Am Sonntag, dem Weltfrauentag, hätte in Indien eine BBC-Dokumentation über die Massenvergewaltigung und den Mord an einer Studentin ausgestrahlt werden sollen. Dazu wird es nicht kommen: Die indischen Behörden haben den TV-Sendern des Landes verboten, den Film zu zeigen.
«India's Daughter» handelt von Jyoti Singh, die Ende 2012 in Delhi in einem Bus von sechs Männern vergewaltigt und so brutal misshandelt wurde, dass sie später an den Verletzungen starb. Das Verbrechen löste weltweit Entsetzen aus und führte zu heftigen Protesten in ganz Indien.
Die BBC beschloss kurzfrisitig, den Film schon gestern Mittwoch auszustrahlen (siehe komplettes Video unten). Im Vorfeld kursierten bereits Ausschnitte, in denen Fimemacherin Leslee Udwin mit einem der zum Tod verurteilten Vergewaltiger im Gefängnis sprach. Der Mann zeigte keinerlei Reue und gab stattdessen dem Mädchen die Schuld.
Die schwer erträglichen Sequenzen hatten in Indien heftige Reaktionen und bei den Behörden offenbar Ängste ausgelöst, dass sich die Proteste von 2012 wiederholen könnten. Offiziell wird ein anderer Grund für das Filmverbot vorgeschoben: Laut Guardian wirft Indiens Innenminister der Filmemacherin vor, den Gefängnisbehörden nicht das ganze Material gezeigt zu haben. Er zeigte sich zudem schockiert, dass sie überhaupt eine Bewilligung für das Interview mit dem Todeskandidaten erhalten habe.
«India's Daughter» rekonstruiert das Verbrechen bis ins letzte grausame Detail. Auch Angehörige der Betroffenen kommen zu Wort. So sagt die Mutter des Opfers: «Der Chirurg sagte er mir, er habe in den 20 Jahren seiner Tätigkeit noch nie so etwas gesehen.» Die Frau eines der inhaftierten Vergewaltigers fragt: «Wer wird nun für mich sorgen, wer wird mich beschützen?»
Auch der kulturelle Unterbau Indiens wird beleuchtet: «Die Mentalität dieser Männer ist: Wir haben das Recht dazu. Wir befinden uns im Spass-Modus, und alle haben ein Recht auf Spass. Die Reichen kaufen sich den Spass, wir haben nur unseren Mut», sagt der Psychiater des Gefängnisses, wo vier der sechs Vergewaltiger einsitzen. Einer hat sich das Leben genommen und ein zum Zeitpunkt des Verbrechens minderjähriger Täter wird Ende dieses Jahr freikommen.
«Ich wünsche mir vor allem eins: Die indischen Behörden sollen sich den Film ansehen, bevor sie ihn verbieten», sagte Fimemacherin Leslee Udwin gegenüber der BBC. Wie so oft, dürfte die hilflose Reaktion der Behörden die gegenteilige Wirkung haben und das ohnehin grosse Interesse an dem Film im Land noch steigern.