Donald Trump prahlt damit, der genialste Verhandler aller Zeiten zu sein, und hat darüber gar ein Buch verfasst, «The Art of the Deal». In der Praxis hingegen sieht seine Bilanz durchzogen aus. Als Geschäftsmann hat er mit seinen Kasinos Milliarden in den Sand gesetzt, und politisch sind seine Erfolge überschaubar.
Joe Biden hätte als Autoverkäufer wohl kaum Karriere gemacht. Er ist ein mässiger Redner, verhaspelt sich immer wieder, wirkt oft leicht verwirrt, stolpert Treppen hinauf und stürzt vom Velo. Doch täuscht euch nicht: Dieser Typ ist ein geradezu genialer Verhandler. Trotz schwierigsten Voraussetzungen hat er so viele bedeutende Gesetze durch den Kongress gebracht wie vor ihm kein Präsident der Nachkriegszeit.
Und jetzt hat Biden sein Meisterstück abgeliefert. Er wird in den nächsten Tagen den Kongress dazu bringen, die Schuldenobergrenze für zwei Jahre zu erhöhen. Damit wird eine Katastrophe für die USA und die Weltwirtschaft abgewendet. Doch zunächst ein kurzer Rückblick:
Die Schuldenobergrenze ist ein Gesetz, wie es nur die USA kennen. Es erlaubt dem Repräsentantenhaus darüber abzustimmen, ob bereits getätigte Ausgaben nachträglich genehmigt werden sollen. Wird diese Zusage verweigert, dann müssen die USA den Staatsbankrott erklären und können somit ihre Schulden nicht mehr bedienen. Bisher sind die Amerikaner ihren Verpflichtungen jedoch stets nachgekommen. Deshalb sind die US-Staatsanleihen, die T-Bonds, das wohl bedeutendste Instrument auf den Finanzmärkten.
Die Schuldenobergrenze darf nicht verwechselt werden mit den Budgetverhandlungen. Der Kongress kann ebenfalls seine Zustimmung zu einem Budget verweigern, der Präsident kann dagegen sein Veto einlegen. In diesem Fall kann der Staat seine Angestellten nicht mehr bezahlen und muss die Verwaltung teilweise schliessen. Seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern kann er jedoch weiterhin nachkommen. Ein «shut down» der Regierung ist zwar ärgerlich und so nötig wie ein Kropf, er ist jedoch weit weniger katastrophal als die Weigerung, die Schuldenobergrenze anzuheben.
So. Nun zur aktuellen Situation. Die Republikaner haben die Zwischenwahlen gewonnen, weit weniger deutlich als allgemein erwartet, aber trotzdem. Sie haben im Abgeordnetenhaus eine hauchdünne Mehrheit und damit auch die Option, eine Anhebung der Schuldenobergrenze zu verweigern.
Biden war bewusst, dass er selbst mit dieser hauchdünnen Mehrheit irgendwann einen Deal würde abschliessen müssen und dass dies eine mehr als heikle Geschichte werden würde. Theoretisch gibt es zwar im 14. Zusatz zur Verfassung einen Passus, der dem Präsidenten die Möglichkeit gibt, einen Staatsbankrott zu vermeiden, zumindest theoretisch. In der Praxis ist dies jedoch noch nie ausprobiert worden, und Biden hatte wenig Lust, dies als Erster zu versuchen, schon gar nicht mit einem von konservativen Richtern beherrschten Supreme Court im Rücken.
Also griff der Präsident zu einer List. Schon im Januar liess er verlauten, er werde auf keinen Fall einen Deal zur Anhebung der Schuldenobergrenze akzeptieren. Schliesslich handle es sich darum, Schulden zu begleichen, die bereits getätigt worden sind, zu einem beträchtlichen Teil übrigens von seinem Vorgänger Trump. Biden erhielt in seiner harten, aber verständlichen Haltung breite Unterstützung aller nicht konservativen Medien und seiner Partei. Auch Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, wiederholte diese Weigerung gebetsmühlenartig und verlangte einen «clean deal», will heissen, eine bedingungslose Anhebung der Schuldenobergrenze.
