International
Analyse

Laschet rettet sich in der Fraktion: Wie lange geht das noch gut?

epa09493839 Christian Democratic Union (CDU) party chairman Armin Laschet is seen in flash light as he leaves the Reichstag building, the seat of the German Parliament, after a faction meeting of CDU  ...
Wie lange noch macht Laschet weiter? Bild: keystone
Analyse

Laschet rettet sich in der Fraktion: Wie lange geht das noch gut?

Ein Scherbengericht? Nein, ein klassischer Laschet-Kompromiss befriedet die Fraktion. Zumindest vorerst. Denn noch wagt in der CDU niemand die offene Revolte.
28.09.2021, 20:5028.09.2021, 20:53
Tim Kummert / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Am Dienstagabend wirkte es plötzlich, als wäre alles in bester Ordnung: Fraktionschef Ralph Brinkhaus sprach bei der ersten Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag mit ausgeruhter Stimme zu den Abgeordneten. Hinter ihm sassen die Chefs von CDU und CSU Armin Laschet und Markus Söder. Beide sahen zufrieden aus.

Doch statt Harmonie hätte es beinahe eine Schlammschlacht gegeben: Erst kurz vor der Sitzung hatten sich Laschet und Söder mit Brinkhaus darauf geeinigt, dass dieser seinen Job vorerst behalten darf. Der Fraktionschef wird eigentlich jedes Jahr neu gewählt. Brinkhaus wollte erneut für zwölf Monate kandidieren, Laschet wollte, dass er nur kommissarisch im Amt bleibt. Jetzt wird Brinkhaus erst mal für ein halbes Jahr die Geschäfte weiterführen.

Man könnte glauben: Alles wie immer, der Ausgleichspolitiker Armin Laschet hat mal wieder einen Kompromiss gefunden, alle sind zufrieden.

Ein kleiner Teilsieg an diesem Dienstag

Doch der Eindruck trügt. Denn sollten die Ampel-Ambitionen von SPD, Grünen und der FDP erfolgreich sein, gibt es praktisch nur noch ein Amt mit Einfluss in der CDU: das des Fraktionsvorsitzenden. In wenigen Wochen könnte Brinkhaus, ein Mann, den fast niemand in Deutschland kennt, der mächtigste Politiker der Union sein. 

Auch deshalb hatte mancher erwartet, dass es zur offenen Revolte in der Fraktion kommt, Kampfkandidaturen von Jens Spahn oder Friedrich Merz galten als realistisch. Doch sie blieben aus. Armin Laschet gelang es, den offenen Aufstand zu verhindern. Es ist ein kleiner Teilsieg für ihn an diesem Dienstag. 

Das liegt aber weniger an der plötzlichen Friedfertigkeit seiner Parteifreunde, sondern vielmehr an der puren Panik vor dem Machtverlust: Sollten die Ampel-Koalitionsgespräche nämlich doch scheitern und Armin Laschet wäre durch einen ermüdenden Kampf in der Fraktion völlig beschädigt, hätte man in der CDU und CSU gar keine Chance mehr auf prestigeträchtige Ministerposten. Wie solle man mit der Union verhandeln, wenn diese in Trümmern liege, fragt man sich nicht nur in der FDP.

Söder gratuliert schon mal, er findet: Das gehört sich so

Markus Söder (CSU), Prime Minister of Bavaria, drinks from a Star Wars mug with the inscription "Yoda - Master of the Jedi" before the start of the meeting of the Bavarian cabinet, which is  ...
Söder bringt sich mit scharfen Voten in Stellung. Bild: keystone

Deswegen: Lieber keine Revolte, erst mal abwarten, wie es weitergeht – das ist die Losung in diesen Stunden bei der Union. 

Intern brodelt es aber gewaltig. Ein Abgeordneter, der bei der Sitzung teilnahm, simst über Laschet: «Erst mal Glück gehabt. Aber er wirkt sehr kraftlos.»

Laschet selbst sagte in der Fraktion: „Niemand hat das Recht, sich zum Hauptwahlsieger zu erklären“, daraufhin platzte Fraktionsvize Gitta Connemann der Kragen: «unverhohlene Kritik-Fraktion».

Und dann ist da ja auch noch Markus Söder. Der CSU-Chef hat seine kurz vor der Wahl selbst auferlegte Freundlichkeit wieder abgelegt. In bewährter Manier stichelte er gegen Armin Laschet und erklärte, eine «Gratulation an Olaf Scholz ist unter Demokraten ganz normal». Laschet hatte Scholz bislang nicht gratuliert, sondern darauf verwiesen, dass man auch als Zweitplatzierter eine Regierung führen könne.

Söder dreht mit seiner Kritik noch nicht voll auf, weil er noch eine kleine Restchance auf den Machterhalt der Union sieht: Sollten die Ampel-Verhandlungen scheitern (und nur dann), stünde man für eine Jamaika-Koalition bereit, erklärte der CSU-Chef. 

Demzufolge wirkt Laschets Teilsieg in der Fraktion nur logisch. Aber ob er ihm viel bringt?

Am Dienstagnachmittag geisterte plötzlich das Gerücht durch Berlin, Söder könnte selbst Kanzler werden, wenn er die Jamaika-Sondierungen führt. Damit wären auch die Grünen befriedet, die sich schwertun könnten, Laschet in den Kanzlersessel zu befördern.

In der CSU gilt das bestenfalls als gutes Gerücht, doch es zeigt: In der Union ist man offenbar zu vielem bereit, wenn sich damit das Kanzleramt sichern lässt. 

Verwendete Quellen:

  • Eigene Recherche
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Koalitionen sind in Deutschland nun möglich
1 / 9
Diese Koalitionen sind in Deutschland nun möglich
Olaf Scholz (SPD) geht als Sieger aus der Bundestagswahl hervor.
quelle: keystone / clemens bilan
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So politisch sind die jungen Deutschen in Berlin
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
3 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
c_meier
28.09.2021 22:15registriert März 2015
ich hoffe nur im Verkehrsministerium liegen nicht mehr viele Verträge herum, sonst sind die plötzlich alle unterschrieben bis Andi Scheuer das Büro verlassen muss....
270
Melden
Zum Kommentar
3
Plötzliche Kehrtwende in Südkorea: Amtsenthebung von Präsidenten wird wahrscheinlicher
Nun ist es definitiv. Bereits zum zweiten Mal innert zehn Jahren ist ein südkoreanischer Staatschef einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt. Eine Mehrheit des Parlaments stimmt für den Antrag.

Nach der kurzzeitigen Verhängung des Kriegsrechts hat Südkoreas Parlament für eine Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk Yeol gestimmt. Ein von der Opposition eingebrachter Antrag erhielt die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit in der Nationalversammlung.

Zur Story