Die Weltgeschichte ist voller seltsamer Begebenheiten – manche davon grausam, manche komisch. In unregelmässigen Abständen präsentieren wir einige dieser erstaunlichen historischen Fakten, von denen kaum jemand schon mal gehört hat.
Etwa um 1750 v. Chr. schickt ein gewisser Nanni eine Tontafel an den Grosshändler Ea-Nasir in der babylonischen Stadt Ur in Mesopotamien. Nanni wirft Ea-Nasir vor, er habe seinem Boten minderwertige Kupferbarren angeboten.
Nannis Reklamation, aus der auch nach beinahe 4000 Jahren noch eine Empörung spricht, die wir problemlos verstehen, ist nicht die einzige, die unter den Tontafeln aus Ea-nasirs Hinterlassenschaft gefunden wurde. Es scheint auch, dass dessen Kreditwürdigkeit mit der Zeit litt und er in finanzielle Schwierigkeiten geriet – jedenfalls konnten die Archäologen feststellen, dass ein Raum seines Hauses abgetrennt und mit dem Nachbarhaus verbunden wurde.
Die Tontafel mit Nannis Beschwerde wurde bereits bei Ausgrabungen zwischen 1922 und 1934 in Ur gefunden und 1953 vom British Museum angekauft. Um 1960 wurde der Text ins Englische übersetzt. Im 21. Jahrhundert erlebte Nannis Beschwerde eine neue Karriere als Internetphänomen – es gibt zahlreiche Memes, die sich darauf beziehen. Und das Guinness-Buch der Rekorde hat die Tontafel als «ältesten Beschwerdebrief der Welt» anerkannt.
Die Colleoni sind ein bedeutendes italienisches Adelsgeschlecht. Die Familie stammt ursprünglich aus Bergamo; ihr berühmtester Vertreter, der Condottiere Bartolomeo Colleoni, brachte es zum Kapitän-General der Republik Venedig.
Bekannt sind die Colleoni allerdings auch wegen ihres auffälligen Wappens: Es zeigt drei Paar Hoden. Vermutlich ist es eine Anspielung darauf, dass der Familienname fast gleichlautend zum italienischen Wort coglione ist, das «Hoden» bedeutet. Weil es angeblich Glück bringt, berühren manche Leute gern das Wappen, das in der Stadt Bergamo an mehreren Stellen noch anzutreffen ist.
Nach der Entdeckung Amerikas teilten die europäischen Kolonialmächte sukzessive fast die gesamte Erde untereinander auf. Zeitweise mischte in diesem Wettbewerb auch ein Land mit, das heute kaum noch jemand kennt: das Herzogtum Kurland und Semgallen. Dieser kleine Feudalstaat, dessen Gebiet im heutigen Lettland lag, existierte von 1561 bis 1795 als selbstständiges Herzogtum unter polnisch-litauischer Oberhoheit, danach fiel Kurland-Semgallen unter russische Herrschaft.
Im 17. Jahrhundert erlebte Kurland-Semgallen während der Herrschaft von Herzog Jakob Kettler eine wirtschaftliche Blütezeit. Kettlers vermögende Frau Luise Charlotte von Brandenburg besass Anteile der Holländischen Westindien-Kompagnie (WIC), die Handel – auch mit Sklaven – mit ihren Kolonien in Westafrika und Amerika betrieb. Dies brachte Kettler auf die Idee, Häfen anzulegen und eine eigene Handelsflotte mit hochseetauglichen Schiffen aufzubauen.
Nach ersten fehlgeschlagenen Kolonialprojekten in der Karibik, die gemeinsame brandenburgisch-kurländische Unternehmungen waren, gelang es einer kurländischen Expedition 1649, in Westafrika Fuss zu fassen. Auf einer Insel im Gambia-Fluss entstand der Handelsstützpunkt Sankt Andreas, flankiert von der Festung Fort Jacob. Das afrikanische Neu-Kurland blieb bis 1660 in kurländischem Besitz und wurde danach von den Engländern übernommen.