Die Republikaner spielten ihre Rolle brav mit. Kevin McCarthy, ihrem Anführer im Repräsentantenhaus, gelang es, ein Gesetz zu verabschieden, das zwar eine Anhebung der Schuldenobergrenze vorsah, aber zu Bedingungen, welche die Demokraten niemals hätten akzeptieren können. Doch dieses Gesetz gab McCarthy die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit als verantwortungsbewusster Staatsmann in Pose zu werfen.
Biden sah diesem Treiben monatelang zu und nahm dabei in Kauf, als Schwächling dazustehen. Mehr noch, er schien gar einzuknicken. Plötzlich war er zu Verhandlungen bereit, empfing McCarthy im Oval Office und schickte seine beiden Verhandler, den mit allen Wassern gewaschenen, erfahrenen Steve Ricchetti und die charmante junge Mutter Shalanda Young, ins Gefecht. Mit Erfolg: Ihnen gelang es, einen Deal abzuschliessen, mit dem nun eine Staatspleite im letzten Moment verhindert werden kann.
Wie ist dies möglich geworden? Weil Biden seinem Gegenspieler erlaubt hat, sich nun gegenüber seiner Partei als derjenige aufzuspielen, der das «Own the libs»-Spiel (Die-Demokraten-veräppeln-Spiel) beherrscht, der Biden an den Verhandlungstisch gebracht und ihm seinen Willen aufgezwungen hat.
Optisch stimmt dies, inhaltlich nicht. Ausser ein paar Krümeln haben die Republikaner überhaupt nichts erreicht. Ein paar Abstriche bei den Sozialleistungen, die anderweitig kompensiert werden. Eine kurze Verschiebung bei der Aufstockung des Budgets für die Steuerbehörde und die Zusage zu einer Pipeline, die Biden eh schon lange Joe Manchin versprochen hatte. That’s it.
Ganz anders sieht es für Biden aus. Sein Paradestück, der Green Deal, bleibt unangetastet, ebenso die Verbesserungen im Gesundheitswesen. Vor allem hat Biden mit diesem Deal erreicht, dass er nun bis zu Ende seiner ersten Amtszeit Ruhe hat. Die Budget-Diskussionen im kommenden Herbst sind damit bereits aufgegleist. Die nächste Schuldenobergrenze-Diskussion kann frühestens in zwei Jahren wieder die Finanzmärkte beunruhigen.
Kurz: Mit einer vermeintlichen Niederlage hat Biden seinen wohl bedeutendsten Sieg in seiner Amtszeit errungen. Okay, der linke Flügel ist unglücklich, doch Biden hat bei den Progressiven so viel politisches Kapital auf der Bank, dass sie ihm verzeihen werden. Bei den gemässigten Demokraten und den unabhängigen Wählern hingegen steht der Präsident als der ruhende Pol da.
Biden konnte diese Nummer auch deshalb durchziehen, weil er wusste, dass auch sein Gegenspieler McCarthy eine Staatspleite niemals hätte zulassen können. Er hat ihm deshalb mit seiner vermeintlichen Niederlage – der Einwilligung, zu verhandeln – einen Ausweg offengelassen. McCarthy musste diesen Ausweg nehmen und wird deswegen wohl bald eine Menge Ärger mit den «Durchgeknallten» in seiner Fraktion kriegen.
Der Präsident hingegen hat ein ganz anderes Problem: Er muss im Triumph bescheiden bleiben – und darf seinen Sieg nicht allzu offen feiern.
Soviel zum Thema, dass Bidens Alter ein Hinderungsgrund sei, für eine weitere Amtsperiode zu kandidieren. Biden ist ein über alle Massen qualifizierter Präsident für die USA, und es kann diesem Land (und dem Rest der westlichen Welt) kaum was besseres passieren, als wenn er nochmals 4 Jahre weitermachen kann.
Nicht nur das. Ohne Trumps Vater hätte es noch schlimmer für Donald kommen können. Sein Vater hat ihn quasi mehr oder weniger immer wieder mit Geld zugeschustert.
Das Problem bei der Verhandlung mit der Schuldenobergrenze ist, dass es kein richtig oder falsch gibt. Sowohl im rechten auch im linken Flügel wird deswegen gemeckert.
Irgendwer wird immer einen Angriffspunkt finden, dass Abkommen zu diskreditieren. Unabhängig davon ob diese Vorwürfe richtig oder falsch sind. Am Ende wird der Lauteste immer gehört.