International
Joe Biden

Joe Biden stolpert erneut: Ist er zu alt für eine zweite Amtszeit?

President Joe Biden points to sandbags after falling on stage during the 2023 United States Air Force Academy Graduation Ceremony at Falcon Stadium, Thursday, June 1, 2023, at the United States Air Fo ...
Der da war's! Joe Biden deutet auf den Sandsack, über den er gestürzt war.Bild: keystone

Joe Biden triumphiert und stürzt: Braucht es doch eine Alternative?

Die Erfolgsbilanz von US-Präsident Joe Biden ist eindrücklich. Seine Popularitätswerte aber sind miserabel. Viele Amerikaner halten ihn für zu alt, und die jüngste Episode wird sie darin bestätigen.
02.06.2023, 14:0402.06.2023, 14:36
Mehr «International»

Manchmal ist es nur ein kleiner Schritt zwischen Erfolg und Absturz. Joe Biden hat dies am Donnerstag im wahrsten Sinn erlebt, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Nach seiner Rede an der Abschlussfeier der Air Force Academy in Colorado Springs stolperte der 80-jährige US-Präsident auf der Bühne über einen Sandsack und fiel auf den Boden.

Biden war schnell wieder auf den Beinen und offenbar unverletzt. Das Video des Vorfalls verbreitete sich dennoch in Windeseile. Denn es war nicht der erste Stolperer des greisen Präsidenten, der sich immer roboterhafter bewegt. Selbst Kevin O’Connor, der Arzt des Weissen Hauses, räumte ein, Joe Bidens Gang habe sich «versteift».

Ansonsten sei der Präsident aber fit und bei guter Gesundheit, betonte der Doktor. Auch geistig sei er auf der Höhe, obwohl Biden immer wieder Aussetzer unterlaufen. Dennoch stellt sich unweigerlich die Frage, ob der schon heute älteste US-Präsident der Geschichte eine zweite Amtszeit anstreben soll. Seine erneute Kandidatur hat er kürzlich angekündigt.

Schneller müde als früher

Joe Biden weiss um seine Schwächen. In Colorado Springs hatte er selber über sein Alter gewitzelt: «Nachdem ich vor 300 Jahren die Highschool abgeschlossen hatte, bewarb ich mich an der Marineakademie.» Seine Mitarbeiter verwiesen darauf, dass er während eineinhalb Stunden allen 921 Luftwaffen-Kadetten persönlich die Diplome überreicht habe.

Aus seinem Umfeld heisst es gemäss Politico, Biden habe mental nicht nachgelassen, doch er ermüde schneller als früher. Deshalb wirke er fragiler, als er tatsächlich sei. Seine Arbeitstage müssten entsprechend angepasst werden. Die Frage nach seinem Alter werde «eine anhaltende Herausforderung sein», meinte der frühere Obama-Berater David Axelrod.

Der grosse Dealmaker

Doch es gibt auch die andere Seite. Sie zeigte sich am Donnerstagabend, als der Senat das Gesetz zur Anhebung der Schuldenobergrenze mit klarer Mehrheit durchwinkte. Damit ist dieses leidige Thema bis nach den nächsten Wahlen abgehakt. Es war ein grosser Erfolg für Präsident Biden – und für Kevin McCarthy, den Speaker des Repräsentantenhauses.

President Joe Biden meets with House Speaker Kevin McCarthy of Calif., to discuss the debt limit in the Oval Office of the White House, Monday, May 22, 2023, in Washington. (AP Photo/Alex Brandon)
Joe ...
Kevin McCarthy und Joe Biden gelang ein kaum für möglich gehaltener Kompromiss.Bild: keystone

Selbst führende Medien konnten es kaum fassen, dass ein solcher Kompromiss in der heutigen, scharf polarisierten US-Politik noch möglich ist. Er ist ein weiterer Beleg für Joe Bidens Fähigkeit als Dealmaker, die er während mehr als 50 Jahren in Washington beinahe zur Perfektion entwickelt hat. Und vor allem ist er nicht sein einziger Erfolg.

Eindrückliche Errungenschaften

In den weniger als zweieinhalb Jahren seit seiner Vereidigung hat der Demokrat mehrere grosse Vorhaben durch den Kongress gebracht. Dazu gehören das Covid-Hilfspaket, die Reparatur der maroden Infrastruktur, das Gesetz zur Ankurbelung der Halbleiter-Produktion in den USA oder der Inflation Reduction Act mit seinen Sozial- und Klimaschutzprojekten.

Mit seiner anhaltenden finanziellen und militärischen Unterstützung ermöglicht Joe Biden der Ukraine den Widerstand gegen den russischen Aggressor. Denkwürdig war sein Besuch in Kiew im Februar. Erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten reiste ein Präsident ohne Schutz durch die US-Armee in ein Kriegsgebiet. Vor ihm hatte das keiner gewagt.

Die Amerikaner sind sauer

Eine derart eindrückliche Bilanz kann wohl kein US-Präsident seit Lyndon Johnsons Bürgerrechts- und Sozialgesetzen in den 1960er-Jahren vorweisen. Dennoch endete Johnson als tragische Figur, weil er die USA immer tiefer in den Sumpf des Vietnamkriegs geführt hatte. Muss Joe Biden ein ähnliches Schicksal wie der Texaner befürchten?

