Entsetzen in Grossbritannien: Menschen in Zug niedergestochen
Rucksäcke und Kleidung liegen verstreut auf dem Boden vor dem Bahnhof in der englischen Stadt Huntingdon. Forensiker untersuchen jedes noch so kleine Detail, umrandet von dem typisch blau-weissen Absperrband. Ein Zug, der am Sonntag auf den Gleisen des Bahnhofs stand, wurde nahe der kleinen Stadt in der Grafschaft Cambridgeshire erst am Abend zuvor Schauplatz einer verheerenden Attacke.
Mehrere Menschen wurden dort am Samstagabend in den Waggons nahe der Stadt attackiert und niedergestochen, die Polizei sicherte ein Messer. Einen terroristischen Hintergrund schlossen die Ermittler vorerst aus. Festgenommen wurden unmittelbar nach der Tat zwei Männer im Alter von 32 und 35 Jahren - am Sonntagabend wurde mitgeteilt, dass der 35-Jährige ohne weitere Massnahmen wieder entlassen wurde.
Der 32-Jährige bleibt wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Haft. Er ist in Grossbritannien geboren und hat einen Migrationshintergrund. «Spezialisierte Ermittler untersuchen den Hintergrund des Verdächtigen, den wir in Gewahrsam haben, sowie die Ereignisse, die zu dem Angriff geführt haben», zitierte Sky News Deputy Chief Constable Stuart Cundy.
Bahnmitarbeiter wird zum Helden
Im Krankenhaus wurden elf Menschen behandelt. Fünf der Verletzten konnten mittlerweile wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden, wie die British Transport Police am Sonntagabend mitteilte. Ein Mensch befindet sich weiterhin in einem lebensbedrohlichen Zustand, zunächst waren es zwei gewesen.
Den Angaben zufolge handelt es sich um einen Mitarbeiter der Bahn, der versucht hat, den Angreifer aufzuhalten. Die Ermittler hätten die Aufzeichnungen der Überwachungskameras aus dem Zug ausgewertet, zitierte die BBC die Polizei. «Und es ist klar, dass seine Handlungen nichts weniger als heldenhaft waren und zweifellos vielen Menschen das Leben gerettet haben.»
Fahrgäste versteckten sich auf Toiletten
In Grossbritannien herrschte Entsetzen. König Charles III. und Königin Camilla teilten mit, sie seien «zutiefst entsetzt und schockiert». «Unser tiefstes Mitgefühl und unsere Gedanken gelten allen Betroffenen und ihren Angehörigen. Wir sind den Rettungskräften für ihren Einsatz bei diesem schrecklichen Vorfall besonders dankbar», heisst es in einer Stellungnahme auf der Plattform X.
Der britische Premierminister Keir Starmer sprach bereits am Samstagabend von einem «schrecklichen Vorfall», der «zutiefst beunruhigend» sei. «Nach der schrecklichen Attacke von gestern Abend sind meine Gedanken heute bei den Opfern, ihren Freunden und Familien», teilte auch Innenministerin Shabana Mahmood auf X mit.
Augenzeugen berichteten mehreren Medien zufolge von schockierenden Szenen in den Waggons des Zuges, der von Doncaster in die britische Hauptstadt unterwegs war. Fahrgäste hätten einen Mann mit einem grossen Messer gesehen. Viele seien panisch durch die Waggons gerannt und hätten sich auf den Toiletten versteckt, überall sei Blut gewesen.
Noch in der Nacht stuft die British Transport Police die Tat als «schwerwiegenden Vorfall» ein. Die Anti-Terror-Polizei wurde zu den Ermittlungen hinzugezogen.
Messerkriminalität seit Jahren Problem
Ob politisch motivierte Tat oder nicht: Der folgenschwere Vorfall lenkt den Fokus auch medial erneut auf ein Problem, mit dem Grossbritannien seit Jahren zu kämpfen hat. Seit 2011 sei die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit Messern in England und Wales insgesamt gestiegen, berichtete etwa die BBC unter Berufung auf Statistiken der Regierung, auch wenn die Zahl im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen sei. 2024 wurden in den beiden Ländern demnach fast 50.000 Straftaten mit Messern registriert.
Premierminister Starmer bezeichnete die Messergewalt laut BBC bereits als nationale Krise. Im vergangenen Jahr wurden etwa Macheten und sogenannte «Zombie»-Messer verboten. Im Rahmen einer Aktion der Regierung wurden Zehntausende Messer abgegeben oder von der Polizei beschlagnahmt.
Erst vor einem Monat kam es am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu einem tödlichen Anschlag auf eine jüdische Gemeinde in Manchester, der von der Polizei getötete Angreifer stach auch hier auf Menschen ein. Bei dem Angriff auf die Synagoge waren zwei Mitglieder der Gemeinde getötet und weitere verletzt worden. (sda/dpa)
