Es ist kein Wunder, dass eine Änderung des Leitzinses jeweils prominent in den Medien verkündet und in der Wirtschaft breit diskutiert wird. Schliesslich wird jede Änderung einen Einfluss auf eine Reihe von Faktoren haben. Dazu gehören zum Beispiel Sparzinsen, Kredite, Mietzinsen, Hypotheken und Aktienpreise, aber auch die jeweilige Währung wie bei uns der Franken. All das führt am Ende dazu, dass sich auch Preise für Alltagsgüter verändern können.
Kurz: Eine Leitzinsänderung wird immer irgendwann und in irgendeiner Weise auch dein alltägliches Leben beeinflussen.
Doch wie funktioniert das eigentlich? Und wieso hängt das alles zusammen? Hier beantworten wir die wichtigsten Fragen dazu.
Leitzinsen werden durch die National- resp. Zentralbanken festgelegt. In der Regel verfolgen diese mit der Höhe des Leitzinses bestimmte zuvor festgelegte Ziele wie stabile Preise oder eine optimale Unterstützung der Volkswirtschaft. Der Leitzins ist damit das wichtigste Instrument einer Zentralbank bei der Umsetzung ihrer Geldpolitik und der Erreichung ihrer Ziele.
Konkret definiert der Leitzins die Bedingungen, unter denen die Nationalbanken mit den «normalen» Banken geschäften. Er ist damit derjenige Zins, der die Geschäftsbanken den Zentralbanken bezahlen, wenn sie bei ihnen Geld ausleihen – respektive den sie für das Geld erhalten, das sie bei ihnen lagern.
Die Funktion der Zentralbank ist in diesem Fall nämlich so etwas wie die «Bank der Geschäftsbanken»: So wie wir unser Geld auf einem Konto bei einer Bank deponieren – oder bei der Bank Kredite aufnehmen –, so machen es diese Banken bei der Zentralbank. Das heisst: Banken halten sogenannte Reserven (eine Art Depot). Gleichzeitig leihen sie sich aber auch Geld. Beides tun sie (unter anderem) bei der Zentralbank.
Verändert sich der Leitzins, dann werden die Geschäftsbanken irgendwann auch ihren Kundinnen und Kunden die veränderten Bedingungen weitergeben. Der Leitzins gilt deshalb als allgemeine Basis für alle anderen Zinssätze. (Mehr dazu weiter unten.) Das heisst, er bestimmt am Ende, wie teuer es allgemein in einer Volkswirtschaft ist, einen Kredit aufzunehmen und sich zu verschulden – respektive wie stark es sich lohnt, Geld zu lagern und zu sparen.
Ein von der Regierung unabhängiges Gremium der Zentralbanken bestimmt den Leitzins.
In der Schweiz ist dies das Direktorium der SNB, das leitende und ausführende Organ der Nationalbank. Das Direktorium besteht aus drei Mitgliedern, die auf Vorschlag des Bankrats (eine Art Aufsicht der Nationalbank) vom Bundesrat gewählt werden.
Im Euroraum bestimmt der EZB-Rat über die Leitzinsen. Er ist ebenfalls das oberste Gremium der Notenbank, bestehend aus 25 Mitgliedern. Dieser Rat tagt regelmässig, dabei evaluiert er die wirtschaftliche Lage und stellt Prognosen auf. Darauf gestützt fasst der Rat alle sechs Wochen einen Entschluss über die Leitzinsen.
In den USA ist es kein Rat, sondern ein «Komitee» respektive ein Ausschuss: Der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (Federal Open Market Committee, FOMC) ist eine 12-köpfige Gruppe von Beamten des Federal Reserve Systems (oder Fed, wie die US-Nationalbank auch genannt wird), die auf mindestens acht Sitzungen pro Jahr die entscheidende Geldpolitik der USA festlegt.
Das ist von Zentralbank zu Zentralbank unterschiedlich. In der Schweiz wird viermal pro Jahr über den Leitzins entschieden. In den USA (mindestens achtmal pro Jahr) und der Eurozone (in der Regel alle sechs Wochen) geschieht dies gleich doppelt so oft. Zinsentscheide werden jeweils an vorher festgelegten Terminen öffentlich verkündet.
Übrigens bedeutet nicht jede Entscheidung eine Änderung des Leitzinses: Oft entscheidet das Gremium auch, den Leitzins so zu belassen, wie er ist.
Ändern sich die Konditionen, unter denen die Banken mit der Zentralbank Geld austauschen, so werden diese Konditionen nach und nach an Geschäfts- und Privatkunden weitergegeben.
