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Zinsschock: Durch den starken Dollar steigen weltweit die Preise

Dollar-Zinsschock und steigende Preise weltweit – das kommt auf die Schweiz zu

Die Aktienkurse geben nach, die Zinsen gehen rauf, der Dollar wird noch stärker. Warum Fed-Chef Powell die Märkte derart bewegt.
03.11.2022, 22:03
Niklaus Vontobel / ch media
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Die Börsen schwanken zwischen Euphorie und Depression, manchmal liegen nur wenige Minuten dazwischen. Immer dann, wenn sie sich eingeredet haben, dass die amerikanische Notenbank, die Federal Reserve Bank (FED), bald in ihrem Inflationskampf etwas nachlässt, ist es zu kleinen oder grossen Rallyes gekommen.

epa10282168 Chair of the Federal Reserve Jerome Powell holds a news conference following the Federal Open Market Committee meeting, in Washington, DC, USA, 02 November 2022. The Federal Reserve raised ...
Alles hört auf sein Kommando: FED-Chef Jerome Powell hat gestern die Investoren aufgeschreckt.Bild: keystone

So war das im Sommer, so war es im Oktober: Die Aktienkurse stiegen, die Zinsen sanken. Wenn FED-Chef Jerome Powell klarstellt, dass die Inflation noch längst nicht besiegt ist, brechen die Aktienkurse ein. Als Powell diese Woche wieder einen Leitzins-Entscheid verkündete, fragte sich die Börsenwelt, ob sich dieses gleiche Börsendrama schon wieder abspielen würde.

In den Zentralbanken der Eurozone, von Japan oder von Indien wiederum blickte man ebenfalls gebannt auf Powell. Mit seiner einzigartig schnellen Zinswende drückt er den Dollar nach oben, was global dazu führt, was der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) einen «double whammy» nennt, einen Doppelschlag. Und die Frage ist, ob dieser auch die Schweiz trifft. Der Reihe nach.

Die Euphorie vor der Powell-Rede

Anfang dieser Woche neigten sie noch zur Euphorie, die Investoren an den Finanzmärkten. In der Schweiz war der Bluechip-Index SMI ab Ende September um über 7 Prozent in die Höhe geklettert. Hingegen waren die Renditen auf zehnjährige Bundesobligationen gefallen: von fast 1.5 Prozent auf knapp über 1 Prozent. Zusammenfassend schrieb die Zürcher Kantonalbank von «klar höheren Aktienkursen» und von einem «deutlichen Renditerückgang». Es war geradezu euphorisch, doch damit war Schluss, nachdem Powell seinen Auftritt hatte.

Powell vollzog zunächst nochmals eine Jumbo-Leitzinserhöhung von 0.75 Prozentpunkten – doch damit hatten alle gerechnet. Die Börsianer warteten auf Signale, wie Powell in den kommenden Monaten weitermachen würde. Sie fanden einen neuen Satz in der Pressemitteilung, der sie noch euphorischer stimmte. Der Satz schien eine Wende anzudeuten, dass die Leitzinsen nicht mehr viel höher steigen würden. Prompt schossen die Aktienkurse empor, die Zinsen fielen senkrecht hinab. Doch dann folgte die Rede von Powell.

Warum dich die Inflation betrifft & was der Leitzins damit zu tun hat – kurz erklärt

Video: watson/Helene Obrist, Emily Engkent

Die Euphorie bricht weg

Powell platzierte einen Doppelpunch: Er werde die Leitzinsen wohl noch mehr anheben müssen, als dies von den Märkten erwartet werde; er werde sie wohl lange dort oben stehen lassen müssen. Und falls sich die Märkte auch dies schönreden würden, schlug Powell ein drittes Mal zu. Es sei besser, forsch gegen die Inflation vorzugehen, selbst wenn er dadurch eine Rezession auslöse. Geschieht dies, habe man die nötigen Werkzeuge, um die Wirtschaft zu stützen. «Wenn sich hingegen die Inflation verfestigt, wäre das ein viel grösseres Problem.»

Der Rest war Crash, Boom, Bang: Der Aktienindex Dow Jones fiel um 1.5 Prozent, der S&P 500 gleich um 2.5 Prozent, und der Nasdaq-Index, der die grossen Techkonzerne enthält, sogar um 3.4 Prozent. Es setzte sich ein Trend fort, den die «New York Times» so beschrieb: «Big Tech wird an der Wall Street verprügelt.» Facebook, das sich in Meta umbenannt hat, hat dieses Jahr über 70 Prozent an Wert verloren, Amazon und Tesla weit über 40 Prozent. Alle drei sind herausgefallen aus dem erlauchten Kreis der Konzerne mit einer Marktbewertung von 1000 Milliarden Dollar. Übrig geblieben sind Microsoft, Apple und der Google-Mutterkonzern Alphabet.

Die grosse Dollaraufwertung

Powells Rede befeuerte einen Trend, der gefährlich werden kann: die grosse Dollaraufwertung. Die amerikanische Währung ist so hoch bewertet wie seit fast vier Jahrzehnten nicht mehr, wenn sie gemessen wird an einem Korb anderer Währungen (siehe Grafik). Das zeigt sich in einer neuen Studie der BIZ. Und wie ein BIZ-Ökonom der Newsagentur Bloomberg sagte, erleiden dadurch viele Länder einen Doppelschlag.

Bild
grafik: stb / quelle: bank of international settlements

Die Energieimporte verteuern sich gleich doppelt. Erdöl oder Gas sind sowieso teurer geworden, infolge des russisch-ukrainischen Kriegs und des Booms nach der Coronakrise. Und da Erdöl oder Gas in Dollar gehandelt werden, werden sie nochmals teurer für Inder, Japaner oder Europäer. Für jeden Dollar zahlen sie mehr Rupien, Yen oder Euros.