In der Karibik existierte von 1654 bis 1659 eine kurländische Niederlassung auf der Insel Tobago, die in «Neukurland» umbenannt wurde. Weil im fernen Europa aber Schweden in Kurland einmarschiert war und von 1658 bis 1660 Herzog Jakob gefangengenommen hatte, konnten die Holländer die Insel übernehmen. Ein weiteres kurländisches Intermezzo von 1680 bis 1689 scheiterte schliesslich an fehlenden Mitteln. Diese kurzfristigen Besitzungen machten das baltische Herzogtum mit nur etwa 200'000 Einwohnern zum kleinsten Staat, der in Afrika und Amerika Kolonien besass.
1917 übernahmen die Bolschewiken in der Oktoberrevolution die Macht in Russland, 1922 gründeten sie die Sowjetunion. Vor allem in deren frühen Jahren versuchte die Kommunistische Partei, das neue Regime mit neuen Wörtern zu legitimieren: Ein Schwall von Neologismen ergoss sich in die russische Sprache. Und es entstanden neue Vornamen, die die neuen revolutionären Verhältnisse widerspiegelten.
Seltsame Neuschöpfungen wie Vilen oder Vladlen (in der weiblichen Version Vladlena oder Vladilen) sollten an den Begründer der Sowjetunion, Wladimir Iljitsch Lenin, erinnern. In dieselbe Kerbe schlugen Mel (Marx, Engels und Lenin) oder Mels (Marx, Engels, Lenin und Stalin). Zum Gedenken an die Oktoberrevolution gab es Oktyabrin (weiblich Oktyabrina), an revolutionäre Heldentaten erinnerte Barrikad (weiblich Barrikada).
Daneben entlehnte man auch Namen aus Technik oder Natur, etwa Radiy («Radium») als Symbol für wissenschaftlichen Fortschritt oder Gvozdika («Nelke») als Symbol der internationalen Arbeiterbewegung. Die Verbreitung solcher Namen versuchten die Machthaber durch einen «neuen sowjetischen Ritus» zu fördern: Die sogenannte Oktobertaufe sollte die religiöse Kindertaufe ersetzen. Dieser atheistische Ersatz war aber eher kurzlebig.
Was haben eine ausgestorbene Schildkröten-Art und ein ungarischer Adliger miteinander zu tun? Der Adlige, Franz Baron Nopcsa von Felső-Szilvas, war ein schillernder Abenteurer, der sich in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen hervortat, auch in der Paläontologie. Er entdeckte mehrere fossile Arten und benannte sie, darunter eben auch die Schildkrötenart Kallokibotion bajazidi, die in der Oberkreide (vor 86–66 Millionen Jahren) lebte.
Daneben war Nopcsa aber auch Geologe und ein führender Albanologe seiner Zeit. Sein Interesse an der albanischen Sprache und Kultur dürfte nicht zuletzt durch seinen Lebenspartner inspiriert gewesen sein: Der Albaner Bajazid Elmaz Doda war ab 1907 sein Sekretär und bald auch sein Liebhaber. Nopsca schrieb über ihn in seinen Memoiren:
Das Liebespaar reiste gemeinsam durch den Balkan, wurde entführt und wieder befreit. Beide überlebten zusammen den Ersten Weltkrieg und reisten in den Nachkriegsjahren per Motorrad nach Italien. Beider Leben endeten am 25. April 1933, als der unter Depressionen leidende Nopsca seinen elf Jahre jüngeren Liebhaber erschoss und sich danach selbst tötete. An Bajazid erinnert heute noch der Name der ausgestorbenen Schildkröte: Kallokibotion bajazidi bedeutet wörtlich «schöne Schachtel von Bajazid». Laut dem britischen Paläontologen Gareth Dyke wählte Nopsca diesen Namen, weil ihn «die Form des Schildes an den Arsch von Bajazid erinnerte».
Am 18. Juni 1875 brach im Dubliner Stadtteil The Liberties – vermutlich im Steuerlager des Kaufmanns Laurence Malone – ein Brand aus, der durch die grosse Hitzeentwicklung die dort gelagerten 5000 Fässer, die knapp 1,2 Millionen Liter Whiskey enthielten, zum Platzen brachte. Dadurch ergoss sich um 21.30 Uhr ein Schwall Whiskey durch Fenster und Türen des brennenden Gebäudes.