FILE - This August 1967 file photo shows President Lyndon B. Johnson. Johnson secretly underwent surgery for removal of a skin lesion on his hand in 1967. (AP Photo, File)
Lyndon Johnson hatte eine eindrückliche innenpolitische Bilanz und galt am Ende dennoch als gescheitert.Bild: keystone

Seine Errungenschaften schlagen sich jedenfalls nicht in den Popularitätswerten nieder. Sie befinden sich auf einem Tiefpunkt. Wegen der Inflation – die zuletzt allerdings rückläufig war – und den gestiegenen Hypothekarzinsen haben sich die Lebensumstände vieler Amerikanerinnen und Amerikaner verschlechtert. Das kreiden sie dem Präsidenten an.

Wo sind die Alternativen?

Hinzu kommt die Altersfrage. Joe Biden wäre bei seiner erneuten Vereidigung 82-jährig. Gemäss einer Umfrage von ABC News und «Washington Post» finden 68 Prozent der Amerikaner, er sei zu alt für eine zweite Amtszeit. Selbst eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler der demokratischen Partei würden eine jüngere Alternative vorziehen.

Fragt sich nur, wer das sein soll. Bisher haben sich zwei Personen als Herausforderer bei den Demokraten gemeldet: Marianne Williamson, eine Autorin von Selbsthilfe-Büchern, und der Präsidenten-Neffe Robert Kennedy jr., ein einstmals respektierter Umwelt-Aktivist, der in die Covid-Verschwörungsszene abgedriftet ist. Beide gelten als komplett chancenlos.

Gerangel bei den Republikanern

Ernsthaftere Herausforderer halten sich zurück. Einige scheinen ihre Ambitionen auf die Wahlen 2028 auszurichten (Pete Buttigieg, Gretchen Whitmer, Raphael Warnock). Im Hintergrund «lauern» könnte Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien. Er wurde letztes Jahr klar wiedergewählt und versucht seither, sein nationales Profil zu schärfen.

California Gov. Gavin Newsom loks at alternative fuel trucks at World Energy Paramount in Paramount, Calif., Monday, May 1, 2023. (Hans Gutknecht/The Orange County Register via AP)
Gavin Newsom könnte sich als Alternative zu Joe Biden in Stellung bringen.Bild: keystone

Solange Joe Biden an seiner erneuten Kandidatur festhält, hat er jedoch kaum etwas zu befürchten. Bei den Republikanern hingegen wagen sich immer mehr Möchtegerns aus der Deckung. Nächste Woche dürften Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey, und Ex-Vizepräsident Mike Pence ihre Kandidatur für die Wahl 2024 ankündigen.

Rematch gegen Trump?

Darüber freuen kann sich nur Donald Trump, der auf seine eingeschworene Fangemeinde zählen kann. Und indirekt Joe Biden, denn gegen Trump hätte er intakte Chancen, die Wahl erneut zu gewinnen. Die Aussicht auf einen Rematch zwischen den beiden alten Männern graut längst nicht nur die Amerikaner. Doch der Präsident scheint darauf zu spekulieren.

Falls sich die Inflation und die Zinsen weiter abschwächen, wird ihm das zusätzlich helfen. Zwar droht weiterhin eine Bankenkrise, doch die US-Wirtschaft «weigert» sich bislang hartnäckig, in die prognostizierte Rezession abzugleiten. Und unterschätzen darf man den alten Fuchs Biden ohnehin nicht. Er sollte einfach nicht zu oft auf die Schnauze fallen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Joe Biden - sein Leben in Bildern
1 / 22
Joe Biden - sein Leben in Bildern
1942 wird im US-Bundesstaat Pennsylvania ein Bub geboren, der später zu höchsten politischen Weihen gelangen sollte: Joseph Robinette Biden, genannt «Joe». Joe ist eines von vier Kindern, die Bidens eine Arbeiterfamilie.

Bild: Präsidentschaftskampagne Joe Biden.
quelle: https://joebiden.com/joes-story/
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Highlights von Bidens Rede zur Lage der Nation
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
66 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Der Micha
02.06.2023 14:09registriert Februar 2021
Ich bin einmal gegen einen Briefkasten gelaufen. Muss ich deswegen meinen Job wechseln?

Die Kritiker (insbesondere die Reps) sollten dies bezüglich die Füße still halten, denn sowas wird meist immer weiter hochgepuscht als es nötig ist.
10141
Melden
Zum Kommentar
avatar
SBRUN
02.06.2023 14:36registriert September 2019
Das Schwierigste scheint aber auch Biden nicht zu schaffen, jüngere, valable Nachfolger*Innen aufzubauen, und dann loslassen. Eine verantwortungsvolle Person, der wie Biden betont, die USA das Wichtigste ist, wäre sich bewusst, wie schnell es in diesem Alter zu Ende gehen kann und würde alles daran setzen, die Nachfolge zu regeln.
4114
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mother of Pearl
02.06.2023 16:29registriert September 2021
Man weiss ja, dass Präsident Biden sturzgefährdet ist. Seine Security Crew müsste eigentlich im Stande sein, potentielle Hindernisse wie Sandsäcke vorgängig wegzuräumen.
232
Melden
Zum Kommentar
66
«Israel wird die Hamas nicht zerstören»
Die israelische Armee hat einen Angriff auf die Stadt Rafah angekündigt. Sie will die verbliebenen Hamas-Kämpfer eliminieren. Nahost-Experte Andreas Krieg kritisiert die Pläne. Der Gaza-Streifen müsse sich selbst verwalten können, Israels Strategie der Gewalt sei nicht nachhaltig.

Herr Krieg, die israelische Armee plant eine Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gaza-Streifens. Sie will so die letzten Bataillone der islamistischen Hamas zerschlagen. Wie realistisch ist es, dass Israel diese Offensive durchzieht?
Andreas Krieg: Sicher viel realistischer als noch vor ein paar Wochen.

Zur Story