Militante Palästinenser haben nach der gezielten Tötung ihres Anführers Raketen auf Israel abgefeuert. In mehreren Städten bis zum südlichen Rand der Küstenstadt Tel Aviv waren am Freitagabend Sirenen zu hören. Israelischen Medienberichten zufolge gingen die Raketen auf offenem Gelände nieder oder wurden vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. Die Stadt Tel Aviv öffnete nach Medienberichten aus Sorge vor weiteren Attacken öffentliche Luftschutzräume.
Der militärische Arm der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad (PIJ) erklärte am späten Abend: «Wir greifen Tel Aviv und die Städte des Zentrums und der Umgebung mit mehr als 100 Raketen an.» Dies sei die Antwort auf die Ermordung ihres Anführers Taisir al-Dschabari.
Israels Streitkräfte hatten ihn zuvor nach Drohungen der Organisation bei einer grossangelegten Militäroperation im Gazastreifen getötet. Der hochrangige Kommandeur war der Armee zufolge verantwortlich für zahlreiche Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und geplante Angriffe auf Zivilisten. Der Islamische Dschihad wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.
Nach palästinensischen Angaben kamen bei den israelischen Luftangriffen mindestens zehn Menschen ums Leben, darunter neben Al-Dschabari ein fünfjähriges Kind und weitere PIJ-Mitglieder. Mindestens 75 Menschen seien verletzt worden. Die im Gazastreifen herrschende Hamas teilte mit: «Die Besatzung (die Bezeichnung der Hamas für Israel) hat die roten Linien überschritten».
2019 hatte Israel bereits den Vorgänger von Al-Dschabari, Dschihad-Militärchef Baha Abu al-Ata, gezielt getötet. Darauf folgten damals massive Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Orte und Gegenangriffe der israelischen Luftwaffe in dem Küstenstreifen. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden.
Nach Angaben der israelischen Armee sind bei dem Luftangriff ausser Al-Dschabari weitere Dschihad-Mitglieder ins Visier genommen worden. Sie sollen einen Angriff gegen Israel vorbereitet haben. Auch Militärbasen und Gebäude der PIJ wurden demnach in Gaza angegriffen. Für die israelischen Gebiete rund um den Küstenstreifen wurde am Freitag eine erhöhte Sicherheitsstufe ausgerufen.
Die israelischen Angriffe dauerten am Abend an. Ministerpräsident Jair Lapid teilte mit: «Die israelische Regierung wird es Terrororganisationen nicht erlauben, die Agenda in den Ortschaften am Rande des Gazastreifens zu bestimmen und israelische Bürger zu bedrohen. Wer Israel angreifen will, muss wissen, dass wir zu ihm gelangen werden.»
Am Montag war bei einem israelischen Anti-Terror-Einsatz der Anführer des Islamischen Dschihads im Westjordanland, Bassem Saadi, festgenommen worden. Der militärische Arm der Organisation, Saraja al-Kuds, drohte daraufhin mit Angriffen. Der Dschihad ist eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden und verübt aus dem Gazastreifen regelmässig Raketenangriffe auf Israel. Das israelische Militär sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft.
Im Gazastreifen leben rund zwei Millionen Einwohner unter sehr schlechten Bedingungen. Die von der EU als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Gebiets, die von Ägypten mitgetragen wird. Beide Staaten begründen die Massnahme mit Sicherheitsinteressen.
In der Vergangenheit hatte Israel immer wieder politische und militärische Führer der Hamas gezielt getötet. Der spirituelle Führer Ahmed Jassin, der im Rollstuhl sass, kam 2004 bei einem Luftangriff Israels ums Leben. Später tötete Israel auch dessen Nachfolger Abdel Asis Rantisi und 2012 den Hamas-Militärchef Ahmed Dschabari. (sda/dpa)