Ein 15 Zentimeter tiefer, brennender Whiskeystrom lief nun durch die Strassen und entzündete weitere Häuser und Ställe. Quiekende Schweine in den Ställen alarmierten die Anwohner, sodass der Brand keine direkten Todesopfer forderte. Dennoch kamen wegen des sogenannten Dubliner Whiskeybrands 24 Personen ins Krankenhaus; 13 Menschen fanden den Tod. Sie alle starben an einer Alkoholvergiftung, weil sie den Whiskey in verschiedensten Gefässen aufgefangen und getrunken hatten.
Die Alkoholvergiftungen erfolgten jedoch nicht etwa deshalb, weil die Trinker Unmengen von Whiskey in sich hineinkippten. Der in den Fässern gelagerte Whiskey wies sogenannte Fassstärke auf, enthielt also viel mehr Alkohol (55–65 Volumenprozent) als der auf Trinkstärke (40–43 Volumenprozent) verdünnte Whiskey, der in Flaschen abgefüllt in den Handel kam. Dies dürfte den Gratistrinkern zum Verhängnis geworden sein.
Sie war die letzte Pharaonin Ägyptens, Geliebte von Cäsar und Marcus Antonius und galt als Inbegriff der verführerischen Schönheit: Kleopatra. Sie stammte aus der makedonisch-griechischen Dynastie der Ptolemäer, die das reiche Land am Nildelta seit der Eroberung durch Alexander den Grossen beherrschte. Schon Kleopatras Vater Ptolemaios XII. konnte sich aber nur dank der Unterstützung durch die Weltmacht Rom auf dem Thron halten – Ägypten war längst zu einem Klientelstaat des Römischen Reichs herabgesunken.
Die Ptolemäer hatten sich im Laufe ihrer Herrschaft an ägyptische Gepflogenheiten angepasst, zu denen auch die Geschwisterehe gehörte. Diese Praxis, die zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Erbkrankheiten führt, war allerdings nur innerhalb der Herrscherfamilie üblich. In dieser Form galt sie in Ägypten als legitim und wurde als geheiligter Brauch praktiziert. So sollte die Macht in der Familie erhalten werden. Für die Griechen hingegen widersprach die Geschwisterehe überkommenen Moralvorstellungen.
Nach dem Ableben ihres Vaters bestieg Kleopatra, die vermutlich eine ägyptische Mutter hatte, um 51 v. Chr. mit 18 Jahren als Kleopatra VII. den Thron – zusammen mit ihrem erst zehn Jahre alten Bruder Ptolemaios XIII. Ihre erste Amtshandlung soll die Heirat mit ihrem Bruder gewesen sein, die ihr Vater testamentarisch verfügt hatte. Als Frau konnte Kleopatra zwar in Ägypten herrschen, jedoch nicht ohne die Legitimation durch einen Gatten an ihrer Seite. De facto regierte die junge Königin aber allein.
Bald kam es jedoch zu Thronstreitigkeiten zwischen Kleopatra und ihrem Brudergatten, hinter dem mächtige Kreise standen. Nun intervenierte der römische Feldherr Caesar, der ihr Liebhaber wurde und dessen Truppen ihre Gegner schlugen. Ptolemaios XIII. ertrank bei dieser Schlacht im Nil. Erneut auf dem Thron installiert, heiratete Kleopatra nun ihren zweiten Bruder, den zwölfjährigen Ptolemaios XIV. Diesen Gemahl liess sie nach der Ermordung Caesars im Jahr 44 v. Chr. vergiften.
Zum neuen Mitregenten ernannte sie ihren dreijährigen Sohn Ptolemaios XV. Kaisar, dessen Vater wohl Caesar war. Kleopatra verbündete sich nun mit dem römischen Feldherrn Marcus Antonius, der ihr neuer Liebhaber wurde. Doch der Krieg zwischen Antonius und Cäsars Adoptivsohn Octavian endete nach der verlorenen Seeschlacht bei Actium 31 v. Chr. mit der Niederlage des Paars, dessen Lage nun aussichtslos war. Im Jahr darauf nahm sich Kleopatra das Leben, angeblich durch einen Schlangenbiss.