 2025 wird es schwierig, für den F/A-18 Ersatzteile zu bekommen.»