Nach der Zuspitzung im Flüchtlingsstreit zwischen der Türkei und der Europäischen Union trifft EU-Ratschef Charles Michel den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Das Treffen an diesem Mittwoch in Ankara ist nach Angaben des Europäischen Rats für 13.00 Uhr (Ortszeit, 11.00 Uhr deutscher Zeit) angesetzt. Nähere Angaben lagen zunächst nicht vor.
In Brüssel beraten später die EU-Innenminister über die angespannte Lage an der griechischen Grenze zur Türkei. Dabei sollen Möglichkeiten ausgelotet werden, wie Athen beim Schutz der EU-Aussengrenzen unterstützt werden kann. Zudem wird erneut ein Signal der Solidarität mit Griechenland erwartet. Für Deutschland nimmt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an dem Treffen teil.
Seitdem die Türkei am Wochenende die Grenzen zur EU für Migranten für offen erklärt hatte, ist der Druck auf die griechischen Grenzen deutlich gestiegen.
Nach Uno-Angaben harren Tausende Migranten bei Kälte auf der türkischen Grenzseite aus. Viele wollen weiterziehen. Griechenland sichert die Grenze mit Härte. Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen. Menschenrechtler und Migrationsforscher kritisierten das Vorgehen scharf.
Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin demonstrierten am Dienstagabend mehrere Tausend Menschen dafür, die EU-Grenzen für Migranten zu öffnen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich dagegen am Dienstag bei einem Besuch an der Landgrenze zur Türkei entschieden hinter Griechenland gestellt. Sie dankte dem Land dafür, in diesen Zeiten der «europäische Schild» zu sein. «Diese Grenze ist nicht nur eine griechische Grenze, es ist auch eine europäische Grenze.»
Von der Leyen sagte Griechenland für das Migrationsmanagement bis zu 700 Millionen Euro Unterstützung zu. Auch die EU-Grenzschutztruppe Frontex wollte ihre Hilfe deutlich ausweiten. Bei dem Ministertreffen in Brüssel wird es auch darum gehen, welchen Beitrag die einzelnen EU-Staaten dazu leisten können.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bewertete die ersten Reaktionen auf die Herausforderung positiv: Die EU, Frontex und Griechenland hätten auf die aktuelle Lageentwicklung «schnell und besser abgestimmt reagiert» als im Jahr 2015.
Die Türkei werde weiterhin unterstützt. «Klar ist aber auch: 2015 darf sich nicht wiederholen», sagte die scheidende CDU-Chefin der Deutschen Presse-Agentur. Damals waren Hunderttausende Flüchtlige nach Europa und nach Deutschland gekommen.
Auch Seehofer unterstützte den Kurs Griechenlands. «Ich habe sehr deutlich heute in der Fraktion gesagt, dass die Grenzen Europas nicht geöffnet sind für diese Flüchtlinge aus der Türkei, und das gilt auch für unsere Grenze», sagte der CSU-Politiker nach einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin.
Ähnlich äusserte sich sein Ministerium am Abend unter anderem auf Arabisch und Englisch bei Twitter. Dies zog viele Reaktionen deutschsprachiger Twitter-Nutzer nach sich. Die einen beklagten Härte, die anderen begrüssten die Haltung.
Vertreter von Grünen, SPD und Linken hatten für eine Aufnahme von Geflüchteten plädiert. Überraschend zeigte sich auch Seehofer offen für die europäische Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus griechischen Flüchtlingslagern.
Er warb für eine «Koalition der Willigen» in der EU. Er werde bei dem Treffen in Brüssel dafür werben, in dieser Frage nicht zu warten, bis alle 27 Staaten mitmachten. Die Migrantenlager auf den griechischen Inseln in der Ost-Ägäis sind hoffnungslos überfüllt und in desolatem Zustand.
Eigentlich hatte Ankara sich im EU-Türkei-Abkommen von 2016 unter anderem dazu verpflichtet, gegen illegale Migration in die EU vorzugehen. Ausserdem sieht der Deal vor, dass Griechenland illegal auf die Ägäis-Inseln gelangte Migranten zurück in die Türkei schicken kann.
Im Gegenzug übernimmt die EU für jeden Zurückgeschickten einen syrischen Flüchtling aus der Türkei und unterstützt das Land finanziell bei der Versorgung der Flüchtlinge. Erdogan wirft der EU vor, ihre Versprechen nicht eingehalten zu haben - die EU weist das zurück. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell wollte am Mittwoch in der Türkei seine Bemühungen zur Rettung des Abkommens fortsetzen. (sda/dpa)