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Weidel und Chrupalla an der Spitze der AfD – die Partei rückt weiter nach rechts

Tino Chrupalla, AfD federal chairman and parliamentary party leader, talks with Alice Weidel, AfD parliamentary group leader, at the Sachsenarena before the start of the AfD's federal party confe ...
Das neue AfD-Führungsduo: Tino Chrupalla und Alice Weidel.Bild: keystone

Weidel und Chrupalla an der Spitze der AfD – die Partei rückt weiter nach rechts

18.06.2022, 22:47
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Tino Chrupalla und Alice Weidel stehen künftig gemeinsam an der Spitze der AfD. Beim Bundesparteitag im sächsischen Riesa bestätigte eine relativ knappe Mehrheit (53.4 Prozent) am Samstag Chrupalla für weitere zwei Jahre im Amt. Weidel rückt von der stellvertretenden Parteichefin in die Position der gleichberechtigten Co-Sprecherin auf. Sie erhielt 67.3 Prozent. Zudem wurden drei Wunschkandidaten Chrupallas zu Stellvertretern bestimmt. Eine angekündigte Kundgebung von AfD-Gegnern fiel - vielleicht auch wegen der Hitze - relativ klein aus.

Gemeinsam führen Chrupalla und Weidel nun sowohl die Bundestagsfraktion als auch die Bundespartei an. Vielleicht auch um zu zeigen, dass sie reibungslos zusammenarbeiten können, hatten sie sich gegenseitig als Kandidaten für den Chefposten vorgeschlagen. Das Erfolgsmodell in der Fraktion werde man «auf die Partei spiegeln», sagte Weidel. Sie kritisierte die Arbeit des letzten Bundesvorstands, dem sie als Stellvertreterin angehört hatte: «Schlechter konnte man das alles gar nicht mehr machen.»

Meuthen: AfD ist mit neuem Vorstand «ganz rechtsaussen» angekommen

Mit der Wahl des neuen Bundesvorstandes ist die AfD nach Ansicht des früheren AfD-Chefs Jörg Meuthen noch weiter nach rechts gerückt. «Die Partei ist, wie es nicht anders zu erwarten war, auf dem Parteitag in Riesa mit der von Höcke choreographierten Neuwahl des Bundesvorstands wie des Bundesschiedsgerichts endgültig ganz rechtsaussen angekommen», sagte Meuthen am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. «Wer da jetzt noch mitmacht, muss und wird wissen, auf was er sich einlässt», fügte er hinzu.

Neustart für die AfD?

Chrupalla sprach nach der Wahl von einem «Aufbruch». Ziel sei es, die Vergangenheit und den Streit hinter sich zu lassen. «Die Ära Meuthen ist mit dem heutigen Tag auch beendet», sagte er. Vertreter des eher gemässigten Meuthen-Lagers - Ex-Co-Chef Jörg Meuthen hatte im Januar die Partei verlassen - hatten zuletzt immer wieder scharfe Kritik an Chrupalla geübt, unter anderem wegen Stimmenverlusten für die AfD bei Landtagswahlen. Der neue alte Parteichef sagte, «fortan haben wir die Partei der Mitte (...), und die repräsentieren wir hier in unserer Führung».

Der 47-Jährige bekam 287 von 538 abgegebenen Stimmen. Sein Gegenkandidat Norbert Kleinwächter kam auf 195 Stimmen (36.3 Prozent) - ein Achtungserfolg für den Vertreter des eher gemässigten Lagers. 55 Delegierte stimmten gegen beide Kandidaten. Es gab eine Enthaltung.

Für Weidel votierten 360 von 538 Delegierten. 111 Delegierte (20.8 Prozent) stimmten für ihren Gegenkandidaten, den Europaabgeordneten Nicolaus Fest. 64 Stimmberechtigte votierten gegen beide Kandidaten, drei enthielten sich.

Die Delegierten hatten am Freitag zwar die Satzung der AfD geändert, so dass künftig theoretisch auch eine Einzelspitze möglich ist. Der Thüringer Landesschef und Partei-Rechtsaussen Björn Höcke hatte sich dafür stark gemacht. Der Parteitag stimmte aber am Samstag dafür, es dieses Mal noch bei einer Doppelspitze zu belassen.

AfD-Bundesvorstand weitgehend nach Chrupallas Wünschen

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Chrupalla stolperte am Bundesparteitag auf der Bühne, ansonsten verlief fast alles nach seinem Gusto.Bild: keystone

Auf dem Delegiertentreffen, das noch bis Sonntag dauert, wurde die gesamte neue Führungsriege der AfD neu besetzt. Der 14-köpfige Bundesvorstand entspricht in weiten Teilen den Vorstellungen der neuen Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel. Es gab aber auch Überraschungen. So setzte sich die Unterstützerin von Partei-Rechtsaussen Björn Höcke, Christina Baum, gegen einen Kandidaten Chrupallas durch. sie sagte, es sei ihr Ziel, den Deutschen «einen gesunden Nationalstolz zurückzugeben».