Dieser Doppelschlag ist einzigartig, wie die BIZ schreibt: In früheren Phasen von Dollaraufwertungen wurden Rohstoffe immer günstiger. Und er kommt zur Unzeit. Die Inflation ist ohnehin rekordhoch, in der Eurozone zum Beispiel zuletzt bei über 10 Prozent, der teure Dollar drückt die Importpreise zusätzlich nach oben – und damit auch die Inflation.

Dumm genug, möchte man meinen, doch es geht noch viel dümmer – wie Grossbritannien kürzlich vorgeführt hat. In der BIZ-Studie ist das Land zwar nicht erwähnt. Doch wird gewarnt vor «disruptiven Wechselkursbewegungen», die ein Land heimsuchen, wenn es keine kohärente Geld- und Fiskalpolitik habe.

Liz Truss hatte als Premierministerin gewaltige Fiskalpakete angekündigt, um die Inflation sozial abzufedern. Obendrauf wollte sie gewaltige Steuersenkungen für Reiche. Wie sie dafür zahlen wollte – dazu waren von ihr bloss längst widerlegte ökonomische Theorien zu hören. Also rannten die Investoren zum Ausgang, das Pfund fiel, und Truss war in Rekordzeit ihr Amt los.

Die Folgen für die Schweiz

Eine Dollaraufwertung ist auch zum Franken zu beobachten: In einem Jahr wurde der Dollar um 11 Prozent stärker – allein nach Powells Rede um 1 Prozent. Doch bislang hat dies hierzulande anscheinend kaum Einfluss auf die Inflation. Im Oktober blieben die Preise etwa gleich wie im Vormonat, laut Landesindex für Konsumentenpreise. Im Vergleich zum Vorjahr ist gar ein Nachlassen zu beobachten: Im August lag die Inflation bei 3.5 Prozent, nun sind es 3 Prozent. Somit gleicht die Schweiz einer Inflationsinsel der Glückseligen, wenn man auf Deutschland blickt, wo die Menschen mit über 10 Prozent leben müssen. Doch bleibt es dabei?

Der starke Dollar ist keine Gefahr, was die Inflation anbelangt – er könnte womöglich zum Konjunkturrisiko werden. So lassen sich die Einschätzungen von Ökonomen zusammenfassen: David Marmet, Chefökonom der ZKB, und Heiner Mikosch, Leiter International an der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Man dürfe nicht nur ein Jahr zurückblicken, heisst es. Der Dollar sei heute ungefähr gleich hoch bewertet wie vor der Coronakrise. Einen weiteren Schutz gegen die Dollaraufwertung geniesst die Schweiz dadurch, dass sie viel Energie selbst herstellt mit Wasser- und Atomkraft. Schliesslich ist der Dollar ungleich weniger wichtig als der Euro – da die Eurozone wichtigster Handelspartner ist.

So weit, so glückselig, doch via die Eurozone und anderen Handelspartner könnte der starke Dollar zum «Konjunkturrisiko» werden, sagt Ökonom Mikosch. Der Dollar erhöht den Inflationsdruck in der Eurozone, sodass sich die Europäische Zentralbank zu einer strengeren Geldpolitik gezwungen sehen könnte – und dabei womöglich die Konjunktur abwürgt. Kommt es dazu, würde auch die Schweizer Wirtschaft leiden, im dümmsten Fall kommt es zu einer Rezession. Wie Mikosch sagt: «Stand heute gehen wir jedoch nicht von einem solchen Szenario aus.»

So haben sich die Güter in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr verteuert

Nachfolgend sind die Entwicklungen der einzelnen Bestandteile des Landesindex der Konsumentenpreise über das letzte Jahr aufgelistet.

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Nicht verwenden: Kostenanstieg in der Schweiz
Stand: Oktober 2022
Tabelle: Ruben Schönenberger Quelle: Bundesamt für Statistik
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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Macca_the_Alpacca
03.11.2022 23:52registriert Oktober 2021
Freunde - der Dollar wird stärker? Der war mal bei CHF 4 und mehr. Als ich in den 80er in den USA war, da hiess es noch 1$ = 2.5 CHF. Ein Dollarkurs von 1:1 war damals absolut undenkbar, heute längst Gewohnheit. Und wenn der ein bisschen steigt? Who cares?
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namib
03.11.2022 23:02registriert März 2018
Vor gut einem Monat wurde an dieser Stelle noch von „Crash-Gefahr“ gesprochen. Heute handeln die Aktienmärkte markant höher.
Ich habe den Eindruck, dass die Märkte die Situation vielleicht besser einschätzen als Powell (und NV)?
Gegen Ende 2021 hat dieser noch von vorübergehender Inflation gesprochen, diese Einschätzung war falsch. Die starke Nachfrage nach der Pandemie traf auf gestörte Lieferketten. Die Unternehmen hatten grosse Preissetzungsmacht.
Heute hat sich das Bild geändert: Die Margen werden sinken, der Arbeitsmarkt wird sich beruhigen. Ein heftiger, aber (fast) normaler Zyklus😉
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Clife
03.11.2022 23:48registriert Juni 2018
Dass die Wirtschaft so dermassen unsere Welt beeinflusst ist schon krass. Wir führen regelrecht Handelskriege. Gewinner bleiben letzten Endes aber die, die das Geld schon haben. Durch die steigende Alterssteigerung wird es umso schwieriger.
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