Unmittelbar spürbar ist das beim sogenannten Interbankenhandel. Banken leihen sich für ihre Geschäfte nämlich nicht nur bei Nationalbanken Geld, sondern sie tun das auch untereinander, besonders bei sehr kurzfristigen Krediten. Die Zinsen auf solchen Krediten orientieren sich stark am Leitzins. Der Grund: Die Banken wägen ab, wo ein Kredit am günstigsten zu beschaffen ist – bei der Nationalbank oder bei einer herkömmlichen Bank?
Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall, beim Verleihen von Krediten: Wenn Geschäftsbanken Kredite untereinander vergeben, würden sie nicht einen geringeren Zinssatz als den Leitzins akzeptieren. Schliesslich könnten sie mehr Geld verdienen, wenn sie das Geld bei der Nationalbank lagern, statt es einer anderen Bank auszuleihen.
Erst etwas später spürbar ist die Leitzinsänderung bei den Zinsen, die wir auf unseren Sparkonten bei der Bank erhalten. Das gilt auch für Zinsen auf Kredite, die Unternehmen bei einer Bank aufnehmen wollen – beispielsweise, um ein neues Büro oder eine neue Maschine zu finanzieren.
Müssen die Banken der Zentralbank höhere Zinsen zahlen, dann verlangen sie dies letztlich auch von ihren Kundinnen – respektive, sie zahlen ihnen auch mehr bei der Lagerung ihrer Ersparnisse.
Hier spielt auch der Wettbewerb unter den Banken eine Rolle: So wählen sich die Unternehmen tendenziell diejenige Bank aus, die von ihnen bei einem Kredit den günstigsten Zins verlangen. Umgekehrt können Banken ihre Kunden verärgern, wenn sie ihnen weniger Zins auf ihre Sparkonten zahlen als die Konkurrenz.
Wenn eine Nationalbank den Leitzins senkt, können die Banken bei ihr also günstiger Kredite aufnehmen. Dasselbe gilt nun auch für Unternehmen und Privatpersonen, die Geld bei den Geschäftsbanken aufnehmen. Dadurch kommt mehr Geld in den Umlauf, man sagt auch: Die Geldmenge steigt.
Gleichzeitig hat es den Effekt, dass die Menschen mehr Geld ausgeben. Der Grund: Es lohnt sich weniger, das Geld anzulegen, weil man einen niedrigeren Zins kriegt – und bei Negativzinsen muss man sogar noch draufzahlen. Durch diesen Mechanismus soll die Wirtschaft in Schwung kommen: mehr Konsum, mehr Aufträge für die Unternehmen, höhere Produktion und so weiter.
Irgendwann übersteigt in der Regel die Nachfrage so das Angebot – die Folge: die Preise steigen.
Natürlich spielen auf den unterschiedlichen Märkten immer auch eigene Mechanismen. Auf dem Immobilienmarkt, zum Beispiel, bieten sich für Käuferinnen und Käufer durch niedrigere Hypothekenzinsen günstigere Finanzierungsmöglichkeiten – was ebenfalls zu steigendem Interesse und damit zu höheren Immobilienpreisen führen kann.
Das funktioniert natürlich auch andersherum: Steigen die Zinsen, dann schieben viele Menschen ihren Konsum wieder auf und sparen lieber – sie kriegen ja jetzt mehr für ihr auf dem Sparkonto ruhenden Geld. Sinkt die Nachfrage nach Konsum- oder auch Investitionsgütern wie Autos, Häuser, etc., dann sinken tendenziell auch die Preise.
Auch die Firmen werden weniger Kredite für Investitionen aufnehmen, da das jetzt teurer ist. Sie warten also lieber auf Zeiten, in denen sich Investitionen wie neue Maschinen mehr lohnen. Die Wirtschaft geht so in eine sogenannte kontraktive Phase über, in der mehr gespart und weniger investiert und ausgegeben wird.
Eine Zentralbank entscheidet sich in der Regel für eine Zinserhöhung, wenn die Wirtschaft tendenziell «überhitzt» ist. Dazu gehört auch, dass die Preise am Steigen sind. Sie erhöht also die Leitzinsen, um die Wirtschaft wieder etwas «herunterzufahren» und die Inflation in den Griff zu kriegen.
Für Menschen, die ihr Geld sparen und/oder anlegen, sind steigende Zinsen Good News: Sie kriegen für das Deponieren ihrer Ersparnisse höhere Zinsen überwiesen. Insbesondere in der Zeit von Negativzinsen war das ziemlich relevant: Sparende mussten teilweise nämlich sogar draufzahlen, um ihr Geld deponieren zu können.
Das kommt darauf an, ob das jeweilige Haus mit einem Hypothekarkredit finanziert wurde, für den regelmässig Zinsen bezahlt werden müssen. Sinkende Leitzinsen senken einerseits den zu errichtenden Hypothekarzins, andererseits führen sie in der Regel zu einer Wertsteigerung der Immobilie.