In den engeren Führungszirkel wählte der Parteitag drei Kandidaten, die sich Chrupalla gewünscht hatte: Parteivize Stephan Brandner, der dem Thüringer Landesverband angehört, wurde mit 72.4 Prozent im Amt bestätigt. Neben ihm wurden der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer (55.4 Prozent) und seine Fraktionskollegin Mariana Harder-Kühnel (74.6 Prozent) zu Stellvertretern Chrupallas und Weidels gewählt. Boehringer und Brandner warben mit Blick auf den parteiinternen Streit der Vergangenheit in ihren Bewerbungsreden für einen «homogenen Bundesvorstand». Harder-Kühnel wetterte gegen «Deutschlandhasser». Sie forderte eine Parteiführung, die geschlossen «wie eine Mannschaft» zusammenarbeite.

Verfassungsschutz stuft AfD als «rechtsextremistischen Verdachtsfall» ein

Chrupalla steht seit November 2019 an der Spitze. Bei seiner ersten Wahl auf dem damaligen Parteitag in Braunschweig hatte er 54.5 Prozent der Stimmen geholt. Der Handwerksmeister aus Sachsen führte die AfD nach dem Weggang von Ex-Co-Chef Meuthen zuletzt alleine. Meuthen hatte der AfD einen zunehmend radikalen Kurs bescheinigt. Der Verfassungsschutz hat die Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.

Parteiinterne Kritiker, die sich selbst dem gemässigten Lager zurechnen, hatten nach den jüngsten Stimmenverlusten bei mehreren Landtagswahlen den Parteichef offen angegriffen und ihm unter anderem vorgeworfen, im Westen nicht punkten zu können. Sie kritisieren Chrupallas Kurs auch als zu russlandfreundlich und bringen Parteiaustritte damit in Verbindung.

Chrupalla-Gegenkandidat Kleinwächter sagte in seiner Bewerbungsrede, «wir müssen aus dem Tief, in dem wir sind, dringend rauskommen». Er sprach sich für Professionalisierung, Einigkeit, Disziplin und einen neuen Stil in der Kommunikation nach aussen aus und pochte auf einen «liberal-konservativen» Kurs der AfD.

«Wir wollen CDU und FDP überflüssig machen»
Tino Chrupalla

Chrupalla warb für Abgrenzung zu Union und FDP. «Wir wollen CDU und FDP überflüssig machen», sagte er. CDU-Parteichef Friedrich Merz sei ein «grüner Wolf im schwarzen Schafspelz». Die AfD mache nicht mit bei «Impfpflicht, Krieg und offenen Grenzen». Der 47-Jährige will die AfD in den kommenden zwei Jahren nach eigenen Angaben auf einen «freiheitlich-sozialen» Kurs führen.

Wohl mit Blick auf die Stimmenverluste bei den zurückliegenden Landtagswahlen appellierte Weidel an die Delegierten: «Lassen wir uns nicht von jedem Rückschlag gleich nach unten ziehen.» Sie forderte mehr Geschlossenheit und sagte: «Hören wir doch auf mit den haltlosen Anwürfen in der Öffentlichkeit.» Die AfD sei kein Auslaufmodell. «Die AfD ist die Partei der Zukunft». Weidel nannte die Partei das «notwendige Korrektiv in der verkrusteten Parteienlandschaft».

Vor dem Tagungsort versammelten sich am Samstag nach Angaben der Polizei etwas über 300 Gegendemonstranten zu einer Kundgebung. Auf Transparenten stand «Gegenhalten» und «Keine Alternative für Deutschland». Viele Demonstrantinnen und Demonstranten suchten am Rande des Parkplatzes vor der Sachsenarena wegen der Hitze Schutz im Schatten unter Bäumen. (sda/dpa)

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bringyourlight
18.06.2022 22:56registriert März 2021
Noch weiter rechts und sie fallen vom Bänkli. Ne, aber mal im ernst, wer wählt denn so was?
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tamasc
18.06.2022 23:47registriert Mai 2019
Manche Aussagen erinnern an Satire Parteien, etwa "CDU-Parteichef Friedrich Merz sei ein «grüner Wolf im schwarzen Schafspelz»" oder "freiheitlich-sozialen Kurs".
Traurig, dass es ernst gemeint ist. Nach fast 10 Jahren ist vom Unverständnis gegenüber deren Wählern zu meiner eigenen Beunruhigung nur noch Verachtung übrig.
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ingmarbergman
19.06.2022 06:55registriert August 2017
Das einzige gute an faschistischen Parteien ist, dass sie ein Ventil für faschistische Wähler sind.
In einer funktionierenden Demokratie werden sie so marginalisiert und haben keinen Einfluss.

In der Schweiz hingegen wählen Faschos die SVP und tragen ihre Ideologie in die Mitte der Parteienlandschaft. Noch schlimmer in den USA, wo die Republikaner bereits mehrheitlich offen faschistisch sind.
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