4,2 Millionen km2 oder ein gerodeter Wald so gross wie die Schweiz – mal 100. Das ist die Fläche, die seit 1990 gemäss der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) zur Umnutzung gerodet wurde. Der grösste Teil davon wurde zu Landwirtschaftsfläche, genauer zu Ackerland und vor allem zu Weideland für die Fleischproduktion. Die Auswirkungen dieser Waldrodungen auf den Klimawandel sind enorm, und es stellt sich die Frage: «Ist die Klimakrise gelöst, wenn wir uns alle vegan ernähren?»
Dazu gibt es eigentlich eine einfache Antwort: «Ja!» Nach einer Studie der Universität Stanford kann durch den Verzicht auf tierische Produkte über die nächsten 15 Jahre der gleiche Effekt erzielt werden wie eine 68-prozentige Reduktion der CO₂-Emissionen bis 2100. Und vieles davon hat mit der Nutzung der Erdoberfläche und der Aufforstung der Wälder zu tun.
Aber erst einmal von vorne:
Rund 108 Millionen km2 der Erde gelten als bewohnbar. Davon sind nicht bewohnbare Landgebiete wie Gletscher oder Wüsten ausgeschlossen. Mit 37 Prozent Waldfläche und 12 Prozent Sträuchern ist rund die Hälfte der bewohnbaren Landmasse überwachsen, mehr als 53 Millionen km2. Von Menschen erbaute Infrastruktur nimmt daneben nur gerade 0,8 Prozent der Fläche in Anspruch oder 863'854 km2.
Der allergrösste Teil der Landmasse beansprucht mit rund 33,8 Prozent oder 48 Millionen km2 die Landwirtschaft. Das ist etwas mehr als die Fläche von ganz Asien. Von dieser Fläche werden 80 Prozent für die Tierhaltung verwendet, sprich für den Futteranbau und für Weideland.
Einen wesentlichen Beitrag zur ineffizienten Nutzung von Land und der daraus resultierenden Rodung von Waldfläche leistet unsere Ernährung. Spezifisch bei tierischen Produkten ist die verwendete Fläche, um 1000 kcal zu produzieren, alarmierend schlechter als bei pflanzlichen Alternativen, wie die folgende Grafik zeigt.
Auffällig sind dabei Rinder und Schafe. Die wiederkäuenden Nutztiere benötigen zusammen mehr Fläche als alle veganen Produkte in der obigen Auflistung addiert. Zum Vergleich: In den Top 10 der landnutzungsintensivsten Nahrungsmittel befinden sich mit Kaffee und dunkler Schokolade gerade mal zwei vegane Produkte. Der Rest ist tierischer Herkunft.
Tierische Nahrungsmittel tragen gemäss der FAO zudem nur einen kleinen Anteil zur weltweiten Kalorien- und Proteinzufuhr bei. Fleisch, Milchprodukte und gezüchteter Fisch liefern lediglich 17 Prozent der Kalorien und 38 Prozent des Proteins weltweit – trotz einer Landnutzung von 80 Prozent. Schauen wir uns diese deshalb etwas genauer an.
Die momentane landwirtschaftliche Bodennutzung teilt sich in folgende Nutzungsbereiche auf: Ein kleiner Teil von rund 4 Prozent oder rund 1,9 Millionen km2 wird für den Anbau von Non-Food-Pflanzen wie Baumwolle, Hanf oder Fasern für die Papierproduktion genutzt. Ackerland für essbare Pflanzen nimmt rund 16 Prozent oder 7,7 Millionen km2 in Anspruch. Der grosse Rest ist mit knapp 80 Prozent oder 38,5 Millionen km2 der Viehhaltung überlassen. Hier handelt es sich vor allem um Weideland, aber auch um Futteranbau sowie Infrastrukturfläche.
Nehmen wir nun also an, die ganze Weltbevölkerung ernährt sich fast oder ausschliesslich pflanzlich, könnte ein Grossteil des Weidelands eingespart werden und stünde für eine andere Nutzung zur Verfügung. Die folgende Grafik zeigt den Einfluss der Ernährungsarten auf die Nutzung der weltweiten Landwirtschaftsfläche.
Wenn sich alle Menschen vegan ernähren würden, müsste die Fläche für den Ackerbau also nur gerade von 16 auf 20 Prozent vergrössert werden, um die verlorenen Kilokalorien, die durch den Verzicht auf tierische Nahrung wegfallen würden, wieder aufzuholen. Hingegen werden 76 Prozent der Landwirtschaftsfläche eingespart, was 36,6 Millionen km2 entspricht – 6 Millionen km2 mehr als der gesamte Kontinent Afrika.
Theoretisch ist es also möglich, die gesamte Weltbevölkerung rein pflanzlich zu ernähren, wie auch eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften nachweist. Was allerdings ein Engpass werden könnte, ist die Menge an tierischen Düngemitteln, die eine rein biologische Landwirtschaft benötigen würde – daher besteht weiterhin eine starke Abhängigkeit von der Tierproduktion.
Ausserdem ist Hunger keine reine Frage der Bodennutzung, denn Menschen hungern nicht, weil zu wenig Platz vorhanden ist, um alle zu ernähren. Genügend Essen für alle Menschen zu produzieren ist mit dem Fleischkonsum grundsätzlich vereinbar und daher würde es auch mit einer rein pflanzlichen Ernährung funktionieren.
Doch welche Pflanzen müssten wir bei einer rein veganen Ernährung essen? Da durch den kompletten Abbau von tierischen Produkten 38 Prozent des globalen Proteinbedarfs nicht mehr abgedeckt sind, müssten vor allem proteinhaltige Pflanzen Abhilfe schaffen. Nebst dem Anbau von Obst, Getreide und Gemüse müssten auf der frei gewordenen Fläche also vermehrt Hülsenfrüchte wie Soja, Bohnen, Lupinen und Erbsen angebaut werden. Aber um 1000 kcal zu produzieren, benötigen Hülsenfrüchte nur gerade 4,57 m2 Ackerland, während Rind 119,49 m2 Weidefläche in Anspruch nehmen. Die Landnutzung wird also um rund 96,1 Prozent reduziert.
Aber zurück zu unserer Eingangsfrage, denn bis jetzt haben wir ja nur Land eingespart. Ob die menschengemachte Klimakrise durch die Umstellung auf eine rein vegane Ernährung gelöst werden könnte, ist damit aber noch nicht beantwortet. Entscheidend ist, wie wir die frei gewordene Fläche nutzen.
Ein wirksames Mittel, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, wäre die Aufforstung. Gemäss einer Studie des Crowther Lab an der ETH Zürich reicht die Aufforstung einer Fläche von 9 Millionen km2 Wald, um 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff zu speichern. Das sind rund 68 Prozent der gesamthaften 300 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die seit der Industriellen Revolution vom Menschen verursacht wurden und in die Atmosphäre gelangt sind.
Bereits auf einer Fläche von rund 13,1 Millionen km2 könnte also die gesamte Menge an vom Menschen verursachtem Kohlenstoff gebunden werden. In unserem Szenario steht mit 36,6 Millionen km2 gar eine viermal so grosse Fläche für die Aufforstung zur Verfügung. Selbst wenn darauf nicht überall Wald aufgeforstet werden könnte, würde dies locker reichen.
Wir sprechen hier von negativen Emissionen. Dabei werden Emissionen nicht nur reduziert, sondern Kohlenstoff wird aktiv gebunden und der Atmosphäre entzogen. Durch die Aufforstung der für die Landwirtschaft gerodeten Waldflächen könnte also genügend Kohlestoff gebunden werden, um die Klimakrise zu überwinden.