«Operação Lava Jato» – Operation Waschstrasse: Diese Korruptionsermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft hält die brasilianische Politik seit Jahren in Atem. Im Zentrum der Affäre stehen Schmiergelder – insgesamt mehr als eine Milliarde US-Dollar –, welche brasilianische Firmen wie der Ölgigant Petrobras oder der Baukonzern Odebrecht an Politiker zahlten, um sich Aufträge zu sichern.
Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Bundesanwaltschaft in Bern: Ihre Hinweise führten 2014 zur Verhaftung eines hochrangigen Managers des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras. Dessen Aussagen brachten die Ermittlungen erst richtig ins Rollen.
Bei der Bundesanwaltschaft in Bern ging bereits im Mai 2016 ein Rechtshilfeersuchen der brasilianischen Justiz ein. Die brasilianische Staatsanwaltschaft verlangt darin Einblick in Unterlagen zu einem in der Schweiz gesperrten Konto. Über dieses wurden «laut damaligem Kenntnisstand politische Kampagnen in Mittel- und Südamerika finanziert», wie die «Schweiz am Sonntag» berichtete.
Die brasilianische Justiz interessiert sich dafür, ob der Wahlkampf von Michel Temer im Jahr 2014 mit Schmiergeldern finanziert war – damals stand er als Vizepräsident gemeinsam mit seiner unterdessen abgesetzten Vorgängerin Dilma Rousseff auf dem Wahlzettel.
Eine Nachfrage von watson zeigt, dass das Rechtshilfeersuchen über ein Jahr nach dessen Eingang bei der Bundesanwaltschaft in Bern (BA) weiterhin in Bearbeitung ist. Angesprochen auf die über einjährige Behandlungszeit sagt BA-Sprecherin Ladina Gapp, dass das Ersuchen mit einem in der Schweiz geführten Strafverfahren zusammenhänge.
Wie lange die Behandlung noch dauert, sagt die BA nicht. Strafverfahren seien dynamische Prozesse, die nicht von der BA alleine beeinflusst werden: «Deshalb kann über deren zeitlichen Rahmen oder Verlauf keine Prognose gemacht werden», so Gapp. Gegen Präsident Michel Temer selber führe die BA derzeit weder Ermittlungen noch ein Strafverfahren.
Doch trotz ausbleibender Schützenhilfe aus Bern könnte die brasilianische Justiz Temer bald zu Fall bringen. Letzte Woche erhob sie Anklage gegen ihn wegen passiver Korruption. Eine belastende Videoaufnahme zeigt, wie ein enger Berater des Präsidenten von Vertretern des Fleischkonzerns JBS einen Koffer mit 150'000 Franken Schmiergeld erhält.
Der unter Beschuss geratene Temer ist noch kein Jahr im Amt: Der damalige Vizepräsident übernahm im Mai 2016 die Amtsgeschäfte von der suspendierten Dilma Rousseff. Im August letzten Jahres setzte das brasilianische Parlament die Präsidentin wegen angeblicher Kompetenzüberschreitungen beim Staatsbudget endgültig ab, Temer rückte an die Staatsspitze.
Doch seine noch junge Amtszeit stand von Anfang an unter keinem guten Stern: Noch während der Suspendierung Rousseffs wurden abgehörte Telefonate zwischen Petrobras-Managern und Parteikollegen Temers öffentlich. Inhalt der Gespräche: Die Absetzung von Dilma Rousseff soll helfen, die brisanten «Lava Jato»-Ermittlungen zu stoppen.
Seither versucht sich Temer trotz sinkender Unterstützung – gemäss Umfragen unterstützen ihn unterdessen nur noch sieben Prozent der Bevölkerung – im Amt zu halten. Solange er im Kongress genügend Unterstützung geniesst, werden ihm die Ermittlungen nicht das Amt kosten.