Zwei Monate nach der Erdbeben-Katastrophe in Mittelitalien mit fast 300 Toten haben erneut mehrere schwere Erdstösse die Region erschüttert. Nach den Worten des italienischen Zivilschutzchefs Fabrizio Curcio wurden zwar viele Gebäude zerstört oder beschädigt, doch war die Lage «nicht so katastrophal», wie es angesichts der Stärke der Erdstösse zu erwarten gewesen wäre.
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— Davide Del Gaudio (@davide_del) 26. Oktober 2016
Nach offiziellen Angaben starb ein Mann, weil er wohl in Folge der Beben vom Mittwochabend einen Herzinfarkt erlitten hatte. Berichte über weitere Todesopfer gab es zunächst nicht. Es gab Schäden an Gebäuden in der Gegend nahe der Grenze der Regionen Marken und Umbrien.
Rund 3000 Menschen haben nach den Erdbeben in Mittelitalien ihre Häuser verlassen und im Freien oder in Notunterkünften übernachtet. «Wir suchen nach Unterkünften. Wir können in dieser Jahreszeit keine Zelte aufschlagen», sagte der Chef des Zivilschutzes der Region.
Die Bevölkerung verbrachte eine Nacht der Angst. Heftige Niederschläge erschwerten die Lage. Drei Spitäler in der Region Marken mussten aus Sicherheitsgründen evakuiert werden. Die Patienten sind in anderen Spitälern der Gegend untergebracht worden.
Die Rettungsteams versuchten am Donnerstagmorgen, sich einen Überblick über das Ausmass der Schäden verschaffen. Die Dunkelheit, Regen sowie Dutzende Nachbeben hatten zuvor eine genaue Schadensabschätzung verhindert.
Um die 1000 Kräfte Rettungskräfte waren im Einsatz. «Der Rettungseinsatz hat gut funktioniert, vor allem wenn man bedenkt, dass das Erdbebengebiet besonders gross ist. Wir werden niemanden allein lassen», sagte Innenminister Angelino Alfano.
In den Marken wurden schwere Schäden am Kulturerbe der Region gemeldet worden. Zahlreiche Kirchen der Gegend wurden schwer beschädigt.
Der Kirchturm des Wallfahrtsorts von Santa Maria in Via in der Kleinstadt Camerino stürzte auf ein gegenüber liegendes Gebäude. Der Kirchturm war bereits 1997 von einem Erdbeben beschädigt und restauriert worden. Dem Erdbeben am 24. August hatte er noch Stand gehalten.
«Ganz Camerino ist mit seinem historischen Kern ein Monument. Die Sachschäden sind enorm. Auch die Kirche des Heiligen Philipp hat schwere Schäden erlitten», berichtete der Bürgermeister von Camerino, Gianluca Pasqui.
Auch in Visso südöstlich von Perugia stürzte eine Kirche ein. «Es ist wie nach einem Bombenangriff», berichteten Augenzeugen. Der Erzbischof von Spoleto-Norcia, Renato Boccardo, berichtete, dass die Kirche San Salvatore in Campi di Norcia, rund 20 Kilometer südlich von Visso, eingestürzt sei.
Sachschäden wurden am Mittwoch auch in der umbrischen Ortschaft Cascia, Heimat der Heiligen Rita, gemeldet. Die Heilige Rita von Cascia ist eine der beliebtesten Heiligen vor allem in den romanischsprachigen Ländern Europas und Amerikas.
Der heftigste Erdstoss wurde nahe Visso gemessen. Die Stärke variierte nach Angaben unterschiedlicher Erdbebenwarten zwischen 5,9 und 6,1 auf der Richter-Skala. Viele Menschen hatten wegen eines Vorbebens schon ihre Häuser verlassen und hielten sich im Freien auf.
Die Erdstösse ereigneten sich in jener Region, die erst Ende August von einem heftigen Beben getroffen worden war. Damals kamen 298 Menschen ums Leben, die meisten davon in der Ortschaft Amatrice.
Insgesamt sei die Situation nach den Beben vom Mittwochabend «weniger dramatisch als gedacht», sagte Zivilschutz-Chef Fabrizio Curcio der Nachrichtenagentur Ansa zufolge um Mitternacht auf einer Pressekonferenz.
Fernsehbilder zeigten schwere Schäden an Gebäuden. Spezial-Teams suchten nach möglichen Vermissten – es sehe derzeit aber so aus, als gebe es keine. Die nächsten Stunden würden zeigen, ob die Einschätzung der Lage so bleibe, sagte Curcio.
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Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, sagte, auch in seinem Ort sei es erneut zu Schäden gekommen. «Es gab Einstürze, aber nur von Gebäuden, die schon beschädigt waren», sagte er laut Ansa. «Natürlich weckt das wieder die Angst.»
Augenzeugen in der Unglücksregion sprachen zunächst von einer «apokalytischen Situation». Die Erde habe «furchtbar lang» gebebt, sagte Marco Rinaldi, Bürgermeister der Gemeinde Ussita dem TV-Sender Sky TG24.
«Die kritischste Situation ist in Castelsantangelo sul Nera, wo die Stromversorgung fehlt», sagte Cesare Spuri vom Zivilschutz in der Region Marken. Der Bürgermeister des Ortes, Mauro Falcucci, sagte einem Fernsehsender: «Mit Sicherheit gab es Einstürze.»
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— Claudio Paudice (@clapaudice) 26. Oktober 2016
In den Marken sollten drei Krankenhäuser geräumt werden. Am Donnerstag sollten mehrere Schulen in Mittelitalien geschlossen bleiben.
Auch in Rom gab es Schäden. In mehreren Gebäuden seien Risse festgestellt worden, meldete Ansa. Nach dem ersten Erdstoss seien binnen einer halben Stunde rund hundert Notrufe beim Zivilschutz eingegangen.
Menschen liefen auf die Strasse, einige twitterten Videos von wackelnden Lampen und Fenstern, die sich durch das Zittern geöffnet hatten. Auch das Aussenministerium wurde sicherheitshalber geräumt.
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— Benito Oliva (@benito_oliva) 26. Oktober 2016
«Die Entfernung zwischen beiden Beben ist rund 30 Kilometer. Es ist also durchaus möglich, dass da eine gewisse Wechselwirkung ist», sagte der Seismologe Frederik Tilmann der Deutsche Presse-Agentur.
Der Forscher am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam hält es für denkbar, dass beide Ereignisse damit Teil eines grösseren Abbaus von Spannungen sind – mögliche weitere Beben sind damit nicht ausgeschlossen. (gin/erf/cma/sda/dpa)