Lediglich ein halbes Prozent der Schweizer Haushalte ernährt sich strikt vegan, also ohne Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Honig und andere tierische Produkte. Das zeigt eine repräsentative Befragung unter Leitung der Universität St.Gallen. Obschon die vegane Ernährungsweise auf dem Vormarsch ist, bleibt sie in letzter Konsequenz also ein Randphänomen. Ungeachtet dessen ist das Thema in der Gesellschaft emotional aufgeheizt, vor allem, wenn es um Kinder geht. Überdies raten viele Fachgesellschaften von einer veganen Ernährung im Säuglings- und Kleinkindalter ab. Zu hoch sei das Risiko für Mangelerscheinungen.
Dennoch entscheiden sich manche Eltern dafür, ihre Kinder vegan zu erziehen, zum Beispiel die 37-jährige Iris, Mutter von drei Kindern. Sie schilderte der Westschweizer Anthropologin Edmée Ballif, die am University College London forscht und Interviews mit veganen Familien geführt hat:
Eine Erkenntnis von Ballif lautet , dass die Vorstellung einer guten Erziehung von veganen Eltern wie bei Iris darauf beruhe, dass den Kindern nur dann eine gute Zukunft bevorsteht, wenn nicht nur ihnen, sondern auch der Umwelt und den Tieren Sorge getragen wird.
Dazu reicht es den Eltern nicht, «nur» vegetarisch zu leben. Bedenken haben sie etwa auch bezüglich der Milchproduktion. Die 34-jährige Charlotte begründet dies so:
Isabelle Rieckh ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berner Fachhochschule und selbstständige Ernährungsberaterin in Basel mit Fokus auf Säuglinge und Kinder. Sie erhalte erstaunlich viele Anmeldungen von Eltern, die ihre Säuglinge vegan ernähren möchten, sagt sie. Deren Motivation für eine vegane Ernährung sei wie auch bei den Eltern in Ballifs Studie nicht in erster Linie die Gesundheit, sondern die Umwelt.
Die Ernährungsexpertin räumt ein, dass eine vegane Kinderernährung sehr herausfordernd sei:
Die Kinder, die zu ihr kämen, seien aber sehr gesund. Probleme beobachte sie gar öfters bei anderen Kindern, etwa solchen, die zwar Eier, Milchprodukte und Fleisch essen, aber ansonsten ein sehr unausgewogenes Essverhalten aufzeigten.
So offen wie Rieckh sind nicht alle Gesundheitsfachleute. Um sich deren Urteil zu entziehen, entwickelten die veganen Familien aus Ballifs Studie daher gezielte Strategien. «Das geht vom Austausch von Adressen von Kinderarztpraxen, die gegenüber dem Veganismus offen sind, bis hin zur totalen Vermeidung von medizinischen Konsultationen», so die Forscherin. Ein Problem sei, dass medizinische Fachkräfte und Ernährungsberater während der Ausbildung wenig bis gar nichts zu Veganismus lernten. Es brauche mehr Aufklärung.
Ein kritischer Punkt, den die Anthropologin Ballif in ihrer Studie beobachtet hat, ist, dass vegane Familien in alte Rollenmuster zurückzufallen drohen. Denn in unserer Gesellschaft bedeute die Entscheidung für eine vegane Ernährung eine Mehrbelastung, etwa wenn die Kinder ihre Mahlzeiten in die Kita, den Kindergarten oder in die Schule selbst mitbringen müssen.
In fast der Hälfte der befragten Familien hatte ein Elternteil die Erwerbsarbeit aufgegeben, damit sich die Familie vegan ernähren kann. In der Regel war es die Mutter, weil die Kinderbetreuung in der Schweiz noch immer mehrheitlich von Frauen getragen werde, so Ballif. Sie betont allerdings, dass höchstwahrscheinlich auch diejenigen Mütter ihre Pensen reduzierten, deren Kinder zum Beispiel wegen einer Nahrungsunverträglichkeit speziell ernährt werden müssen.
Auch Sophie, 39 Jahre alt, erzieht ihre vier Kinder mit ihrem Mann vegan. Um ihnen diese Ernährungsweise einzuschärfen, griff sie auf eine radikale Methode zurück, wie sie der Forscherin Ballif geschildert hat: Sie zeigte ihren Kindern eine Dokumentation von Tieren, die leiden mussten und daraufhin geschlachtet wurden.
«Ich erinnere mich», erzählte sie, «dass meinem Sohn beim ersten Mal die ganze Nacht übel war; es war wirklich ein emotionaler Schock, ein bisschen hart.» Die Mädchen hätten geweint. Doch sie könne nicht verstehen, dass andere Eltern ihren Kindern ein Stück totes Fleisch gäben, ohne ihnen zu erzählen, wie dieses Essen auf den Teller kam.
Die Ernährungswissenschafterin Rieckh erachtet solche extremen Erziehungsversuche als nicht erstrebenswert. Gleichzeitig betont sie aber, dass es wichtig sei, Kindern ein umfassendes Wissen zur Ernährung mitzugeben. Sie sagt:
Das wäre aber wichtig, auch deshalb, damit Kinder tierische Produkte schätzen lernten und als wertvoll betrachteten. «Dieses Wissen fehlt teilweise», so Rieckh.
Zentral sei es, dass Eltern als gute Beispiele vorangehen und die Kinder zu selbstdenkenden Menschen erziehen. «Wenn sich das Kind dann aus eigenem Antrieb für die vegane Ernährung entscheidet, ist das gut», sagt sie und fügt an: «Aber das Kind sollte nicht hineingedrängt werden.»
Spinnen die eigentlich? Wieso macht man so was abartiges?
Mein Kind Nr. 2 isst einfach alles und das erst noch mit Genuss.
Unser Ziel als Eltern:
Die Kinder irgendwie vernünftig und ausgewogen ernähren. Das ist schon Challenge genug. Ob sie Mischkost, Vegetarisch oder Vegan essen wollen entscheiden sie in ein paar Jahren selber.