Am 31. Dezember 2015, 70 Jahre nach Hitlers Todesjahr, verliert der Freistaat Bayern die Urheberrechte für dessen Buch «Mein Kampf». Das Institut für Zeitgeschichte hat es sich zum Ziel gesetzt, bis dahin eine wissenschaftlich kommentierte Edition dieser berüchtigten NS-Schrift vorzulegen. Auf der Homepage des Instituts ist zu lesen:
«Unter der Leitung von Dr. Christian Hartmann arbeitet ein Projektteam daran, die Entstehungsgeschichte und die ideologischen Quellen von Hitlers Hetzpropaganda fundiert herauszuarbeiten, sich mit seinen Thesen kritisch auseinanderzusetzen und damit den Mythos ‹Mein Kampf› Stück für Stück zu entzaubern.»
Bis zu 2000 Seiten lang soll die zweibändige Ausgabe sein, wie der stellvertretende Institutsdirektor Magnus Brechtken sagte. 780 Seiten stammen aus dem 27 Kapitel umfassenden Original von Adolf Hitlers Hetzschrift, den Rest machen bis zu 5000 wissenschaftliche Kommentare sowie Einleitung und Register aus. Das Projekt läuft schon seit einigen Jahren und befindet sich nun im Endspurt.
2012 hatte der Freistaat Bayern angekündigt, die kommentierte Ausgabe mit 500'000 Euro zu fördern – bis Ministerpräsident Horst Seehofer es sich nach einem Besuch in Israel anders überlegte und in Bayern völlig überraschend erklärte, das Projekt nicht mehr finanziell zu unterstützen.
Seehofers Begründung: «Ich kann nicht einen NPD-Verbotsantrag stellen in Karlsruhe und anschliessend geben wir sogar noch unser Staatswappen her für die Verbreitung von ‹Mein Kampf› – das geht schlecht.» Brechtken betont: «Unsere Arbeit ist davon unabhängig, wir sind ein wissenschaftliches Forschungsinstitut.»
Im Sommer des vergangenen Jahres hatten die Justizminister der Bundesländer entschieden, die unkommentierte Verbreitung von «Mein Kampf» solle auch nach dem Auslaufen der Urheberschutzfrist in Deutschland verboten bleiben. Ein Sondergesetz soll es zwar nicht geben, die geltende Rechtslage aber, etwa der Straftatbestand der Volksverhetzung, reiche aus, um den Nachdruck zu verhindern.
Wie es mit kommentierten Ausgaben und der jahrelangen Arbeit des Institutes aussieht, das sagten die Justizminister nicht explizit. Wenn eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe sich klar von dem Inhalt abgrenze, sei eine nicht-strafbare Veröffentlichung unter Umständen möglich, beurteilte eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums die rechtliche Situation. Das müsse im Einzelfall und anhand des konkreten Textes von Gerichten beurteilt werden.
«Wir wollen Hitler umzingeln», hatte IfZ-Chef Andreas Wirsching im vergangenen Jahr gesagt. «Was wir herausbringen, ist eine Anti-Hitler-Schrift.» Tatsächlich lasse es sich einem Holocaust-Überlebenden nur schwer erklären, warum in Deutschland «Mein Kampf» wieder gedruckt werden soll, räumte er ein. Aber: «Ein Verbot ist nicht mehr als Symbolpolitik», sagte er. «Und Symbolpolitik am falschen Ort, weil sie nur der Mystifizierung dieses Buches dient.» (rof/whr/sda/dpa)