Martin Schulz hat innerhalb von nur 36 Stunden gleich zwei politische Spitzenämter verloren. Am Mittwoch, nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen mit der Union, gab er den Parteivorsitz an Fraktionschefin Andrea Nahles ab – in der Absicht, stattdessen in der künftigen Regierung den Posten des Aussenministers zu besetzen.
Gestern folgte nun der grosse Knall bei den Genossen: Schulz erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme am Nachmittag seinen «Verzicht auf Eintritt in die Bundesregierung». Er hoffe «inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind». Seine persönlichen Ambitionen müssten «hinter den Interessen der Partei zurückstehen», erklärte der 62-Jährige.
Schulz’ Rücktritt ist Folge des steigenden Drucks aus der Partei gegen ihren Noch-Parteichef. Die Basis übte offene Kritik am Rheinländer, bereits am Donnerstagabend in der Fraktion soll ihm der Unmut vieler Delegierter entgegengeschlagen sein. Der Grund: Schulz legte seit den Bundestagswahlen einen Schlingerkurs hin, brach diverse Versprechen und galt in der Partei als nicht mehr glaubwürdig.
Das Fass zum Überlaufen brachte aber Schulz’ Ankündigung, er wolle Aussenminister im Kabinett Merkel werden. Schulz hatte noch im Herbst kategorisch ausgeschlossen, Minister in einer Regierung unter Merkel werden zu wollen. Schulz habe den «SPD-Vorsitz als Trampolin missbraucht», um sich einen Ministerposten zu sichern, lautete der Vorwurf. Aus dem Landesverband Hessen hiess es: «Die Geschichte von Schulz und der SPD war ein grosses einjähriges Missverständnis.»
Gestern drängte die Parteispitze den ehemaligen EU-Politiker, seinen Verzicht auf das Amt des Aussenministers zu erklären. Die Parteiführung sah das Zustandekommen der Grossen Koalition in grösster Gefahr. Bis Anfang März können die 460000 SPD-Mitglieder schriftlich darüber abstimmen, ob die Partei in eine Regierung Merkel eintreten soll oder nicht. Sagt die Basis Nein, steht Deutschland vor Neuwahlen, die nicht zuletzt für die in Umfragen auf mickrige 17 Prozent kommende SPD höchst riskant wären.
Die Geschichte vom Rückzug des noch vor einem Jahr als Heilsbringer gefeierten Martin Schulz, der auf dem Parteitag im März 2017 mit 100 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Sigmar Gabriel an der Parteispitze gewählt worden war, ist auch die Geschichte eines zuletzt erbittert geführten Machtkampfs zwischen Schulz und seinem ehemaligen Parteifreund Gabriel – mit dem zumindest vorübergehend besseren Ende für Gabriel.
Dieser liess im Januar 2017 Schulz den Vortritt für die Kanzlerkandidatur, sicherte sich dafür den attraktiven Posten im Aussenministerium. Die Freundschaft zwischen dem Rheinländer Schulz und dem Niedersachsen Gabriel erfuhr im Bundestagswahlkampf erste Risse, nachdem Gabriel dem Kanzlerkandidaten immer wieder in die Parade gefahren war, was Schulz mächtig erzürnt hatte.
Nach seiner geplanten Ausbootung hat Gabriel seinen einstigen Parteifreund Schulz in einem Interview nun endgültig desavouiert. «Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt», griff der höchst beleidigte Gabriel Schulz und indirekt auch Fraktionschefin Andrea Nahles an.
Ob Gabriel nun Aussenminister bleiben wird, ist allerdings ungewiss. Sein direkter Angriff auf Schulz und Nahles ist in der SPD-Spitze nicht gut angekommen. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Gabriel und der kommenden SPD-Chefin Nahles seit längerem belastet ist.
Schulz’ Schritt wurde gestern in der SPD begrüsst. «Damit leistet er einen notwendigen Beitrag dazu, die Glaubwürdigkeit der SPD zu stärken», sagte Michael Groschek, Vorsitzender des einflussreichen SPD-Landesverbandes von Nordrhein-Westfalen. SPD-Vize Ralf Stegner bezeichnete den Schritt als «unausweichlich», die designierte Parteichefin Andrea Nahles sieht nun die Chance gekommen, die lästige Personaldebatte zu beenden. «Ich erwarte, dass sich nun alle auf die inhaltliche Debatte konzentrieren.»
Schulz, Merkel, Gabriel und Co müssen weg. Es braucht eine neue Generation von Politikern und keine alten Sesselfurzer..