Umgekehrt gilt: Grundsätzlich verteuern höhere Leitzinsen alle Zinsen. Bei den Hypothekarzinsen – also den Zinsen, auf die Hypothekarkredite bezahlt werden müssen – ist das nicht anders, es kommt allerdings auf die Art der Hypothek an.
Das heisst, dass nicht alle Hausbesitzerinnen oder potenzielle Käufer gleich und auch nicht gleichzeitig betroffen sind. Sogenannte langfristige Festhypotheken zum Beispiel werden erst dann den neuen Zinsen angepasst, wenn sie ablaufen (so können sich zum Beispiel Leute mit einer Hypothek mit zehnjähriger Laufzeit die vorher noch tieferen Zinsen zehn Jahre lang sichern). Für langfristige Hypotheken gilt aber auch: Sie sind weniger stark vom aktuellen Zins abhängig als kurzfristige, da vielmehr die Zinserwartungen eine Rolle spielen.
Die Mietzinsen orientieren sich in der Schweiz an den Hypothekarzinsen. Das heisst, in der Regel steigen mit letzteren auch die Mietzinsen. Der Mietzins ist nämlich an den sogenannten Referenzzinssatz gekoppelt. Dieser ist der durchschnittliche Zinssatz aller Hypotheken in der Schweiz.
Eine Veränderung bei den Mietzinsen geschieht allerdings nicht sofort. Der Grund: Der Referenzzinssatz verhält sich normalerweise sehr träge, da er auch Zinsen auf langfristigen Hypotheken einberechnet. Mit einer gewissen Verzögerung wird bei einer Leitzinserhöhung aber letztlich auch der Mietzins steigen.
Umgekehrt haben Mieterinnen und Mieter einen Anspruch auf eine Mietzinsreduktion, wenn der Referenzzinssatz infolge einer Leitzinsreduktion gesenkt wird.
Im Gegensatz zu denjenigen, die ihr Geld auf einem Sparkonto lagern, sind höhere Leitzinse für solche, die in Aktien investieren, keine Good News.
Warum ist das so? Einerseits werden sich einige aus dem Aktienmarkt zurückziehen. Das sind primär eher vorsichtige Anleger, die keine grossen Risiken eingehen – und darum auch eher kleinere Gewinne machen. Wenn die Zinsen auf Sparguthaben steigen, können sich diese Anleger dafür entscheiden, ihr Geld wieder «klassisch» anzulegen, weil sie jetzt damit auch wieder mehr bekommen – ohne Risiken einzugehen.
Andererseits sind höhere Leitzinsen ein Signal dafür, dass Unternehmen in eine Phase geraten, in der sie – wie oben beschrieben – weniger Investitionen tätigen werden. Das kann dazu führen, dass die Nachfrage nach den Aktien solcher Firmen nachlässt.
Der Zusammenhang zwischen den Leitzinsen und dem Aktienmarkt funktioniert aber auch indirekt. So kündigen höhere Zinsen zumeist einen wirtschaftlichen Abschwung – oder zumindest vorläufig wieder weniger Wachstum – an. Das führt dazu, dass Investorinnen vorsichtiger sind mit ihren Aktien. Kurz: Steigen die Leitzinsen, sinken die Indizes der Aktienmärkte und umgekehrt. Die beiden Grössen verhalten sich gemeinhin entgegengesetzt zueinander.
Durch eine Leitzinserhöhung wird die entsprechende Währung aufgewertet, mit einer Senkung wird sie tendenziell eher abgewertet. Der Grund: Die Banken leihen sich, wie oben beschrieben, weniger Geld bei der Zentralbank aus. Dadurch sinkt das Geld, das im Umlauf ist. Und wird das Geld knapper, dann steigt sein Preis, respektive der Wert einer Währung.
Erhöht die SNB den Leitzins, dürfte sich also der Franken gegenüber anderen Währungen eher aufwerten. Allerdings: Es kommt auch darauf an, ob und wie stark die Leitzinsen anderer Währungen im Vergleich steigen.
Erst wenn sich dadurch die Nachfrage nach Geld und Produkten abgekühlt hat, kippt die Massnahme in die richtige Richtung.
Vorerst werden die Preise also weiter steigen. Dem sagt man Teuerung, weil die Preissteigerung weder durch die Ausweitung der Geldmenge noch durch die Lohn-Preis-Spirale begründet ist. Teuerung ist nicht das gleiche wie Inflation.
Die variable Hypothek SARON hat allerdings noch nicht reagiert. Ich glaube ja, dass die Banken kurz erschrocken sind und überreagiert haben. Denn die Zinsen von Festhypotheken sind überproportional stark gestiegen. Und witzigerweise auch sehr unterschiedlich.
Mal sehen, was die Zukunft bringt…